Polnischer Präsident will Volksentscheid über Verfassungsänderungen
Die Bürger sollen entscheiden, ob die EU- und die Nato-Mitgliedschaft in der Verfassung verankert werden sollen, auch das "tausendjährige christliche Erbe Polens" soll in die Präambel
Der polnische Präsident Andrzej Duda will ernst machen mit weitreichenden Volksentscheiden über Veränderungen der Verfassung. Und über die sollen die polnischen Bürger im November diesen Jahres, am liebsten am polnischen Unabhängigkeitstag, noch vor den EU-Wahlen im Mai 2019 abstimmen. Den Vorstoß werden vermutlich viele Rechtspopulisten und Rechtsnationale aufgreifen wollen. Seit Mai des letzten Jahres, als Duda das Vorhaben erstmals angekündigt hatte, sei auf Treffen und Konferenzen über Vorschläge zur Verfassungsänderung diskutiert worden. Zusammengekommen sind 15, über 10 soll entschieden werden.
Für Duda ist die bestehende Verfassung die der Übergangszeit nach dem Beginn der Dritten Republik im Jahr 1989. Es sei notwendig, nun eine größere Debatte über die Verfassung zu führen, an der sich auch das Volk, nicht nur die Eliten und Politiker beteiligen müssten. Polen werde ein zunehmend stärkerer Staat und spiele eine größere Rolle auf der internationalen Bühne.
Das entspricht der Linie des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, der den Streit mit der EU und die wachsende Distanz zwischen den USA und der EU ausnutzen will, um Polen als Vermittler auftreten zu lassen. Das würde die Distanz zur EU stärken und Polen könnte damit einer Spaltung Vorschub leisten, wie schon einmal während der Präsidentschaft von George W. Bush in Form des Neuen Europas, das sich an die USA anlehnte, und des Alten Europas, das sich wie vor allem Frankreich und Deutschland nicht in den Irak-Krieg hineinziehen lassen wollte.
Es geht noch nicht um den Ausstieg aus der EU, aber wenn Duda fragen lassen will, ob die EU-Mitgliedschaft Polens in der Verfassung verankert sein soll, könnte dies ein Fanal sein - entweder um einen Austritt in die Wege zu leiten, was auch eine Möglichkeit wäre, die Forderungen hochzuschrauben, oder um die Mitgliedschaft zu bekräftigen, die von der Mehrzahl der Polen begrüßt wird. Eine entscheidendere Frage ist, ob nach der Verfassung das polnische Recht vor dem europäischen Recht Vorrang haben soll, was letztlich ein Ausstieg aus der Rechtsgemeinschaft der EU wäre.
Fragen lassen will Duda die Bürger auch, ob die Mitgliedschaft in der Nato in die Verfassung aufgenommen werden soll. Abstimmen sollen die Bürger auch darüber, ob der Präsident mehr Einfluss auf die Außen- und Verteidigungspolitik haben soll. Garniert werden die Fragen mit eher populistischen Themen. So sollen die Polen sagen, ob in der Verfassung ein Rentenalter von 60 Jahren für Frauen und von 65 Jahren für Männer festgelegt wird.
Und ganz wichtig soll es sein, ob die Polen in der Präambel der Verfassung sehen wollen, "dass das tausendjährige christliche Erbe Polens und Europas eine wichtige Quelle unserer Tradition, Kultur und der nationalen Identität ist". Zudem sollen sie entscheiden, ob die Familie gestärkt und zudem Vater- und Mutterschaft besser geschützt werden sollen. Die Frage, ob es einen Volksentscheid geben soll, wenn dies mindestens von einer Million Unterschriften gefordert wird, ist eher eingängig. In Polen gab es bei den letzten Wahlen 2015 fast 31 Millionen Wahlberechtigte.
Die Vorschläge des Präsidenten werden bislang auch in den Reihen der PiS bestenfalls zurückhaltend aufgenommen. Die Opposition ist dagegen. Gut möglich, dass Dudas Initiative steckenbleibt.