Pop-Tragödien

Die dunkle Seite des Plattenerfolgs

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Früher träumten Kinder davon, Lokomotivführer oder Feuerwehrmann zu werden. Heute ist es Astronaut oder Popstar. Doch manche dieser Träume wurden erst wahr und dann zum Alptraum.

Johnny was a schoolboy, when he heard his first Beatle song,

'Love me do,' I think it was. From there it didn't take him long.

Got himself a guitar, used to play every night.

Now he's in a rock 'n' roll outfit and everything's all right.

Die Geschichten der Drogentoten unter den Popmusikern sind Legende. Ob Janis Joplin, Keith Moon, Brian Jones, Kurt Cobain, Nico, Sid Vicious oder Jim Morrison. Und nicht zu vergessen Johann Hölzel, besser bekannt als Falco (1956-1998). Ingeborg Schober hatte ihn als Thomas Gottschalk beim bayrischen Rundfunk nachfolgende Moderatorin von "Pop nach 8" bereits als teilweise völlig weggetretenen Star kennengelernt, der betrunken auf dem Balkongeländer seines Hotelzimmers balancierte.

1986 war Falco mit Rock Me Amadeus auf der Nr.1 der US-Charts und feierte die Geburt seiner Tochter. Sein Leben stabilisierte sich. 1993 erfuhr er dann: Sie ist nicht von ihm. Sein Traum vom Familienleben zerplatzte und er flüchtete vollends in die Drogen, was mit einem tödlichen Unfall endete, als er -- ohnehin kein sicherer Fahrer -- einem Autobus die Vorfahrt nahm. Doch eigentlich starb der, der sich nach außen so ultracool gab und von allen erwartete, dass sie sich nach ihm richten, an gebrochenem Herzen.

Milli Vanilli sind heute dafür bekannt, dass sie auf ihre Platten nie gesungen hatten. Doch das war in der Branche kein Geheimnis, nicht ihre Entscheidung und auch nicht mangelndes Können: Frank Farian hatte sie ganz bewusst nur als Tänzer für Bühnen- und Videoauftritte engagiert, mit Boney M war es ja nicht anders gewesen. Als Robert Pilatus und Fabrice Morvan schließlich darauf bestanden, selbst zu singen, ließ er sie hochgehen. Robert Pilatus erholte sich von der Demütigung und dem Ende des Poplebens nie mehr und starb am 3.April 1998 an Drogen.

Don't you know, that you are a shooting star

And all the world will love you just as long,

As long as you are a shooting star

Bad Company -- Shooting Star

Sir Bob Geldof hatte seine Musikkarriere mit den Boomtown Rats begonnen und Songs wie Rat Trap und natürlich I don't like Mondays. Er und die Fernsehmoderatorin Paula Yates waren in den 80ern ein Traumpaar. Doch ab 1984 widmete er sich nach dem Erfolg von Do they know it's christmas über 10 Jahre Band Aid und der Welthungerhilfe. Dafür bekam er etliche Auszeichnungen, wurde zum Ritter geschlagen und für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Seine Familie kam dagegen zu kurz, seine Frau begann 1995 eine Beziehung zu Michael Hutchence, dem Sänger von INXS und ließ sich von Bob Geldof scheiden, der nun einen gnadenlosen Krieg um das Sorgerecht für seine drei Töchter ausfocht. Michael Hutchence beging kurz vor seiner am 21. November 1997 geplanten Heirat mit Paula Yates Selbstmord. Paula Yates folgte ihm am 17. September 2000.

Die Beach Boys waren von ihrem jähzornigen, aggressiven Vater in die Musikkarriere geprügelt worden, die ganze Familie und die halbe Verwandtschaft lebte vom Talent Brian Wilsons, der darüber schwer krank wurde. Es dauerte Jahre, den zerstörerischen Vater endlich aus dem Familienunternehmen zu bekommen und die Konzeptalben Pet Sounds und Smile, die ihrer Zeit weit voraus waren und es mit den psychedelischen Alben der Beatles und Pink Floyds hätten aufnehmen können, wurden zugunsten des ewigen Surf-Sounds unterdrückt. Dennis und Carl Wilson leben nicht mehr.

