Platzt angesichts des Ölpreissturzes nun die Fracking-Blase in den USA?
Der extrem gefallene Ölpreis sorgt dafür, dass teurere Methoden zur Ölförderung defizitär wurden und auch für das Nordsee-Öl wird es eng
Der in den letzten Tagen wieder gestiegene Ölpreis lässt die Branche zwar etwas aufatmen, doch die Preise sind für viele Produzenten noch immer viel zu niedrig, um profitabel produzieren zu können. Zudem hatten Meldungen für den Preisanstieg gesorgt, dass es nun vor allem Fracking-Unternehmen an den Kragen geht. Die Zahl der aktiven Bohrlöcher ist in den letzten acht Wochen auf den niedrigsten Stand seit 2012 gefallen, weshalb bald mit einer Verknappung der Ölmenge gerechnet wird. Bohrtürme werden vor allem auf den Schieferöl-Feldern abgebaut, Firmen gehen pleite, Arbeitsplätze werden gestrichen, Kredite werden faul und es wird erneut für Banken gefährlich, die den Fracking-Boom mit billigem Geld aus der Geldschwemme gefüttert haben.
Es ist klar, dass ein Ölpreis an vielen Produzenten nicht spurlos vorübergehen kann, der sich im letzten halben Jahr mehr als halbiert hat. Und es kann gravierende Folgen haben, wenn die Blase platzt, die mit der Geldschwemme der US-Notenbank (FED) in den Krisenjahren in den USA vor allem im Energiebereich aufgeblasen wurde. Nach dem Platzen der Immobilienblase hat die FED erneut die Politik gemacht, mit der sie schon auf die geplatzte Dotcom-Blase reagiert hatte: Geldschwemme. Diese hatte einen erheblichen Anteil an der Immobilienblase, die schließlich mit einer noch stärkeren Geldschwemme bekämpft wurde. Die FED versucht diese angesichts neuer Blasenbildungen zurückzufahren (Wenn sogar die US-Notenbank vor Blasen warnt…). Es ist aber genau diese Politik, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit mit Verzögerung nachgemacht wird: Europäische Zentralbank verschießt letzte Patrone. Die Leitzinsen wurden praktisch auf Null gesenkt und nun sollen die Notenpressen angeworfen werden, um Staatsanleihen zu kaufen.
Die Kredite wurden in den USA in der Krise wieder billig und das Geld der Geldschwemme floss massiv in den scheinbar zukunftsträchtigen Energiesektor. Der ist in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Wachstumsfaktor in den USA geworden. Durch die billigen Kredite befeuert wurden die USA derweil sogar zum weltweit größten Öl- und Gasproduzentwn und haben im vergangenen Jahr Saudi-Arabien den Spitzenplatz geraubt. Verantwortlich dafür war vor allem das "Fracking". Über das "Hydraulic Fracturing" wurde in den letzten beiden Jahren allein die Ölproduktion in den USA um etwa 50% gesteigert.
In dieser Branche sind auch viele kleine Firmen aktiv, die auf die relativ aufwendige und teure Technik setzen, mit denen vor allem Schieferöl gewonnen wird. Als der Ölpreis im Bereich von 100 US-Dollar lag, war das ein gutes Geschäft, obwohl es auf Pump finanziert wurde. Vor allem die kleineren Produzenten waren ganz besonders stark auf Kredite angewiesen. Und Anlagen wurden oft über Hochzinsanleihen (High-Yield-Anleihen) finanziert. Die bieten eine hohe Rendite, sind aber auch mit einem hohen Risiko behaftet. Wegen der schlechten Bonität der Emittenten werden sie wegen ihrer Ausfallgefährdung auch Junk-Bonds, Ramsch-Anleihen oder Schrottanleihen bezeichnet. Die sind angesichts niedriger Zinsen und des Renditehungers in viele Portfolios gewandert. Etwa 1,4 Billionen Dollar stecken in den USA in diesen Junk-Bonds und davon entfallen etwa 200 Milliarden auf den Energiesektor.
