PiS: "Polen ist das Herz Europas"
Europawahlkampf in Polen: Regierungspartei von Rechtsaußen und Missbrauch in der Kirche herausgefordert
Der Europawahlkampf in Polen läuft nicht so, wie es sich die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) wünscht. Gefahr droht von ganz rechts und durch einen Imageverlust des Klerus, des wichtigsten Bündnispartners,. Die Europäische Koalition, ein Verbund aus fünf "liberaleren" Parteien, kann die nationalkonservative Partei den Umfragen nach noch nicht überholen. Doch die Freiheit, die die PiS den Rechtsaußen-Gruppen ließ, damit diese den liberalen Gegner drangsalieren, rächt sich nun.
Diese haben sich zu einer "Konföderation" zusammengeschlossen. Auf den ersten Blick wirkt sie nicht wirklich überzeugend, die Gruppe besteht aus der rechtsextremen "Nationalbewegung", aus der Bewegung des Rapper Liroy, aus dem Monarchisten Gregorz Braun, aus der nichtregistrierten Partei "Korwin", die von Janusz Korwin-Mikke regiert wird, dessen Programm vor allem aus Provokation besteht. Auch wird die Egomanie dieser Politiker keine wirkliche Zusammenarbeit erlauben.
Doch mit dem "Act 447" kann diese Gruppierung nun punkten. Das US-Gesetz, das vor rund einem Jahr in Kraft trat, soll die Entschädigung von enteigneten Juden während des Holocausts umsetzen, vor allem Polen ist hier betroffen. Immer noch ist unklar, wie mit den Besitztümern, zumeist Immobilien, von jüdischstämmigen polnischen Staatsbürgern umzugehen ist, die im Holocaust umgekommen oder vor der Vernichtung ins Ausland geflohen sind und deren Besitz in der Zeit des Kommunismus verstaatlicht wurde.
Elan Sherod Carr, der US-Beauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus, versuchte zwar am vergangenen Mittwoch in Warschau die Gemüter zu beruhigen. Es gebe keinerlei Schuldzuweisung an den Verbrechen, die während der deutschen Okkupation geschehen sind, es gebe von Seiten der USA keinerlei Druck auf den treuen Verbündeten an der Weichsel. Allerdings wies der Gesandte auch darauf hin, dass Polen 2009 die Terezin-Erklärung unterschrieben hat, bei der 47 Staaten darin übereinstimmten, Entschädigungen für Holocaustopfer und andere Opfergruppen des Dritten Reiches anzustreben.
Am vergangenen Samstag konnten die Anhänger der Rechten geschätzte 20.000 Menschen in Warschau auf die Straße bringen, um dagegen zu protestieren. "Das ist nicht unsere Schuld, Entschädigungsforderungen an Berlin!", skandierte ein Redner auf einem Lastwagen, was die Menge mit den weißroten Fahnen vor dem Warschauer Kanzleipalast des Premierministers tosend wiederholte.
Nach Annehmen der Rechten kommen derzeit 300 Milliarden US-Dollar an Forderungen von jüdischen Organisationen in den USA auf Polen zu. Diese Zahl erwähnte auch Piotr, der zusammen mit Karolina aus der Nähe von Warschau kommend, Unterschriften unter dem Motto "Nein zur Entschädigung" sammelte. Woher die Summe käme, wisse er auch nicht, doch sie sei real.
Später hielten beide ein Transparent auf Englisch hoch, um damit zur US-Botschaft zu laufen: "Denkt an die Ulma Familie." Es geht um eine polnische Familie, die von der SS 1944 in Ostpolen ermordet wurde, da sie Juden bei sich beherbergte.
"Die haben doch Millionen, die haben die ganzen Medien, das wird sich immer weiter drehen", so zwei ältere Männer, die den Staatspräsidenten Andrzej Duda "Juda" nannten. Redner, darunter der Nationalist Tomasz Karlinowski, der den berüchtigten Unabhängigkeitsmarsch am 11. November organisiert (Rechter Rand darf in die Mitte) warnten davor, dass Polen demnächst "ausgeraubt" werde. Schließlich marschierten die Rechten zu der von massivem Polizeiaufgebot geschützten US-Botschaft.
"Wir sind es, die entschädigt werden sollen"
Zwar wurde 1960 ein Vertrag zwischen USA und Polen geschlossen, dass es keine Eigentumsforderungen von US-Bürgern gibt. Dafür zahlte Polen damals 40 Millionen US-Dollar. Um die Rückgabe von Besitz gab es bereits einen Skandal im Warschauer Rathaus, da dort Beamte Immobilien an Erben der Eigentümer illegal verkauft hatten. Die nationalkonservative Regierung setzt auf enge Zusammenarbeit mit den USA. Doch bei diesem Thema wird auch Premier Mateusz Morawiecki emotional. "Wir erlauben keine Entschädigung oder Bezahlung an irgendjemanden, denn wir sind es, die entschädigt werden sollen", erklärte er vergangene Woche in einer Rede, in der er an die Verbrechen Deutschlands erinnert.
