Plain Packaging oder wie man Anti-Werbung macht
Die australische Regierung will zur Bekämpfung des Rauchens der Verpackung von Tabakprodukten durch Uniformität jede Attraktivität entziehen
In den USA sollen ab 2012 drastische Warnungen und Bilder auf Zigarettenschachteln und einem Teil der Zigarettenwerbung die Menschen davon abhalten, mit dem Rauchen zu beginnen, oder sie vom Rauchen abzuschrecken. Australien geht noch ein Stück weiter. Die Regierung strebt an, die Raucherquote unter 10 Prozent der Bevölkerung zu bringen. Und sie geht nicht nur von abschreckenden Packungen aus, sondern will nach dem Verbot der Werbung nun auch den Zigarettenschachteln, den noch verbliebenen Werbeträgern, jede auffällige Eigenheit austreiben.
Rauchen, so sagt das australische Gesundheitsministerium, töte jährlich 15.000 Australier und sei damit eine der größten Todesursachen. Weil "Zigarettenschachteln und andere Tabakprodukte das Rauchen besonders bei Jugendlichen verherrlichen, die Menschen über die relativen Gefahren verschiedener Marken in die Irre führen und von Gesundheitswarnungen ablenken" könne, will die australische Regierung nach dem Verbot der Werbung, die Verpackung möglichst unattraktiv machen. Da man die Herstellung und den Vertrieb von Tabakprodukten nicht wie andere Drogen verbieten will (und sich das wohl auch politisch im Gegensatz zu Burma nicht durchsetzen ließe), geht es bei der staatlichen Aufgabe, den Menschen von bekannten Risiken im Falle des Rauchens zu schützen, um eine Umkehrung der üblichen Werbung. Die soll die Produkte begehrenswert und auf sie aufmerksam machen, indem Versprechungen gegeben und die Verpackung edel, schrill oder wie auch immer attraktiv gestaltet werden. Nun also müssen die Designer ran, um eine Verpackung möglichst unattraktiv und langweilig zu machen, also ein "optimales Design" für Unauffälligkeit zu entwickeln. Die Schwierigkeit dürfte darin liegen, sie nicht zu hässlich oder irgendwie provokativ zu gestalten, damit nicht eine Ästhetik des Hässlichen diese wieder zu Kultobjekten macht. Da hätten Werbeagenturen einmal eine herausfordernde Aufgabe, die größtmögliche Öde zu präsentieren, die einfach übersehen wird.
Die Vorstellung der australischen Gesundheitspolitik geht wohl davon aus, dass Uniformität für Gleichheit sorgt, während ein bestimmter Stil, die Abhebung von ähnlichen Produkten, zur "Prominenz" einer "Marke" führen, zur Mode werden und irgendetwas Bedeutungsvolles signalisieren kann. Das will ein vom Parlament gerade angenommenes Gesetz, das allerdings noch das Oberhaus passieren muss, den Tabakkonzernen mit einem "plain packaging" austreiben, ähnliches ist auch in anderen angloamerikanischen Ländern wie Großbritannien, Neuseeland oder Kanada geplant. Kann gut sein, dass die puritanische Tradition beim Kampf gegen den Tabak und für einen gesunden Körper eine wichtige Rolle spielt. Dabei hat der Hang zur Selbstverantwortung bis hin zum Seelenheil immer auch die Kehrseite, nicht nur streng mit sich, sondern auch mit den Anderen zu sein.
Wie auch immer, der Tabakindustrie soll nun vorgeschrieben werden, dass die Zigaretten in eine olivgrüne Einheitspackung kommen, auf der der Name der Marke nur noch in kleiner standardisierten Schrift stehen darf, um ähnlich wie mit einer einheitlichen (Schul)Uniform alle äußerlichen Unterschiede zu verwischen und damit die Ausbildung einer Marke zumindest visuell zu verhindern. Auch Logos wären verboten. Zusätzlich müssten auf den Packungen noch die drastischen Warnungen mit den abschreckenden Bildern gedruckt werden, auf die aufmerksam gemacht werden soll. Natürlich laufen die Tabakkonzerne Amok, weil sie glauben, dass ihr Geschäft damit vermasselt wird, das Rauchen irgendwie als interessant, weltläufig, sexy oder was auch immer präsentieren zu können.
Die Schwäche des Regierungskonzepts ist jedoch, dass die uniformen Verpackungen aber wieder mit drastischen farbigen Bildern und Warnhinweisen versehen werden sollen, also mit Werbung, wenn auch Anti-Zigarettenwerbung. Gleichwohl könnte sich aus der Stilisierung des Anstößigen wieder ein Kult zelebrieren lassen, der nun auf das Abenteuer, das Morbide, den Tanz auf dem Vulkan setzt, auf einen Genuss, der zwar irgendwann tödlich enden wird, aber zumindest mehr verspricht als ein längeres, aber abstinentes und von Gesundheitsnormen erdrücktes Leben. Und natürlich könnte der Schwarzhandel mit Tabakprodukten aufblühen, die weiterhin in gefälligen Verpackungen ins Land geschmuggelt werden. Die wären dann nicht nur billiger, sondern würden auch den Nikotinliebhabern erlauben, sich nicht dauernd die Bilder von kaputten Lungen anschauen zu müssen.
Im Gesundheitsministerium wird der erste parlamentarische Erfolg gefeiert. Nicola Roxon, die Chefin des Gesundheitsministeriums, das auch für das Alter (oder die Vertreibung des Alterung?) zuständig ist, beglückwünscht das Parlament zu dem "mutigen Schritt", mit dem die letzte noch mögliche Werbung für Tabakprodukte in Australien beseitigt werden soll. Sie hebt auch hervor, dass Australien hier Vorreiter ist und weltweit zuerst die uniforme Anti-Werbung-Verpackung für Tabakprodukte am 1. Januar 2012 einführen wird.
In Island denkt man darüber nach, Zigaretten verschreibungspflichtig zu machen und nur noch in Apotheken zu verkaufen, was in Australien mit Interesse aufgenommen wird, weil dies noch weiter ginge. Verboten werden soll Rauchen auf allen öffentlichen Plätzen. Ärzte müssten entscheiden, nachdem sie Rauchern Entzugsprogramme nahegelegt haben, ob sie den unverbesserlichen Süchtigen ein Zigarettenrezept ausstellen. Die australischen Packungen sollen auch hier eingeführt werden.