Polizeigewalt: Französischer Innenminister verbietet "Würgegriff"

Seite 2: Nulltoleranz gegenüber rassistischen Einstellungen

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Castaner verkündete, dass es eine Nulltoleranz gegenüber rassistischen Einstellungen bei der Polizei geben werde, er versprach, dass die Kontrollinstanz "die Polizei der Polizei" künftig schneller eingreifen werde - diese Versprechen bewegen sich aber alle in einem Auslegungsraum.

Wann wird eine Person als äußerst aggressiv eingestuft? Wo beginnt der Rassismus? Welche Polizeitechniken sind riskant? Ab wann ist der Vorfall als "ernsthaft" einzustufen, damit die Polizei der Polizei eingeschaltet wird?

Der Ton der Regierung zu Vorwürfen der Polizeigewalt habe sich geändert, so das Zwischenfazit der Le Monde zur Lage. Unübersehbar ist, dass er sich erst als Reaktion auf öffentliche Proteste geändert hat. Neu ist, dass die Proteste die Wahrnehmung der Öffentlichkeit verändern.

Dass Castaner vor nicht allzu langer Zeit noch das Filmen der Polizeieinsätze durch Privatpersonen einschränken wollte, ist auch ein Indiz dafür, dass die Regierung auf wenig Vertrauen bauen kann, wenn es um Polizeigewalt geht.

Die Bilder von prügelnden und schießenden Polizisten kamen zuerst in großen Mengen von Protesten der Gelbwesten; später stellte sich heraus, dass das brutale Vorgehen nicht auf Einsätze gegen die Gelbwestenproteste beschränkt blieb, sondern auch bei Demonstrationen von Gewerkschaften, Klimaprotesten, der Feuerwehr oder Frauen angewendet wurde.

Dazu kam Bildmaterial von Polizisten, die auf Nebenschauplätzen auf einzelne Personen eindroschen. Dazu gehört eine lange Geschichte von Polizeigewalt, die seit den 1970er Jahren einen gewissen Ruf begründete. Zu dem Ruf passt, dass die beteiligten Polizisten häufig ungestraft davonkamen.

Auch bei den jüngeren Fällen von Polizeigewalt wurde dieser Eindruck bestätigt. Während von vielen in der Härte kaum nachvollziehbaren Urteilen gegenüber Teilnehmern von Demonstrationen berichtet wurde, gab es kaum, falls überhaupt, Berichte über drastische Urteile gegen gewalttätige Polizisten.

Innenminister Castaner antwortete zwar routiniert und beflissen auf Nachfragen mit dem Hinweis, dass die Vorfälle untersucht würden. Aber in der Öffentlichkeit setzte sich der Eindruck einer Unverhältnismäßigkeit durch, die Gewaltanwendung und Bestrafung betraf.

Selbst die großen französischen Medien, zum Großteil in der Hand von Milliardären und dadurch eher auf einen Konsens ausgerichtet, der die Regierung in grundlegenden Ordnungsfragen nicht zu sehr behelligt, schwenkten langsam um, als sich die Bilder von Polizeigewalt nicht mehr nach gewohnten Mustern wegschieben ließen.