Pool der Terroristen?
Ein US-Bericht versucht, ein international agierendes Netz von westlichen Terrorgruppen darzulegen. Ihr Spielfeld: Kolumbien
Laut einem am Dienstag vorgelegten Bericht des US-Kongresssausschusses für Internationale Beziehungen sollen in Kolumbien die heimischen FARC-Rebellen gemeinsam mit Kubaner, Iranern, der baskischen ETA und der IRA ihr Unwesen treiben. Eine Anhörung vor dem Ausschuss lehnte Sinn Fein-Präsident Gerry Adams am Mittwoch ab. Dieses Treffen diene seiner Ansicht "gewissen Elementen in Grossbritannien und Irland" nur dazu, den Friedensprozess in Nordirland zu zerstören.
Auslöser der Untersuchung war die Verhaftung von drei Iren im August 2001 in Kolumbien, die im Auftrag der IRA die kolumbianischen Rebellen im Bombenbau ausgebildet haben sollen. Unter der Leitung des republikanischen Ausschussvorsitzenden Henry Hyde soll damit offenbar eine Al Quaeda der westlichen Hemisphäre heraufbeschworen werden, um gegen diese Gruppen vorzugehen. Dass dabei ein Friedensprozess auf dem Spiel steht, scheint nur zweitrangig zu sein.
Bereits am 11. August 2001 wurden auf dem internationalen Flughafen der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá drei Iren mit gefälschten Pässen festgenommen, zwei gehören laut Behördenangaben der Irisch-Republikanischen Armee IRA an. Der Vorwurf: Ausbildung kolumbianischer FARC-Rebellen im Bombenbau und in Terrorstrategien. Zwar weisen die Festgenommenen seitdem alle Vorwürfe vehement ab, dennoch erkannte der US-Bericht James Monaghan und Martin McCauley als "die führenden IRA-Experten im Bombenbau". Bei dem Dritten, Niall Connolly, handelte es sich um einen auf Kuba ansässigen Hilfsarbeiter, der laut der IRA-nahen Sinn Fein ihr Repräsentant in Lateinamerika war.
Seit 1998 sollen FARC und IRA laut dem Bericht enge Beziehungen geknüpft haben. Weitaus mehr Iren als die drei Festgenommenen hielten sich demnach für "terroristische Aktivitäten" in Kolumbien auf. Bei diesen Aufenthalten soll es sich im Wesentlichen um Taktiken im urbanen Terror und um den Bau von verschiedenen Bombentypen gehandelt haben. "Kolumbien ist ein potentieller Nährboden für den internationalen Terrorismus, was vielleicht nur mit Afghanistan vergleichbar wäre ". Zu diesem Schluss kommt der reichlich oberflächliche US-Bericht nach neunmonatiger Recherche, der nicht nur den seit 40 Jahren laufenden kolumbianischen Konflikt internationalisiert, sondern auch den Friedensprozess in Nordirland in Gefahr bringt.
Sinn Fein-Vorsitzender Gerry Adams, der zunächst zu einer Anhörung am Mittwoch in Washington geladen war, lehnte kurz zuvor die Einladung ab.
"Wenn sie die Liste der Teilnehmer sehen, die bei der Anhörung anwesend sein werden, sollten sie es verstehen," so Adams. Darauf befanden sich keine Geringeren als der kolumbianische Armeechef General Fernando Tapias und Polizeichef Ernesto Gilibert, die in den letzten Monaten mehrfach die bisher zweifelhaften Beschuldigungen in den Vordergrund rückten. Deren ausschliessliches Ziel sei es, so Adams, auf Grund der Beschuldigungen mehr Militärhilfe für ihre internen Probleme zu bekommen. Sich selbst sah er darin nur als Bauernopfer, was den Prozess gegen die drei Iren negativ beeinflussen könnte.
Die IRA ihrerseits lehnte die Beschuldigungen in einem Statement ab. "Wir wollen deutlich herausstellen, dass unser militärischer Zirkel niemals jemanden nach Kolumbien geschickt hat, um irgendeine militärische Ausbildung durchzuführen." Um anzuschliessen: "In den letzten Tagen thematisierten die Gegner des nordirischen Friedensprozesses die Festnahme in Kolumbien. Wir sehen uns gezwungen, unsere Position neuerlich deutlich zu machen."
Kritik an Adams kam umgehend aus der Heimat. Dort steht er derzeit auch wegen einer abgeblichen Tötungsliste der IRA unter Erklärungsdruck David Burnside, oppositioneller Hardliner der protestantischen South Antrim Ulster Unionist MP, nannte Gerry Adams einen Feigling, der nicht die Courage besitze, sich für die IRA zu verantworten. "Sinn Fein sagt nicht die Wahrheit", so Burnside. James Leslie, Minister unter dem nordirischen Regierungschef David Trimble, nannte AdamŽs Absage eine " Ohrfeige für die grösste Demokratie der Welt ".
Anders sehen dies mehrere demokratische und republikanische US-Kongressabgeordnete, die den Bericht als Blankoscheck für eine verstärkte US-Hilfe im kolumbianischen Antiterrorkampf verurteilten. Derzeit versucht die Bush-Administration, die gesetzlich beschränkte personelle und finanzielle Militärhilfe für das Land auszuweiten. Für sie ist der Bericht eine "Mutmassung, sowie auf Hinweise und Meinungen basierend", so der überwiegende O-Ton. "Was wir nur wissen, ist die Festnahme dreier mutmasslicher IRA-Aktivisten, welche die FARC-Rebellen ausgebildet haben sollen. Aber der Prozess gegen sie ist noch im vollen Gang. Ohne bisherige Schuldnachweise", so der republikanische Abgeordnete Peter King.
Neben ihm vermuten die Demokraten Bill Delahunt und Donald Payne hinter diesem Bericht einen "dunklen Plan von interessierten Personen", den nordirischen Friedensprozess zu torpedieren oder weitere Gelder für den Antiterrorkampf in Kolumbien zu sichern. Denn zeitgleich fand im US-Kongress ein "Make Up" zur Erweiterung oder Aufstockung von US-Operationen im Ausland statt. Kolumbien war ebenfalls auf der Liste. Zwar wolle das US-State Department sich nicht durch den Fall IRA-FARC in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen, so deren Antiterrorismus-Beauftragten Mark Wong. Aber die Restriktionen - daran ließ das Außenministerium keinen Zweifel - , die bisher eine Anwendung von US-Militärpersonal und Equipment in Kolumbien ausschließlich auf den Antidrogenkampf beschränkten, sollen für den Antiterrorkampf gelockert werden.