Wenn sogar die US-Notenbank vor Blasen warnt…

Dass die ultralockere Geldpolitik zunehmend gefährliche Blasen bildet, ist nun auch bei der FED angekommen, erneut sollen Kleinstfirmen plötzlich einen Milliardenwert haben

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Vergangene Woche hat sogar die Chefin der US-Notenbank Janet Yellen zaghaft vor der Blasenbildung gewarnt, sich dabei aber vor allem auf den Bereich der sozialen Medien und der Biotechnologie beschränkt. Dass ein Ein-Mann-Unternehmen wie Cynk ohne jeden Umsatz plötzlich sechs Milliarden (!) Dollar wert gewesen sein soll, nachdem die Kurse um 36.000 %(!) explodiert waren, dürfte bei der ungewöhnlichen Warnung vor aufgeblähten Aktien eine Rolle gespielt haben. Beispiele häufen sich und der einstige Börsenstar Gowex flog auf, nachdem über ein Jahrzehnt die Bilanzen gefälscht wurden. Doch Experten meine, Yellen weiche mit ihrer Warnung nur auf einen Nebenkriegsschauplatz aus und lenke von den wirklichen Gefahren ab.

Es war sehr erstaunlich, dass die FED-Chefin vergangene Woche konkrete Aktienwarnungen aussprach. Yellen erklärte bei einer Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats, dass die "Aktienbewertung einiger kleinerer Firmen sowie von Social-Media- und Biotechnologie-Unternehmen gedehnt erscheine". Dabei fiel auf, dass die FED-Chefin von den eigentlichen Aussagen im Konjunkturbericht "Beige Book" deutlich abgewichen ist.

Denn im Konjunkturbericht werden breiter "einige Sektoren" angesprochen und Biotechnologie und soziale Medien nur als Beispiele genannt. Deutlicher wird zudem von einer "wesentlichen" Überbewertung gesprochen. Ausgenommen werden im Beige Book dafür ausdrücklich große Firmen wie "Twitter, Facebook und Co", wie viele Medien in Deutschland getitelt, während besonders von "kleineren Firmen im Bereich der sozialen Medien und der Biotechnologie" gesprochen wird:

Valuation metrics in some sectors do appear substantially stretched-particularly those for smaller firms in the social media and biotechnology industries, despite a notable downturn in equity prices for such firms early in the year.

Es sieht also danach aus, dass die FED in einigen Bereichen eine deutliche Überbewertung sieht, während die Notenbankchefin die Blasenbildung nicht nur auf kleinere Firmen in den angesprochenen Sektoren beschränkt sehen will und eben auch die großen im Geschäft einbezieht, was eigentlich nicht verwundern darf. Die "Bedrohung" der Finanzmarktstabilität ist für Yellen allerdings weiter "moderat" und "nicht sehr hoch", relativierte sie mögliche Interpretationen. Die FED sieht die Risikobereitschaft bei Anlegern auf der Jagd nach Renditen aber kritisch.

Anders als der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi sieht die FED die gefährliche Entwicklung durch die Geldschwemme nicht nur, sondern deutet auch Gegenmaßnahmen an. Zwar gibt es auch zunehmend Stimmen in der EZB, die vor der eigenen Blasen-Politik warnen (EZB warnt vor Folgen der eigenen Blasen-Politik), doch das ficht den EZB-Chef nicht an. Er will keine Blasenbildung im Euroraum erkennen, auch wenn sich in einigen Ländern längst Immobilienblasen aufblähen. Noch dramatischer war seine Ankündigung vor dem frisch gewählten Europaparlament. Er erklärte, an der ultralockeren Geldpolitik werde sich auch dann nichts ändern, wenn die EZB "systemische Blasen" ausmachen würde (Steuerzahler haftet trotz Bankenunion).

Die FED hat dagegen schon zu handeln begonnen und fährt seit einem halben Jahr die Ankäufe von US-Staatsanleihen um monatlich 10 Milliarden Dollar zurück, obwohl die Wirtschaft im ersten Quartal eingebrochen ist. Die Notenpresse könnte nach der Sitzung im Oktober abgeschaltet werden, kündigte Yellen an. Sie ging sogar noch darüber hinaus und zeigte an, dass darüber hinaus die Zeit des billigen Geldes schneller vorbeisein könnte, als bislang erwartet wurde. Hatte die FED bisher erklärt, die Leitzinsen würden wahrscheinlich für einen "beträchtlichen Zeitraum" praktisch auf Null bleiben, machte sie nun deutlich, dass angesichts der Blasen-Gefahren, die Zinsen früher als geplant und zudem deutlicher erhöht werden könnten.