Unter der regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) bereitet das Land seit Sommer 2017 Reparationsforderungen gegenüber Deutschland vor. Doch gerade, da die PiS immer wieder von der Notwendigkeit der Reparationen gesprochen haben, glauben viele Rechte, dass jüdische Organisationen in den USA nun Polen zur Kasse bitten können.
Die Konföderation erfuhr letztens Zuwachs und könnte nach aktuellen Umfragen mit 6 Prozentpunkten in das Europaparlament einziehen und dort für entsprechenden Rabatz sorgen.
Ob auf Druck von Rechtsaußen sei dahingestellt, der Besuch von israelischen Diplomaten, die in dieser Sache mit der Regierung in Warschau sprechen wollten, wurde am Montag vom polnischen Außenministerium kurzfristig abgesagt. Nun verkauft ausgerechnet die israelische Firma Metropol NH, die Besitzerin der PiS-Parteizentrale ist, wo sich Jaroslaw Kaczynski primär aufhält, das Gebäude an eine Hotelkette, die dort ein Hotel bauen will.
Konfliktfall der PiS mit der Kirche
Aufgrund der Querelen um den Brexit und die Europafreundlichkeit der Polen hat sich die PiS einen Wahlkampf ausgedacht, der keine Anklänge an ein mögliches Austreten Polens aus der EU erlaubt. "Polen ist das Herz Europas", lautet das Motto.
Als Programmpunkte im Europawahlkampf führt die Partei, die in Straßburg der EU-skeptischen Gruppe "Europäische Konservative und Reformer" (EKR) angehört, ein Nein zum Euro, ein Verhindern der illegalen Migration, ein Aufheben der Qualitätsunterschiede von Waren zwischen West und Ost ("Nutella-Grenze")
Aber auch gegen Sexualisierung von Kindern und Pädophilie will die PiS vorgehen, eine Volte gegen ein LGTB-Aufklärungsprogramm des liberalen Warschauer Bürgermeisters.
Doch ein kürzlich auf YouTube erschienener Dokumentarfilm "Sag es nur niemandem" über den Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche schlägt große Wellen (14 Millionen Aufrufe) und schwächt mit dem Klerus den wichtigsten Verbündeten der PiS. Noch vor einigen Tagen wurde mit martialischen Worten vom PiS-Parteichef die Kirche geschützt: "Wer die Hand gegen die Kirche erhebt, sie vernichten will, erhebt die Hand gegen Polen." Die Katholische Kirche in Polen, der über 90 Prozent der Bevölkerung angehören, unterstützt bislang den politischen Kurs der Regierung.
Nun wendet sich die Partei in ihrer scharfen Rethorik auch gegen den Klerus. So verspricht Morawiecki, dass es bei Pädophilie keinen "Sondertarif" für die Kirche geben kann und kündigt an, bei Missbrauch im Strafmaß bis auf 30 Jahre Gefängnis hochzugehen.
Die Krise der Kirche, die sich nun offener dem Missbrauch stellen muss, ist so auch die Krise der PiS mit Auswirkung auf die Wahl am 26. Mai. Allgemein wird angenommen, dass Kaczynski nach dem Ausgang der Europawahl, dem Abschneiden seiner Partei sowie dem anderer EU-skeptischer Parteien sich daran machen wird, den Schlachtplan für die Parlamentswahlen im kommenden Herbst zu entwerfen. Umso höher die Unterstützung für die PiS, umso rücksichtsloser wird vermutlich die Gangart mit EU-Institutionen sowie der Opposition ausfallen.
Diese will am kommenden Samstag mit ihrem Marsch "Polen in Europa" auf sich aufmerksam machen. Die Europäische Koalition besteht aus den Parteien "Modernes Polen", dem "Bündnis der Demokratischen Linken" (aus der Einheitspartei hervorgegangen), der Bauernpartei PSL, den marginalen Grünen sowie der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO).
Hauptargument ihres Programms ist, dass ihr moderateres, EU-freundliches Auftreten in Brüssel, Polen mehr Gelder für die nächste Haushaltsperiode der EU sichern kann, auch von Klimaschutz ist die Rede. Entscheidend wird sein, wie viele Teilnehmer sie dann auf die Beine bringen. Im vergangenen Jahr waren es nach Einschätzung des Rathauses 50.000, nach Angaben der regierungsfreundlichen Polizei 11.000.
Für Samstag wird Regen und Gewitter angekündigt, so dass nur die Hartgesottenen für "Polen in Europa" auf die Straße gehen werden. Zu ihnen soll nun auch Donald Tusk gehören. Der ehemalige Premier und jetzige Vorsitzende des Europäischen Rats will am 4. Juni in Danzig konkreter zu seiner politischen Zukunft werden, sein europäisches Amt endet im November.
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