Kleineren Firmen geht derzeit angesichts der Entwicklung des Ölpreises nun die Puste aus und es droht der Ausfall von Krediten. Während einige Produzenten wie die WBH Energy LP in Austin (Texas) bereits in die Pleite abgeschmiert sind, wird nun mit einer regelrechten Pleitewelle gerechnet. Seit einiger Zeit produzieren einige Firmen nur noch deshalb, um wenigstens einen Teil ihrer Kredite bedienen zu können.
Es werden bereits Bohrtürme wieder abgebaut. Der Vorgang hat sich zuletzt sogar stark beschleunigt. Allein in einer Woche ist die Zahl der aktiven Öl-Bohrlöcher in den USA um 94 auf nur noch 1.223 zurückgegangen, zählte der Bohrausrüsters Baker Hughes. In vielen deutschsprachigen Medien wird dagegen die falsche Zahl 1.543 angegeben, wobei die Gasbohrungen mitverbucht wurden.
Ölindustrie in der Krise
Tatsächlich ist nach Angaben des Öldienstleisters aus Houston (Texas) in den vergangenen acht Wochen die Zahl auf den niedrigsten Stand seit 2012 gesunken. Zum Höhepunkt des US-Ölbooms im Oktober des vorigen Jahres sei das ein Minus von 24%. Die Zahl der aktiven Bohrtürme ist deshalb nun auf den niedrigsten Wert seit drei Jahren gefallen. Und der in einer Woche verzeichnete Rückgang um 7% war so stark wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1987. Im Jahresvergleich fiel die Zahl aktiver Bohrtürme um 199. Und für das erste Quartal erwarten die Texaner sogar einen weiteren Rückgang der US-Bohrtürme um 15%.
Die Großen im Ölgeschäft ziehen sich ebenfalls verstärkt zurück. Baker Hughes geht davon aus, dass das amerikanische Fracking-Geschäft deutlich schrumpfen wird und kündigt deshalb die Streichung von 7.000 Stellen im Konzern an. Die Firma hat schon die Fusion mit Halliburton angekündigt, um Kosten zu sparen. Der weltgrößte Bergbaukonzern BHP Billiton will in den nächsten Monaten 10 von 26 Fracking-Anlagen in den USA schließen. Das Fracking-Geschäft bleibe unter Beobachtung und weitere Stilllegungen seien möglich, teilte die Leitung der anglo-australischen Unternehmensgruppe mit.
Baker Hughes und BHP Billiton sind nicht die einzigen Großunternehmen, die der Ölpreissturz kalt erwischt hat. Der Marktführer im Bereich Ölservice Schlumberger streicht ebenfalls rund 9.000 Stellen, das sind 7% der gesamten Belegschaft. Der Multi BP musste gerade einen Quartalsverlust von knapp einer Milliarde Dollar vermelden. Und BP sieht die Ölindustrie sogar schon vor einer historischen Krise.
Das billige Öl hat auch die Alarmglocken in der Nordsee schrillen lassen. "Wir stehen kurz vor dem Kollaps", erklärte der Chef des britischen Branchenverbands Brindex, Robin Allan, als der Barrelpreis unter die Marke von 50 Dollar fiel. Wegen der Krise hat BP die Streichung von tausenden Stellen angekündigt und statt bis zu 26 Milliarden Euro sollen 2015 nur noch 20 Milliarden Dollar investiert werden, teilte das Unternehmen diese Woche mit. "Wir sind jetzt in eine neue und herausfordernde Phase niedriger Ölpreise eingetreten", sagte Konzernchef Bob Dudley und meint, man müsse sich auf die "neue Wirklichkeit niedrigerer Preise" einstellen.
In Norwegen schrieb der staatliche Energiekonzern Statoil 2014 erstmals seit dem Börsengang vor 13 Jahren rote Zahlen, also noch bevor der Ölpreis unter die Marke von 50 Dollar fiel. Statoil will nun seine Kosten bis 2016 um 1,3 Milliarden US-Dollar senken und kündigte schon vor BP massive Stellenstreichungen an. Nicht anders sieht es beim französischen Energieriese Total aus, der seine Investitionen sogar um 30% kürzen will, wo es ebenfalls zu massiven Stellenstreichungen kommen wird. Erst als Folge davon, dass immer weniger investiert und gebohrt wird, kann mittelfristig damit gerechnet werden, dass die Fördermenge sinken wird.