Sie verknüpfte Zinsschritte mit der Entwicklung am Arbeitsmarkt. Eigentlich hatte ihr Vorgänger Ben Bernanke Zinserhöhungen angekündigt, wenn die Arbeitslosenquote unter 6,5% fällt. Sie ist nun offiziell auf 6,1% gefallen, doch noch will die FED den Geldhahn nicht abdrehen. "Obwohl sich die Wirtschaft weiter verbessert, ist die Erholung noch nicht abgeschlossen", begründete Yellen, warum die Zinsen noch nicht angehoben werden.

Vermutlich wird im angloamerikanischen Raum aber die britische Notenbank die Zinswende noch in diesem Jahr einleiten. Der britische Notenbankchef Mark Carney zeigt sich zusehends besorgt über die Blasenbildung und die zunehmende Risikofreudigkeit der Anleger. Er bejahte die Frage, ob seine Mitte Juni ausgesprochene Warnung, dass eine rascheren Zinswende als erwartet anstehe, darauf abgezielt habe, Kursschwankungen an den Finanzmärkten zu erhöhen. "Man muss kein Genie sein, um herauszufinden, dass relativ niedrige Leitzinsen in einem Niedrigzinsumfeld die Risikobereitschaft fördern." Carney ist besorgt, dass auf den Finanzmärkten reale Probleme ignoriert würden.

Neben dem Immobiliensektor wie in den Niederlanden und Großbritannien kann eine Blasenbildung sehr deutlich erneut auch in anderen Bereichen ausgemacht werden. Yellen will mit ihrer Warnung im Bereich Social Media lieber in die Fußstapfen von Alan Greenspan treten. Denn der hatte an der Spitze der FED Ende 1996 von einer "irrationalen Übertreibung" gesprochen und damit die Überhitzung am damaligen Neuen Markt angesprochen. Die Dotcom-Blase platzte dann gut drei Jahre später.

Während Greenspan die Gefahren wenigstens sah und ansprach, war sein Nachfolger Ben Bernanke weitgehend blind dafür, dass seine ultralockere Geldpolitik, die nach dem Platzen dieser Blase zur Bekämpfung ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen zum Einsatz kam, neue und noch größere Blasen erzeugte. Yellens Vorgänger wollte nicht einmal die Immobilienblase sehen, als sie 2007 kurz vor dem Bersten war. Sollte sie platzen, schloss er zudem aus, dass dies bedeutsame Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben würde. Eine dramatische Fehleinschätzung.

Und man muss wahrlich auch kein Genie sein, um festzustellen, dass die weltweite Geldschwemme eine Dotcom-Blase 2.0 aufbläht. Das hat die extrem teure Übernahme von WhatsApp durch Facebook für sogar 19,5 Milliarden Dollar schon im Frühjahr deutlich gemacht. (WhatsApp-Deal macht Dotcom-Blase 2.0 deutlich). Wie diese Summe wieder eingespielt werden soll, ist völlig unklar. Und die Einkaufstour von Facebook war damit nicht beendet. Denn das Unternehmen von Marc Zuckerberg hatte beim Börsengang im Mai 2012 insgesamt 16 Milliarden Dollar eingesammelt und damit den bislang höchsten Erlös erzielt, den ein Internet-Unternehmen bei seinem Börsengang jemals einstreichen konnte. Schon einen Monat vor dem Börsengang wurde Instagram für eine Milliarde Dollar übernommen. Und im vergangenen März kaufte Facebook für etwa zwei Milliarden auch die Firma Oculus, die für ihre Brille Oculus Rift bekannt wurde.

Schlagzeilen machte im Bereich der Dotcom-Blase 2.0 in den letzten Monaten auch Uber. Gegen die zweifelhaften Geschäfte protestieren Taxifahrer weltweit. Mächtige Geldgeber wie die US-Bank Goldman Sachs und Google stehen hinter der Firma, die in der Geldschwemme ebenfalls viel Risikokapital anzieht. Uber soll mit fast 18 Milliarden Dollar schon mehr Wert sein als die große Automobilfirma Fiat. Von welch absurden Bewertungen nun sogar ausgegangen wird, machte Bill Maris offen. Der Managing Partner bei Google Venture, die als Risikokapitalsparte für den Suchmaschinenbetreiber in Uber investiert hat, meint, das Unternehmen könne langfristig sogar "200 Milliarden Dollar oder mehr" wert sein.

