Pinselstreiche
Capcom bringt das Action-Adventure Okami auf die Wii
Capcoms Okami für Sonys PS2 erhielt durchweg beste Kritiken in der Spielepresse, der kommerzielle Erfolg hielt sich indes in Grenzen. Dessen ungeachtet startet das Spiel nun einen neuen Anlauf auf Nintdos Wii, für die das Spielprinzip wie geschaffen ist.
Der Spieler schlüpft in die Rolle der Göttin Amaterasu in Gestalt eines weißen Wolfes, die auf dem Weg das Land Nippon zu retten zunächst ihre göttlichen Fähigkeiten wieder erlangen muss. Ihre Kräfte entfaltet sie mit Hilfe eines göttlichen Pinsels, der Okami auf der Wii mehr noch als auf der PS2 einzigartig macht. Dort wo beispielsweise Link in den Zelda-Spielen eine Bombe aus seinem Beutel zieht, um einen Fels zu sprengen, zeichnet der Spieler in Okami die Bombe schlicht ins Bild.
Ebenso lernt er im Verlauf des Spiels mit einer schleifenförmigen Pinselbewegung den Wind zu rufen und kann sogar die Sonne oder den Mond an den Himmel malen. Den Pinsel führt der Spieler mit der Wii-Steuerung und zeichnet so direkt ins Spielgeschehen.
Dazu passt die Optik des Spiels im Stil japanischer Aquarelle, die den Eindruck vermittelt, sie sei ebenfalls per Pinselstreich gestaltet. Die Animationen, die zwischen künstlerisch und kitschig liegen, und die fernöstliche Soundkulisse runden das Setting ab. Den Rahmen bildet eine Geschichte, die zahlreiche Elemente der japanischen Mythologie verwendet.
Spielerisch ähnelt „Okami“ am ehesten Nintendos "Zelda"-Serie, dessen Inspiration es nicht verbergen kann und das auch gar nicht will: Hideki Kamiya, der Direktor der PS2-Version von „Okami“, der auch hinter Spielen wie Resident-Evil und Devil May Cry stand, ist bekennender Anhänger der Zelda-Serie.
Wie im Vorbild sind es vor allem Verliese, in denen neue Fähigkeiten verborgen sind und die mit Rätseln und einem Boss-Gegner aufwarten. Allerdings ist die Aufteilung in Außenwelt und Dungeons weniger deutlich als in den Zelda-Spielen.
Die Rätsel sind zu Beginn beinahe zu einfach – alleine aufgrund der anfangs geringen Möglichkeiten – im Spielverlauf steigt die Komplexität der Aufgaben und erfordert oft die Verknüpfung mehrerer Fähigkeiten. Richtig harte Nüsse wie im ausschließlich auf Rätsel fokussierten Wii-Adventure Zack & Wiki erwarten den Spieler gar nicht, sondern das Spiel setzt auf die Genre-üblichen kleinen Erfolgserlebnisse.
Neben dem eigentlichen Handlungsfaden gibt es zahlreiche Geheimnisse, versteckte Gegenstände sowie zusätzliche Aufgaben und Minispiele, die das Spiel mit Geld und gutem Karma in Form von Glückskugeln belohnt. Mit den Glückskugeln erhöht der Spieler unter anderem die Lebensenergie oder die Größe der Geldbörse. Das Geld verwendet er zum Kauf diverser Gegenstände und Verbesserung der gefundenen Waffen. Neben dieser nützlichen Wirkung fördern die versteckten Boni die Sammelleidenschaft – wer noch den letzten vergrabenen vierblättrigen Klee oder eine vollständige Perlenkollektion sucht, kann die Spielzeit, die für geradliniges Durchspielen um die dreißig Stunden liegt, ohne Weiteres verdoppeln.
Neben Rätseln gehört zum Action-Adventure das Kampfgeschehen. Obwohl die Wölfin freilich kein Schwert und Schild in den nicht vorhandenen Händen führen kann, stehen ihr offensive und defensive Waffen zur Verfügung, mit der sie sich in Kämpfen wappnet. Die Kampfsteuerung ist ähnlich wie in „Zelda – Twilight Princess“: Der Spieler schwingt die Wii-Fernbedienung für einen Angriff und nutzt den Nunchuk vor allem für die Defensive. Zusätzlich darf der Spieler den Pinsel auch in den Kämpfen schwingen und so unter anderem fliegende Gegner mit einem Windstoß aus der Luft holen oder gegnerische Attribute gegeneinander ausspielen, indem das Feuer des einen Gegners das Eis des anderen schmilzt.
Im Kampf zeigt die Wii-Umsetzung einige Schwächen, da das Timing für bestimmte Techniken deutlich schwieriger ist als auf der PS2 und das Ausweichen mit dem Nunchuk zum Glücksspiel gerät. Aufgrund der geringen Schwierigkeitsstufe der Kämpfe sind diese Mängel ärgerlich, stören aber den eigentlichen Spielfluss kaum.
Frustrierend sind dagegen manche Abschnitte, in denen der Spieler einen einfachen, geraden Strich ziehen muss, da das Zeichnen einer wirklich gleichmäßigen Linie mit der freihändigen Wii-Steuerung deutlich schwieriger ist als mit dem PS2-Gamepad, das Spiel aber dieselben strengen Maßstäbe zu verwenden scheint. So kann das obligatorische Ausstreichen eines Namens aus einer Liste gesuchter Monster durchaus länger dauern kann als der Kampf gegen den Gesuchten.
Abgesehen von diesen Mängeln hat die Wii-Steuerung die Nase vorn, da die meisten Pinselkünste im direkten Malen leichter von der Hand gehen und, was für das Spielerlebnis wichtiger ist, sich natürlicher anfühlen als mit dem Gamepad.
Wii-Besitzer, die nicht bereits die PS2-Version ihr eigen nennen, finden in Okami ein herausragendes Action-Adventure. Trotz der offensichtlichen Gemeinsamkeiten mit der Zelda-Serie ist Capcoms Action-Adventure durch das eigene Setting, das an Animes wie „Prinzessin Mononoke“ oder „Chihiros Reise ins Zauberland“ aus dem Studio Ghibli von Hayao Miyazaki erinnert, und durch das Element der Pinseltechniken mehr als ein Zelda-Klon. Im direkten Vergleich hinkt es hinsichtlich Herausforderung und Spieltiefe hinter Links Abenteuern hinterher, ist dafür aber in mancher Hinsicht frischer, hat außergewöhnlichere Charaktere und nutzt die Möglichkeiten der Wii besser aus als Nintendos Zelda: Twilight Princess. Diejenigen, die Okami bereits auf der PS2 gespielt haben und auf neue Inhalte der Wii-Version hoffen, werden allerdings enttäuscht – abgesehen von der Steuerung und 480p-Breitbild-Darstellung, ist die Wii-Variante eine exakte Umsetzung des Originals.