Polens Regierung will sich mit dem Kauf vom Patriot-Raketenabwehrsystem sichern

Abschuss einer Patriot-Rakete während einer Nato-Übung in Chania. Bild: DoD

Aber ob das Patriot-System wirklich schützt, ist die große Frage - und ist das russische S-400-Raketenabwehrsystem besser?

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Die rechte Regierung in Polen hat mit den USA den größten Waffeneinkauf in der Geschichte des Landes getätigt. Für 4,75 Milliarden US-Dollar kaufte das polnische Verteidigungsministerium von den amerikanischen Rüstungskonzernen Lockheed und Raytheon Patriot-Luftabwehrsysteme mit PAC-3-Raketen und den dazu gehördigen Radarsystemen. Am 28. März wurde der Vertrag in Warschau unterschrieben. Dabei waren neben dem Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak auch der polnische Präsident Andrzej Duda und Regierungschef Mateusz Morawiecki, was die Bedeutung zeigt, die man dem amerikanischen Raketenabwehrsystem beimisst. "Wir schließen uns der Elitegruppe von Staaten mit wirksamer Verteidigung durch den Besitz von Waffen an, die Sicherheit gewährleisten", sagte der Verteidigungsminister.

Auch der polnische Präsident gab sich begeistert. "Es ist ein historischer Augenblick", sagte Duda dem polnischen Volk: "Wir statten die polnische Armee mit dem modernsten Verteidigungssystem der Welt aus." In Panik geraten war die polnische Regierung, nachdem Russland im Februar in Kaliningrad Iskander-Raketen stationiert hatte (Russland stationiert dauerhaft Iskander-Raketen in Kaliningrad. Es handelt sich um Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite bis 500 km, die auf mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet werden können.

Das war allerdings nur die Antwort darauf, dass Polen dem Pentagon gestattete, das US-Raketenabwehrsystem in Polen mit Abwehrraketen zu stationieren. Die Aufkündigung des ABM-Abkommens durch George W. Bush zum Aufbau des Raketenabwehrschilds auch an der Grenze zu Russland war der entscheidende Grund für die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Russland und der Nato. Duda sprach dies nicht an und sagte: "Es ist viel Geld, aber wir wissen aus unserer historischen Erfahrung, dass die Sicherheit keinen Preis hat."

Zunächst werden zwei Batterien mit 16-Abschusssystemen und PAC-3-Raketen nach Polen geliefert. Dazu kommen später weitere 6 Systeme mit Radarsystemen und der billigeren Abfangrakete SkyCeptor. Dazu kommt das umstrittene Integrated Air and Missile Defense Battle Command System, (IBCS) von Northrop Grunman, das wegen Fehlern noch nicht einmal an das US-Militär ausgeliefert wurde. "Sicher" wird Polen allerdings erst 2024, wenn das erste Patriotsystem einsatzbereit sein wird. Das ist noch lange hin. Auch das Aegis-Raketenabwehrsystem im Polen, das eigentlich dieses Jahr einsatzbereit sein sollte, wird das erst 2020 sein.

Gerechtfertigt wird der teuerste Waffenkauf der polnischen Geschichte auch dadurch, dass damit "moderne Waffen" nach Polen kommen, die teilweise auch in Polen produziert werden dürfen, was man Polonisierung nennt ("polonization of the elements of this system"). In Polen werden Abschusssysteme, Transportfahrzeuge und Kommunikationssysteme für Patriot hergestellt. Das binden Polen zwar noch enger an die USA, soll aber den Anschluss an Hightech-Waffen garantieren.

Die Frage ist allerdings, wie gut das Patriot-Abwehrsystem überhaupt ist. Unmittelbarer Konkurrent ist das russische S-400-Raketenabwehrsystem, das etwa der Nato-Mitgliedsstaat Türkei oder China erwirbt und das neben Indien auch Saudi-Arabien erwerben will, das ansonsten militärtechnisch eng mit den USA verbunden ist und bereits Patriot-Systeme besitzt (Russisches Raketenabwehrsystem S-400: "Unser System ist besser"). Dass ausgerechnet Saudi-Arabien trotz aller Trump-Avancen russische S-400-Systeme erwerben will, obgleich Russland wiederum mit dem Erzfeind Iran verbunden ist, sollte zu denken geben.

Das türkische AKP-Medium Daily Sabah widmet sich auch Berichten, nach denen das Patriot-System in Saudi-Arabien gegen Raketen, die die Houthis (Huthi) aus Jemen auf saudische Ziele abschossen, versagt haben soll. Saudi-Arabien berichtete Ende März, alle sieben, am 25. März abgefeuerten Houthi-Raketen von dem System abgeschossen worden seien. Das wird aber bezweifelt.

Das Image des Patriot-Systems, das auch die Bundeswehr gekauft hat, rührt vom ersten Irak-Krieg 1991, als angeblich fast alle vom Irak abgefeuerten Scud-Raketen abgeschossen worden sein sollen. Das wurde aber vom Pentagon selbst heruntergestuft. Danach wurden maximal 10 Prozent der abgefeuerten Raketen abgeschossen, nach dem israelischen Militär sogar weniger als 2 Prozent, weswegen verständlich wird, dass Israel ein eigenes Raketenabwehrsystem entwickelt hat.

Im Fall der neuen Raketenangriffe aus dem Jemen scheint ein Video zu zeigen, dass eine saudische Patriot-Rakete im Flug den Kurs wechselte und in einem Stadtviertel von Riad abstürzte und explodierte. Eine andere Rakete ist offenbar kurz nach dem Abfeuern in der Luft explodiert (mehr Videos). Schon im Dezember 2017 war diskutiert worden, ob das saudische Patriot-System eine auf Riad fliegende Huthi-Scud-Rakete abgeschossen hat. Vermutlich nicht (US-Raketenabwehrsystem konnte vermutlich Huthi-Rakete nicht abschießen).

Nach Jeffrey Lewis vom Middlebury Institute of International Studies in Monterey, Kalifornien, ist nicht sicher, ob die saudischen Patriot-Systeme am 25. März überhaupt eine Huthi-Rakete abgeschossen haben. Lewis fragt, ob die Patriot-Systeme überhaupt eine Leistung erbringen. Auch ein Vice-Bericht bestätigt das Scheitern. Der bekannte Kritiker des US-Raketenabwehrsystems Theodore Postol spricht von einer "ununterbrochenen Katastrophenfolge dieses Waffensystems".

Wurden die Polen also über den Tisch gezogen oder glauben sie einfach, dass die Guten nicht schwindeln und die besseren Waffen haben? In der Geopolitik geht es um Geschäfte, nicht wirklich um Sicherheit. Die Polen wollen sich vermutlich mit dem Patriot-Deal den Beistand der USA kaufen, die wiederum andere Staaten von sich abhängig machen wollen. Für Polen könnte es im Ernstfall ein böses Erwachen geben, noch aber ist auch nicht klar, wie gut das S-400-System wirklich funktionieren wird.

Wir leben in einer militärtechnischen Blase, die viele Milliarden kostet und Konflikte programmiert. Es wird Zeit, aus dem Wettrüsten auszuscheren und Verhandlungen über den Rüstungsabbau zu beginnen, angefangen bei den Atomwaffen.