Dass Yellen besonders auf die Überbewertung im Bereich Social Media ansprach, hatte mit einer "Firma" zu tun, die gerade aufgeflogen ist. So musste die US-Börsenaufsicht SEC vergangene Woche eingreifen, kurz bevor Yellen vor den Bankenausschuss trat. Die SEC setzte den Handel mit Cynk-Aktien für zunächst zwei Wochen aus, um Anleger vor "potentiell manipulativen Transaktionen" zu schützen: "The Commission temporarily suspended trading in the securities of CYNK because of concerns regarding the accuracy and adequacy of information in the marketplace and potentially manipulative transactions in CYNK’s common stock."

Cynk: fehlende Geschäftsberichte, ohne Umsätze über Jahre und eine auffällige "Unternehmensstruktur"

Schaut man sich die Performance der Cynk-Aktien an, fragt man sich, warum die SEC nicht schon zuvor eingegriffen hat. Bis Mitte Juni gehörten die Aktien zu den Papieren, für die "Pennystock" fast schon übertrieben ist. Doch praktisch aus dem Nichts kommend explodierte der Wert der Aktie am 16. Juni von 6 Cent auf 2,25 Dollar. Dass ist schon ein gewaltiger Kursanstieg. Doch nun gab es kein Halten mehr. Am 23. kletterte sie auf 4,27 Dollar und am 10. Juli war eine Aktie sogar fast 22 Dollar wert. Das ist ein Kursprung um fast 37.000% in nicht einmal vier Wochen.

Damit war Cynk plötzlich angeblich sage und schreibe sechs Milliarden Euro wert. Und als der Handel schließlich von der SEC ausgesetzt wurde, war der Preis zwar auf unter 14 Euro gefallen, womit die Marktkapitalisierung von Cynk allerdings noch immer mehr als vier Milliarden Dollar betrug. Einige dürften richtig Kasse vom Aktienhoch bis zu dem Kurs gemacht haben, an dem der Handel gestoppt wurde. Auf der anderen Seite stehen allerdings riesige Verluste.

Doch man fragt sich, wer mit dem Klammerbeutel gepudert ist und Aktien eines solchen "Unternehmens" kauft. Es fällt schon auf den ersten Blick die schlecht gemachte Webseite Introbiz, welche als Geschäftsgrundlage dienen soll. Als vage Geschäftsidee wird genannt, dass man gegen Bezahlung Zugang zu Kontaktdaten von Prominenten erhält. Ausgegangen wird davon, dass auf dem "Social Marketplace" tatsächlich Menschen für das Knüpfen dieser Kontakte bereit seien, Geld zu bezahlen. Angelina Jolie, Jonny Depp, Nicole Kidman und Leonardo DiCaprio werden zum Schnäppchenpreis von 50 Dollar anageboten. Allein die Tatsache, dass es sich um irgendein Projekt im Bereich Social Media handelt, sorgt dafür, dass Milliarden fließen.

Dabei kann man bei dem Ein-Mann-Unternehmen, das keinerlei Umsatz hat, wohl kaum von einer Firma sprechen. Und der letzte Cynk-Geschäftsbericht ist nicht geeignet, Geld in eine Firma zu stecken, die nach fünf Jahren noch keinerlei Umsatz ausweisen konnte. Zudem stammte dieser Bericht aus dem November 2013, weitere längst fällige Berichte hatte Cynk nicht vorgelegt, was auch abschrecken sollte. Dazu kommt, dass die "Firma" nach SEC-Angaben ihren Sitz in Belize haben soll und im US-Bundesstaat Nevada registriert ist. Recherchen ergaben, dass offenbar nicht einmal die Zimmernummer in einem Bürokomplex existiert, die als offizieller Firmensitz genannt wird.

Ohnehin ist Belize nicht unbekannt. Das kleine Land gehört zu den bekannten Offshore-Zentren, die zur Geldwäsche und Verschleierung genutzt werden. Vor zwei Jahren hatten Journalisten des Guardian, der BBC und dem Washingtoner "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) die britische Offshore-Industrie untersucht und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass auch Belize dazu dient, sensible wirtschaftliche Transaktionen zu verheimlichen und verschleiern oder veruntreute oder unversteuerte Gelder auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen (Medienteam deckt Offshore-Geheimnisse auf).