Interessant wird die Betrachtung in den USA, wenn man zum Abbau der Bohrtürme gleichzeitig die Produktionsmengen im Auge behält. Denn damit erhält man ein scheinbar ziemlich paradoxes Ergebnis. Denn die Ölproduktion ist trotz Abbau der Kapazitäten von Bohrtürmen bisher nicht eingebrochen und steigt und steigt immer weiter an. Sie lag in der letzten Januarwoche bei 9,21 Millionen Barrel pro Tag, obwohl die Zahl der aktiven Bohrlöcher derweil deutlich gesunken ist. Das hat auch damit zu tun, dass die Technik verbessert wurde. Andere Chemikalien und leistungsfähigere Kompressoren haben die Bohrkosten gesenkt, wodurch die Fördermengen deutlich erhöht und die Kosten pro Fass gesunken sind.
Die Geldschwemme der Notenbank hat zu einer Verdoppelung der Ölproduktion geführt
Klar ist aber, dass Ende Januar in den USA pro Tag fast eine Million Barrel mehr Öl produziert wurde als noch im Vorjahr. Das ist zudem der höchste Wert seit 1983. Doch das sind noch die Ergebnisse der Boomzeit. Denn erst nach einem Jahr sinkt gewöhnlich die Förderung um 60 bis 70%, nach zwei Jahren sogar um 90%. Erst in diesem Zeitrahmen wird sich erst eine signifikante Absenkung der Fördermenge angesichts zurückgehender Investitionen zeigen. Um die Ölförderung konstant zu halten, müssen beim Fracking immer neue Quellen erschlossen. Pro Fördergebiet und Jahr sind zum Teil mehrere hundert Bohrungen nötig. Die Kosten belaufen sich dafür auf jeweils drei bis zehn Millionen Dollar. Dafür fehlt angesichts des Ölpreises das Geld, da es niemand den Firmen mehr leihen will.
Es war also die Geldschwemme der Notenbank seit 2008, die in den USA seither praktisch zu einer Verdoppelung der Ölproduktion geführt hat. Und damit wird auch klar, warum es weltweit zu einem erheblichen Preisdruck kam. Denn wenn die geförderte Menge deutlich erhöht wird, aber in der Krise der Verbrauch in den letzten Jahren nicht steigt, dann müssen die Preise fallen. Auf etwa eineinhalb Millionen Barrel täglich beziffern die Experten derzeit die Überproduktion. Der größte Teil davon geht auf die Rechnung der USA, wo die Fördermenge allein im vergangenen Jahr um eine Million Barrel täglich ausgeweitet wurde. Und so muss man sich fragen, ob sich die Fracking-Firmen dort selbst ins Knie geschossen haben und nun für ihre eigene Pleite verantwortlich sind.
Doch wer kehrt schon gerne vor der eigenen Tür. So wird eifrig an Verschwörungsthesen gestrickt. Die weitverbreitete These spricht davon, dass Saudi-Arabien in einem "globalen Ölkrieg" den Ölpreisverfall bewusst herbeigeführt habe, um das Fracking zu verlangsamen oder größtenteils sogar unrentabel zu machen. So hatten zum Beispiel Analysten des Finanzdienstleisters Nomura Securities erklärt, dass nicht eine schwache Nachfrage den Preisverfall ausgelöst habe, sondern der vielmehr das Ergebnis eines temporären Preiskrieges sei, der von Saudi-Arabien gestartet worden sei. In dieses Horn blies auch der BP-Chef gerade. Dudley machte die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) verantwortlich, die angeblich den Ölpreisverfall gezielt anheize, um Konkurrenz aus den USA und Kanada zu verdrängen, die auf teurere Techniken wie Fracking und die Öl-Gewinnung aus Teersanden setzen.
