Polarisierte kosmo-archaische Strahlung bestätigt Big Bang
Nature berichtet auf 25 Seiten über polarisierte kosmische Hintergrundstrahlung und US-Fachmagazin Science kürt Entdeckung zu "Top Ten Research Advances of 2002"
Die Hintergrundstrahlung wurde 1949 von George Gamow (1904-1968) vorhergesagt und 1965 von Arno Penzias und Robert Wilson entdeckt. Sie gilt als stärkstes Indiz für die Richtigkeit des Big-Bang-Modells. Nunmehr haben zwei Forscherteams am Südpol deutliche Hinweise dafür gefunden, dass die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung polarisiert ist - genau so wie es die gängige Urknalltheorie vorhersagt. Ihre neuesten Ergebnisse stellten die Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature" (420: 763-771 u. 772-787 / 2002) sehr detailliert vor.
Inmitten der Kälte und Öde der Antarktis, gut 3000 Meter über dem Meeresspiegel haben unlängst zwei Astronomenteams bei Temperaturen von bis zu minus dreißig Grad einen glasklaren Blick ins All geworfen und dabei bestätigen können, dass die der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung dergestalt polarisiert ist, wie es das Big-Bang-Standardmodell vorhersagt.
Große Entdeckung mit kleinem Radioteleskop
Jetzt sieht es ganz danach aus als sei die klassische Urknall-Theorie, wonach - so das Postulat ihrer Befürworter - ein winziger Anteil der kosmischen Hintergrundstrahlung infolge der Wechselwirkung der Photonen mit Protonen und Elektronen polarisiert sein muss, um ein Indiz reicher. Wie die Wissenschaftler John E. Carlstrom, Eric Leitch und John Kovac von der University of Chicago in der letzten Nature-Ausgabe (420: 763-771 u. 772-787 / 2002) ausführlich auf 25 Seiten berichten, konnten sie just diese Polarisation, die vor 14 Milliarden Jahren entstanden ist, als die Strahlung das letzte Mal mit Materie in Berührung kam, mithilfe des kleinen, aber feinfühligen Radioteleskops "Degree Angular Scale Interferometer" (DASI), welches sich auf der Amundsen-Scott South Pole Station der US National Science Foundation befindet, nachweisen.
"Alles in allem haben die Kollegen nicht nur die Polarisation nachgewiesen, die zudem exakt den theoretischen Vorhersagen genügt", verdeutlicht John Kovac vom DASI-Team. "Das Signal passt auch hinsichtlich anderer Parameter in das kosmologische Standardmodell."
Isotrope Hintergrundstrahlung
Unmittelbar nach dem Urknall konnten lediglich freie Elektronen und Protonen existieren, die erst mit der Ausdehnung des Kosmos und dem Absinken der Temperaturen kollidierten und zu Wasserstoffatomen wurden. Rund 400.000 Jahre nach dem Big Bang war dieser Prozess abgeschlossen. Als sich das heiße Gas bis auf einige tausend Kelvin abkühlte, konnten sich Atomkerne und Elektronen zu Atomen vereinigen. Dadurch wurden dem Gas freie Ladungsträger entzogen, die zuvor die Strahlung so stark gestreut hatten, dass das Gas undurchsichtig war. Nach der Formierung der Atome wurde das Gas durchsichtig, und die Strahlung konnte sich nahezu frei ausbreiten.
In der Forschung gilt die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung zusammen mit der Rotverschiebung als stärkstes Indiz für die Richtigkeit der Big-Bang-These. Die Hintergrundstrahlung erscheint über den gesamten Himmel nahezu isotrop. Sie weist eine geringfügige Dipolasymmetrie auf, die darauf zurückgeführt wird, dass sich die Milchstraße relativ zu dem Strahlungsfeld mit einer Geschwindigkeit von 600 Kilometer pro Sekunde bewegt. Wohl deshalb wird sie gemeinhin auch gerne als das Nachglühen des Big Bang bezeichnet, als das Echo des Urknalls, das - und hierin herrscht bei den Experten weit gehend Einigkeit - erst 400.000 Jahre nach dem Ur-Knall den "Äther" vollends ausfüllte.
Informationsreiche polarisierte Strahlung
Signifikant für das kosmo-archaische Echo ist seine extrem kurzwellige Strahlung im Radiowellenbereich (Mikrowellenbereich). Sie liegt etwa bei 2,7251 Grad über dem absoluten Nullpunkt, weshalb sie oft als 3K-Hintergrundstrahlung bezeichnet wird. Anfangs glaubte die Mehrheit der Astronomen noch, die 3K-Strahlung würde absolut gleichförmig aus allen Himmelsrichtungen emittieren. Doch seitdem der NASA-Satellit Cosmic Background Explorer winzige Temperaturunterschiede entdeckte (1992) und US-Astronomen im Rahmen der Boomerang-Ballon-Mission (1998) erstmals "Töne" des frühen Universums in der Hintergrundstrahlung hörten, verdichten sich die Anzeichen, dass es innerhalb der Hintergrundstrahlung "akustische Spitzen" gibt.
Ein normaler Lichtstrahl besteht aus unpolarisierten Lichtwellen, die orthogonal zur Fortpflanzungsrichtung schwingen. Die Wellen pflanzen sich in Ebenen fort, die jeden Winkel zwischen 0 Grad und 360 Grad einnehmen können. Alle Lichtwellen schwingen demnach in unterschiedlichen Ebenen. Die Forscher gehen jetzt von folgender Überlegung aus. Angenommen, die fossile Hintergrundstrahlung stammt wirklich aus einer Zeit, als das Universum gerade mal 400.000 Jahre auf dem kosmischen Buckel hatte und die ersten neutralen Atome in einem riesigen Ozean elektromagnetischer Strahlung und Elementarteilchen gerade generiert wurden, dann müsste doch durch Streuung an diesen Atomen die Strahlung damals polarisiert worden sein. Mit anderen Worten: die Atome müssten bevorzugt in einer Ebene schwingen - und dadurch unglaublich wertvolle Daten aus der Zeit rund 400.000 Jahre nach dem Urknall liefern, eben aus jener Ära, als sich Strahlung und Materie gerade voneinander zu trennen begannen, als der Kosmos für Photonen durchlässig wurde.
Science kürt Entdeckung zu "Top Ten Research Advances of 2002"
Über den Stellenwert und die Bedeutsamkeit der Entdeckung von J.E. Carlstrom, Eric Leitch und John Kovac herrscht in der Forschung weitgehend Einigkeit. "Der mit DASI durchgeführte Nachweis der Polarisierung in dem vom kosmologischen Standardmodell vorhergesagten Maße ist zugleich eine bemerkenswerte technische Leistung und eine wunderbare Bestätigung der Theorie," erklärt Matias Zaldarriaga von der New York University, der in einem kommentierenden Begleitartikel die Wichtigkeit dieser Entdeckung hervorhob. "In den nächsten Jahren, wenn die Polarisierung auf verschiedenen Winkelskalen experimentell beschrieben wird, hoffen Kosmologen mehr über eine Vielzahl von Ereignissen aus der Geschichte des Universums zu erfahren. DASI hat uns auf diesen Weg gebracht."
Apropos - das wohl ärgste Konkurrenzblatt von "Nature", das ebenfalls wöchentlich erscheinende US-Wissenschaftsmagazin Science, kürte die Entdeckung, die sich im Rahmen der DASI-Observationen herauskristallisierte und nunmehr im Nature veröffentlicht wurde, jüngst zu den Top Ten Research Advances of 2002.