Das Mini-Land bietet als frühere britische Kolonie (Britisch-Honduras) günstig für 320.000 Dollar Staatsbürgerschaften an, womit auch dunkle Geschäfte auf eine breitere Basis gestellt werden können. Staatsbürger von Belize haben nicht nur unbeschränkten Zugang zum britischen Commonwealth, sondern auch zur Europäischen Freihandelszone (EFTA) und zur EU. Ohne Visum kann damit nicht nur ganz Europa sondern auch Australien, Kanada, Hong Kong und Singapur bereist werden. "Ein Wohnsitz" soll nicht erforderlich sein und "Fragen würden nicht gestellt", stellte auch die Kriminalpolizei schon fest.

Angesichts fehlender Geschäftsberichte, fehlender Umsätze über Jahre und einer auffälligen "Unternehmensstruktur" bei einer Firma, die zudem in einem Offshore-Paradies sitzen soll, hätten längst die Alarmglocken bei Kontrollbehörden klingeln müssen. Doch es zeigt sich erneut, dass eine Kontrolle praktisch nicht existiert. Erst nach den Recherchen von Journalisten griff die SEC ein. Doch zwischenzeitlich waren die Aktienkurse vermutlich mit gezielten Gerüchten schon extrem nach oben getrieben worden, um sie mit extremen Gewinnen wieder zu verkaufen.

Gowex ist die erste Leiche der neuen Internet-Spekulationsblase geworden

Besser spät als nie, könnte man denken, sonst wäre das Spiel vermutlich noch länger gelaufen. "Pump & Dump" nennt sich das illegale Vorgehen, das üblicherweise geräuschloser abläuft und vor allem in der Zeit der Geldschwemme wie geschmiert läuft. Allerdings wird vermutet, dass auch dieses Modell in der Version 2.0 längst angepasst und verbessert wurde und nun spekulative Leerverkäufer in eine Falle gelockt worden seien.

Pump & Dump ist ein illegales Geschäft, auf das sich renditehungrige Anleger aber wie Fliegen auf Verdauungsreste stürzen. Scheinbar weniger risikobereite Anleger kaufen Aktien von Facebook, WhatsApp, Twitter und Co, deren Geschäfte auf einer realen Hoffnung gründen, dass damit irgendwie Geld zu verdienen sei müsse. Doch auch diese Hoffnung ist sehr vage. Es müsste zudem angesichts der enormen Preise, die bei Übernahmen gezahlt werden, sehr viel Geld eingenommen werden. Wegen der extrem teuren Übernahmen wird es aber immer fragwürdiger, ob das Geld jemals wieder eingespielt werden kann.

So ist klar, warum Yellen von einer Überbewertung in diesem Sektor spricht und Carney davor warnt, dass ganz reale Probleme ignoriert würden. So waren die Twitter-Aktien zum Beispiel so stark gestiegen, dass die Marktkapitalisierung zeitweise bei 40 Milliarden Dollar lag. Das steht in keinem Verhältnis zu einem Umsatz von 250 Millionen Dollar im ersten Quartal 2014. Und noch auffälliger ist: Es gab keinerlei Gewinn. Dafür haben sich die Verluste im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit 132 Millionen Dollar fast verfünffacht.

Beispiele gibt es viele. So ist auch die Bewertung des Portals Airbnb kaum zu rechtfertigen. Dieser Vermittler für Unterkünfte soll gut zehn Milliarden Dollar wert sein, hat es allerdings bisher nie geschafft, auch nur irgendeinen Gewinn auszuweisen. Doch trotz allem wird diese Plattform höher an den Börsen bewertet als die Hyatt Hotels. Die Hotelgruppe konnte 2013 einen Jahresgewinn von 320 Millionen Dollar ausweisen und steigerte den im ersten Quartal 2014 gegenüber dem Vorjahr sogar um gut 31%.

Solche Beispiele machen die Blasenbildung sehr deutlich. Und vorsichtig sollte man auch dann sein, wenn sogar Gewinne verkündet würden. Denn das kann sich schnell ändern. Die Geschäftsmodelle von Uber, Airbnb und Co sind oft so zweifelhaft, dass deren Tätigkeit in einigen Städten schon verboten wurde, es wurden Strafen ausgesprochen werden, weil Steuerhinterziehung begünstigt würde, oder es beginnen Ermittlungen.