Doch die hier aufgezeigten Daten zeichnen ein anderes Bild. Die Saudis und die Opec scheinen einfach nur darauf zu reagieren, dass vor allem die USA massiv in ihren Markt eingebrochen sind. Warum sollte die Opec - wie es allseits von ihr gefordert wird - nun den Ölpreisverfall durch Drosselung der Menge ihres billig zu fördernden Wüstenöls stoppen, während die USA gleichzeitig die Fördermenge massiv ausweiten? Warum sollten die Opec-Staaten zusehen, wie ihnen Marktanteile über höchst fragwürdige Techniken geraubt werden?
Die Ölscheichs setzen im Preiskampf nur die marktliberalen Rezepte ein, die gerade in den USA - wenn es um andere geht - so gerne beschworen werden. Die Opec-Staaten verkraften aber die zeitweisen Gewinneinbrüche gut und sorgen nun ganz nach den Marktgesetzen für eine Bereinigung des Markts. Über die niedrigen Preise, für die die USA verantwortlich sind, werden nun massenweise Konkurrenten aus dem Markt gedrängt. Die Förderung von Fracking-Öl wurde spätestens ab einem Ölpreis von 60 Dollar pro Barrel für viele Firmen unrentabel und bei Ölsand liegt die Schwelle sogar noch höher.
Die Öl-Scheichs haben deshalb längst deutlich gemacht, dass sie auch bereit sind, sogar noch tiefere Preise in Kauf zu nehmen. Der Ölminister Saudi-Arabiens sagte am Rande des Opec-Treffens Ende Dezember, die Förderung werde nicht gedrosselt, "egal, ob der Preis auf 20, 40, 50 oder 60 Dollar fällt". Ali al-Naimi wollte "der Welt sagen, dass es die hocheffizienten Förderländer sind, die die Marktanteile verdient haben". Sein Land werde auch bei niedrigen Preisen noch Gewinne machen: "Wenn der Preis fällt, dann fällt er." Sein Land mache auch bei niedrigsten Preisen noch Gewinn. Treffen werde es andere. Und damit meint er vor allem die USA. Denn die Förderprojekte dort sind allesamt in privater Hand und auf Pump finanziert. Gehen dort die Firmen pleite, sind sie aus dem Spiel - ganz anders als die meist staatlich kontrollierten Förderer in anderen Ländern.
"Parallelen zum Immobilienboom vor der Finanzkrise"
Einige Beobachter warnen schon davor, das Platzen der Blase werde für die USA böse enden. Denn in den letzten fünf Jahren sind rund 1,4 Billionen Dollar in den US-Energiesektor gepumpt worden, als die Energiepreise hoch waren. Nun geht es erneut für Investmentfonds, Rentenversicherungen und Banken darum, die Verluste wegzustecken. "Die von der Talfahrt am Ölmarkt ausgelöste Wertvernichtung summiert sich seit Juni auf insgesamt 393 Milliarden Dollar (347 Milliarden Euro)", schreibt das Handelsblatt.
Berichtet wird auch schon davon, dass erneut Banken durch die Kreditausfälle bedroht sind. Besonders in Texas seien viele Banken davon betroffen, die in diesen Krediten ungedeckte Risiken haben. Experten gehen davon aus, dass über das das Ende des Energiebooms das Wirtschaftswachstum in den USA deutlich gebremst werde. Das könne wiederum Auswirkungen auf den Immobiliensektor haben, der sich nach dem Platzen der Blase gerade erst wieder erholt.
"Die Welt" meint schon, dass in den USA aus "aus Fehlern nichts gelernt" worden sei und sieht klare "Parallelen zum Immobilienboom vor der Finanzkrise", als ebenfalls extrem niedrige Zinsen nach dem Platzen der Dotcom-Blase zu lange zu tief gehalten worden waren und den Immobilien- und Kreditboom anheizten. Das Übliche an Blasen ist, dass sie irgendwann platzen. Je nach Bedeutung für die Ökonomie kann dies verheerende Folge haben, wie sie nach der geplatzten Immobilienblase bis heute in Europa noch sehr deutlich zu spüren sind.