Polen vs. Schweden: Klischee-Vorwürfe im Trumpstil
Das aktuelle Klischee über Schweden, sieht das Land als politisch-korrekten "Failed State" an, ein älteres Stereotyp über Polen bescheinigt diesen einen Hang zum organisierten Autodiebstahl
Diese Klischees prallten Ende letzter Woche aufeinander - bedient wurden sie erstmals im direkten Schlagabtausch von jeweils einem Spitzenpolitiker aus Polen und Schweden.
Begonnen hatte Polen. Beata Mazurek, die ehemalige Regierungssprecherin und seit Juni Europaabgeordnete der "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), twitterte am 5. August: "Anschläge, Anwachsen der Verbrechen, Vergewaltigungen, Angst und Scharia-Zonen. Dies sind die Konsequenzen von Multikulti und offenen Türen für Migranten. Schweden fliehen aus ihrem Land, um in Polen Ruhe und Normalität zu finden. Und vor nicht langer Zeit wollt die PO (die ehemalige Regierungspartei) sie (die Migranten) unbegrenzt aufnehmen - Entsetzen."
Die Politikerin bezog sich auf einen Artikel des rechten Internetmagazins "wpolityce" und der Zeitung "nasz dziennik", wonach 2500 Schweden nach Polen ausreisen würden (ohne genaue Zeitangaben).
Solche Berichte sind verbreitet in den Medien im Regierungslanger, auch der PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski bezog sich einmal in einer Rede auf die No-go-Zonen in Schweden.
Diesmal griffen die schwedischen Medien die getwitterte Schweden-Landeskunde von Mazurek auf und der Justiz- und Migrationsminister des Königreichs, Morgan Johansson, hielt dagegen: "Dies ist total aus der Luft gegriffen", sagte er. "Die Fluchtströme gehen in die andere Richtung. Allein in den Jahren 2017 bis 2018 wanderten 8000 Polen nach Schweden aus. Diese Anzahl ist dreimal größer als die Anzahl der Schweden, die in Polen wohnen."
Womit wir wirklich ein Problem haben, sind ausländische Diebesbanden, vornehmlich aus Polen. Ausländer sind bei der Hälfte aller Einbrüche in Schweden beteiligt, und zu neunzig Prozent bei Diebstählen von Autos, Bootmotoren und Landwirtschaftsfahrzeugen. Wenn die Abgeordnete etwas dagegen tun könnte, wäre ich dankbar.
Morgan Johansson
Dieses Statement wurde natürlich in den liberalen Nachrichtenportalen Polens dankbar aufgenommen und erregte den Zorn der regierungsnahen Medien.
Doch kurz zu den Fakten: Ganz klar wächst die Anzahl der Gewalttaten in Schweden. Daraufhin weisen die Statistiken, am steilsten geht die Kurve der Sexualverbrechen nach oben. Das berühmte Karolinska-Universitätskrankenhaus bei Stockholm verzeichnet einen Anstieg der Messerattacken von vierzig Prozent.
Schweden ist für die Rechten und Donald Trump ein abschreckendes Beispiel in Europa
Nach Angaben des oppositionellen polnischen Nachrichtenportals gazeta.pl würden die Informationen von Schweden, die nach Polen flüchteten, von einem Internettroll namens "Peter Sweden" kommen, der schon Hitler gelobt und den Holocaust geleugnet haben soll.
Interessant bei der Auslassung des schwedischen Ministers ist, dass er ohne konkrete Zahlen zu nennen, eine Nationalität mit einer Verbrechensstatistik verbindet. Dies ist in Schweden eigentlich nicht zulässig, wenn es auch von den rechten Schwedendemokraten gefordert wird. Von Inhalt und Art hat sich der schwedische Minister damit als "Schüler" des aktuellen US-Präsidenten erwiesen.
Dass Donald Trump mit seinen Auslassungen über Schwedens Migrantengewalt Anfang 2017 dem Land einen Image-Schaden zugefügt hatte, wurde und wird im Königreich immer wieder beklagt (Trump verursacht Image-Problem für Schweden). Zuletzt gab es bilaterale Verstimmungen um den im Juli in Stockholm wegen Körperverletzung inhaftierten Rapper "ASAP Rocky", der einen Afghanen mit einer Glasflasche verletzt haben soll. Trump machte mehrfach Druck auf die schwedische Regierung, diesen freizulassen (Schwedische Justiz zeigt sich gegenüber amerikanischem Druck unbeirrt).
Sowohl polnische als auch schwedische Rechte sehen das "polnische Modell" als erstrebenswert an - eine Nation, die angesichts gefährlicher Flüchtlingsströme sich verweigert, diese aufzunehmen, seine Grenzen sichert, wenn auch Polen weiterhin Schengen-Mitglied ist und stolz auf nationale Kultur und Tradition ist.
Schweden hingegen gilt ihnen mit seiner Offenheit für andere Ethnien, Kulturen und Religionen und den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten als abschreckendes Beispiel in Europa. Dass an diesem "abschreckenden Beispiel" auch die Alt-Right-Bewegung in den USA und russische Strippenzieher mitwirken, die Beziehungen zu schwedischen Nachrichtenportalen wie "Fria Tider" unterhalten, hat die New York Times kürzlich berichtet.
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