Vorsicht ist auch angebracht, wenn angeblich sogar gute Gewinne gemacht werden. Denn gerade ist einer der einstigen Börsenstars tief gestürzt und hat ebenfalls gezeigt, dass von einer Kontrolle nicht gesprochen werden kann. Lange Jahre wurde das spanische Internetunternehmen Gowex gehätschelt und getätschelt. Der Gowex-Gründer und Geschäftsführer Jenaro García wurde auch vom spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy für seinen Unternehmergeist gelobt.

Der beißt sich angesichts der Tatsache auf die Zunge, dass García inzwischen eingeräumt hat, mehr als zehn Jahr die Bilanzen gefälscht zu haben, ohne dass das irgendeinem Kontrolleur aufgefallen ist. Die Firma bot in 91 Städten weltweit wie New York, Madrid, Dublin, Santiago de Chile gratis WLAN-Hotspots an. Auch hier stellte sich stets die Frage, wie sich das rechnen soll. Doch das verhinderte nicht, dass die Gowex-Aktien zwischen Juli 2012 und April 2014 um mehr als 2.000% in den Himmel kletterten. Tatsächlich hat sich das Geschäft aber nicht gerechnet.

Von den Analysten allseits gelobt, hatte nur Gotham City Research das Geschäft richtig analysiert. Herausgefunden wurde, dass die Umsätze um den Faktor zehn aufgeblasen worden waren. 90% davon waren schlicht erfunden. Dass effektive Kontrolle möglich ist, hat Gotham gezeigt. Die Analysten haben nicht nur den Betrug herausgefunden, sondern sogar aufgezeigt, dass sich die Firma unter keinen Umständen wieder erholen kann. Tatsächlich hat Gowex, die auch von der EU mit Subventionen bedacht wurde, inzwischen Konkurs angemeldet.

Wie viel Gewinn die US-Investmentfirma mit den gewonnenen Informationen gemacht hat, gibt Gotham nicht bekannt. Doch sie behauptet, der Gewinn, den Gowex durch den Betrug der Investoren, erzielt habe, stelle alles "in den Schatten". Bekannt ist, dass der Gowex-Chef vor der Pleite noch Aktien im Wert von mindestens 36 Millionen Euro abgestoßen hat. García konnte durch sein geschicktes Verhalten die Untersuchungshaft vermeiden. Da er alles zugibt, kann die Justiz keine Verdunkelungsgefahr ausmachen und hat ihn mit einer lächerlichen Kaution von 700.000 Euro freigelassen. Doch Gowex kann nun als eine der ersten Leichen der neuen Internet-Spekulationsblase besichtigt werden, die über kurz oder lang platzen wird.

Nebenkriegsschauplatz

Dass die FED-Chefin Yellen auf die Blasen-Bildung in genau diesem Bereich aufmerksam gemacht hat, zeigt nur an, dass sie nur das Offensichtlichste einräumt. Allerdings gehen Experten davon aus, dass sie damit sogar bewusst auf einen "Nebenkriegsschauplatz" ausweicht. Vermutet wird, dass sie wegen der Entwicklung "unter massivem Druck stand". Für Markus Allenspach, Leiter Obligationen-Research bei der Bank Julius Bär, entsteht der Eindruck, "als wolle Frau Yellen damit von den wahren Problemen ablenken".

Die liegen auch für ihn in Hochrisikoanleihen ("Junk Bonds") und bei risikoträchtigen Krediten an Unternehmen mit geringem Eigenkapital ("Leveraged Loans"). Denn auch Junk-Bonds finden derzeit wieder reißenden Absatz. Allenspach meint, es kämen erneut die gleichen Mechanismen zum Zuge, die in der Finanzkrise ab 2007 eine so verhängnisvolle Rolle gespielt hatten: Banken vergeben Hochrisikokredite umso leichter im Wissen darum, dass sie diese Kredite nicht in den eigenen Büchern behalten, sondern an spezialisierte Fonds weiterverkaufen können.

Seit Jahren wird dieser Markt wieder "gefährlich aggressiv". In der Geldschwemme werden in immer größeren Stil Junk-Bonds verbrieft und angesichts der niedrigen Zinsen an ein zinshungriges und risikofreundliches Anlagepublikum verkauft. Und es ist auch in diesem Bereich kaum anzunehmen, dass das lange gut gehen wird. So wundern sich auch andere Experten, dass die Notenbankchefin ausgerechnet zu einem viel gefährlicherem Spielfeld nichts gesagt hat.