Professor Leon Theremin (1896-1993), der das Musikinstrument (und damit auch die elektronische Musik an sich -- später entstand nach seinem Prinzip auch der Synthesizer) erfunden hatte, das heute nach ihm benannt ist und das die Beach Boys unter anderem auf Good Vibrations benutzten, geriet zwischen die Bahnen des eisernen Vorhangs, wurde zwischen Ost und West zerrissen, aufgerieben und mehrfach von seiner Familie getrennt. Statt einer Karriere als Künstler und Wissenschaftler verbrachte er sein Leben als zwangsweiser Spion, landete 1941 zunächst in einem Team, das an der sowjetischen Atombombe arbeitete und entwickelte im kalten Krieg die "Wanze", das Abhörgerät, das unter anderem Gespräche von Churchill mit Eisenhower und Roosevelt aufzeichnete.

Johnny told his mama "Hey, 'Mama, I'm goin' away.

I'm gonna hit the big time, gonna be a big star someday.

Mama came to the door with a teardrop in her eye.

Johnny said, 'Don't cry, mama, smile and wave good-bye'.

Badfinger, Peter William Ham (1947-1975) und Tom Evans (1947-1983) schrieben mit Without you einen auch durch Harry Nielsson nochmals bekannt geworden Millionenhit, der auch heute noch jährlich sechsstellige Tantiemensummen erbringt. Doch betrügerische Manager ließen sie ihre ganze Karriere lang fast verhungern, unterschlugen die Vorschüsse der Plattenfirmen und trieben sie schließlich beide in den Tod. Die Nachfahren und Verwandten sehen auch heute noch kein Geld von dem Song, dafür einige der ehemaligen Bandmitglieder, die an seiner Komposition gar nicht beteiligt gewesen waren.

Soeur Sourire (Jeanne-Paul Marie Deckers, 1933-1985) die singende Nonne, hatte 1963 mit Dominique einen Überraschungshit. Sie war wohl aus Liebeskummer dem Orden der Dominikaner beigetreten, dem der Plattenerfolg gar nicht recht war, was die Popularität ihrer Ordensschwester betraf. Sie musste den Orden verlassen. Die reichlichen Einnahmen nahm das Kloster Fichermont weiterhin großzügig ein, Soeur Sourire musste sich nun jedoch Luc Dominique nennen und durfte auch nicht mehr erwähnen, dass sie die singende Nonne war.

Die weltliche Karriere hielt sich folglich in Grenzen. Die Presse hasste sie für eine freiheitlich-emanzipatorische Lebensauffassung und schrieb ihr und Annie Pécher, mit der sie zusammen wohnte, eine lesbische Beziehung zu, was zu jener Zeit extrem schädlich war. Doch ihr Leben beendet wurde vom Finanzamt: Der Orden hatte nie Steuern für die Plattentantiemen entrichtet und 1974 wollte das belgische Finanzamt nun 60.000 Euro von ihr. Finanzamt und Orden waren sich darüber einig, dass dieses Geld alleine von Jeanne-Paul Marie Deckers aufzubringen war, auch wenn sie nie nennenswerte Mengen der Tantiemen ihres Hits erhalten hatte. Sie kämpfte zusammen mit Annie Pécher elf Jahre gegen die dank Zinsen stetig weiter steigenden Schulden an. Am 29. März 1985 brachten sich schließlich beide mit Schlaftabletten und Whisky um.

Johnny died one night, died in his bed,

Bottle of whiskey, sleeping tablets by his head.

Johnny's life passed him by like a warm summer day,

If you listen to the wind you can still hear him play.

Außerdem werden in Poptragödien noch das Leben von Nico, Curt Kobain und Sid Vicious behandelt. Ingeborg Schober arbeitet in den Bereichen Popmusik, Entertainment, Jugendkultur und Medien für Süddeutsche Zeitung, Stern, Focus und zahlreiche andere Print- und Hörfunk-Medien. Vor "Poptragödien" erschienen von ihr bei dtv die Biografien von Janis Joplin (2002) und Jim Morrison (2001)

Pop-Tragödien -- die spektakulärsten Fälle von den Beach Boys bis Nirvana, Ingeborg Schober, Ueberreuter-Verlag, Wien, 2004