Polit-Herbst 2022: Berlin geht hausieren und flüchtet in Comic-Sprechblasen

Seite 2: Ruhe, die erste Bürgerpflicht

Wie professionell wird analysiert, geplant und umgesetzt? Wo ist eine Strategie? Wie wird die Lage, werden Zumutungen dem Bürger erklärt statt immer neue "Pakete" verkauft?

Eine triste Lage, orchestriert durch eine triste Aufführung auf der politischen Bühne vor den Augen von Zuschauern, die sich ungläubig die Augen reiben: Das ist das, was wir erleben. Der Sommer ist zu Ende, den Leuten flattern gerade immense Rechnungen auf den Tisch. Regierung und Opposition wollen es nicht gewesen sein, sie üben sich (in diesem Punkt geeint) darum, Beruhigungspillen zu verteilen.+

Hier ein Ticket, da ein Rabatt, jetzt ein "Abwehrschirm", der mit einem gigantischen Tapet aus Geldscheinen aufgespannt wird – Geld, das es eigentlich gar nicht gibt.

Der deutsche Michel bekommt ein Taschengeld. Nur, das Geld ist gestundet.

Ruhe als erste Bürgerpflicht? Die Krise als solche wird kaum ernsthaft thematisiert in ihrer grotesken Entstehung und ihren formidablen Auswirkungen. Es wird geflickt und gestopft. Es gibt auch kein wirkliches Umdenken.

Ein neues Sondervermögen? Ein Haufen neuer Schulden, an dem noch unsere Kinder und Enkel knabbern können. Es darf keine Panik ausbrechen. Hier zeigt Politik ihre Grenzen. Es herrscht Aktionismus.

Die Doppel-Wumms-Kapitulation

Was haben wir hier? Einen Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds. Unsummen an neuerlicher Kreditaufnahme. Scholz gibt sich als Retter in der Not, er nennt den Schirm mit einem weiteren Euphemismus einen "Doppel-Wumms". Das erinnert peinlich an die Sprechblasen aus dem Mickey-Mouse-Universum.

Scholz spricht wie zu Kindern. Der Bundeskanzler greift zu Infantilismen.

"Dramatisch" würde man die Energiepreise zum Sinken, bringen, so erläutert er sichtlich selbstzufrieden und lobt "das neue Paket"; niemand müsse sich nach diesen Beschlüssen Sorgen machen, wenn man an Herbst und Winter denke oder "wenn er an Weihnachten denkt" – das ist eher Polit-Psychologie als Verständigung mit mündigen Bürgern.

"Die Preise müssen runter", sagt Scholz auch. Eine allzu simple Botschaft. Den Kollegen Lindner und Habeck in der Donnerstags-Pressekonferenz ist der Bundeskanzler per Video zugeschaltet.

Denn es ist so: Die Preise sind nachhaltig exorbitant hoch, und das hat Gründe. Private Haushalte gehen in die Knie, Bäcker und Handwerksbetriebe werfen das Handtuch. "Die Preise müssen runter" ist Populismus. Die Politiker müssen runter von ihrem hohen Ross.

Diese vorgezogene Weihnachtsansprache spricht Bände, auf ihre Art. Es ist die beredte Kapitulation vor der Wirklichkeit. Im Rückblick auch vor Putin.

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