Popstars retten die Erde
Mit fragwürdigen Stars und Sponsoren und mit Politkitsch wird die politische Kultur vielleicht endgültig ruiniert oder zum Medienspektakel
Der Kampf gegen Klimaerwärmung ist Pop, zumindest konnten wieder zahlreiche Musiker dafür gewonnen werden, sich für die gute Sache einzusetzen. Da hält sich sogar Greenpeace zurück und wirbt für das Klimaeinsparen. Natürlich war Live Earth, das nach dem Modell von nach dem Vorbild von Live Aid und Live 8 die Idee weltweiter Konzerte als Aufmerksamkeitsspektakel für ein Thema, am 7.7.2007 in dann doch acht statt sieben Städten auf sieben Kontinenten mal wieder das größte Event aller Zeiten: über 100 Bands und Musiker, weltweit vielleicht 2 Milliarden Zuschauer, auch wenn die Konzerte nicht so gut wie erwartet besucht waren, einen schwärmenden, umweltreligiösen Al Gore und die Forderung, bis 2009 ein internationales Abkommen zu realisieren, um bis 2050 die CO2-Emissionen um 90 Prozent zu reduzieren.
Dazu sollten die Menschen sich verpflichten, die Politiker unter Druck zu setzen, persönlich Energie zu sparen, neue Bäume zu pflanzen oder nur von Firmen zu kaufen, die mithelfen, die Klimakrise zu lösen und eine gerechte und umweltverträgliche Welt zu schaffen. Ob Sponsoren des Events wie Pepsi, CocaCola, Microsoft, Absolut, Philips oder VeriSign dafür eintreten? Allerdings wäre es von Al Gore und den Veranstaltern wohl besser gewesen, nicht nur auf die Auswahl der Sponsoren, sondern auch auf die der Musiker zu achten, die sich anscheinend so selbstlos für die gute Sache einsetzen und dabei zwar vielleicht auch ein wenig Aufmerksamkeit für das Thema schaffen, vor allem aber für sich selbst, denn das Eintreten für die gute Sache – ohne Konsequenzen für sich selbst zu ziehen – ist Werbung, die sich auch unmittelbar in steigenden Verkäufen niederzuschlagen scheint.
Insgesamt, so eine Schätzung würden durch die Konzerte von Live Earth zwischen 60.000 und 110.000 Tonnen Kohlendioxid von allen Mitwirkenden, einschließlich Publikum, und Transporte zusätzlich produziert. Angeblich wurden die CO2-Emissionen der Flüge der Musiker für das Konzert mit Zahlungen als eine Form des gegenwärtigen Ablasshandels kompensiert, die in Umweltprojekte gehen, während man ansonsten nicht überall erfolgreich für möglichst "grüne" Vorkehrungen zu sorgen suchte.
We wrote a cheque, we took care of our footprint and raised awareness, blah blah blah.
Bon Jovi
Immerhin hatte Al Gore schon einmal, die Kritik antizipierend, darauf verzichtet, persönlich in Großbritannien und den USA aufzutreten. Während sich viele Musiker eher zurückhielten mit Botschaften, Jan Delay in Hamburg immerhin daran erinnerte, dass die Stadt zwar auch image-mäßig durch Mitmachen profitieren wollte, aber gleichzeitig durch den Bau eines neuen Kohlekraftwerks die CO2-Emissionen auf eine neue Höhe treibt, oder Eddie Izzard sich für die gesamte Zunft selbstkritisch gab ("We're probably more guilty than anyone with all this flying around and stuff. With two billion people watching, today is the day to start."), wurde von den Musikern vor allem und stellvertretend Madonna in die Zange genommen.
Sie ist weder beruflich noch privat Vorbild, hat 8 Häuser und einen Mercedes Maybach, zwei Range Rovers, einen Audi A8 und einen Mini Cooper S Zuhause und ihr "carbon footprint" werden höchstens noch durch ihr Ego überragt, ätzte die Daily Mail. Madonna hat letztes Jahr durch ihre Tour in vier Monaten 440 Tonnen CO2 nur durch ihre Flüge produziert, durchschnittlich verursacht ein Brite jährlich 10 Tonnen, so John Buckley von CarbonFootprint.com, natürlich auch nicht ganz ohne eigenes Interesse. Er schätzt die Gesamtemissionen von Live Earth aus mindesten 30.000 Tonnen, die Fernsehzuschauer eingereichnet auf mindestens 70.000 Tonnen. Die reichen und bekannten Musiker, die oft mit ihren Privatjets um die Welt fliegen, werden zu den Menschen gerechnet, die am meisten CO2-Emissionen verursachen. Madonna würde jährlich 1018 Tonnen CO2 produzieren, schätzt Buckley. Dazu kommt, dass der Popstar Aktien von zahlreichen Unternehmen besitzt, die weder sonderlich sozial-, noch klimafreundlich sind. Selbst ihre Stiftung The Ray of Light Foundation hält Aktien von Unternehmen wie Alcoa, Ford Motor Company oder Weyerhaeuser, die von Umweltschützern kritisiert werden, merkte der konservative Sender Fox News und dann auch Murdochs Telegraph genüsslich an.
Offenbar wirkte die Kritik an der Scheinheiligkeit schon einmal. Eine Sprecherin von Madonna gelobte am Sonntag bereits Besserung:
Madonnas Zustimmung, auf dem Live Earth-Konzert zu singen, ist nur einer der ersten Schritte in ihrem Engagement, verantwortlich für die Umwelt zu handeln. Sie bildet sich und ihre Familie und hat mit Veränderungen begonnen, die ihre Aufmerksamkeit auf und ihre Sorge um die Zukunft des Planeten wiedergeben.
Ganz im politischen Stil hält man sich aber erst einmal im Abstrakten, um später nicht auf Inkonsistenzen und falsche Versprechen hingewiesen werden zu können.
Vermutlich sollten nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Musiker ein wenig mehr darauf achten, ob Sponsoren und Beteiligte tatsächlich die Sache vertreten können, für die man sich einsetzen will. Wahrscheinlich aber hat sich allmählich dieses Konzept, mit der Hilfe von Stars in einem weltweiten Event, das jeweils Rekorde brechen muss, durch Übertragung der Aufmerksamkeit von den Stars auf das Thema Appelle an Politiker und Einzelne zu richten, überlebt. Politische Erfolge gibt es so nicht, wie schon Live 8 demonstriert hat, es wird die Arbeit der ernsthaften Organisationen durch solche Aufmerksamkeitsspektakel mit unglaubwürdigem Personal erschwert und die Wiederholung der Mega-Events nutzt die Aufmerksamkeit ebenso ab wie ein dauerhaftes Engagement. Noch gefährlicher dürfte sein, dass mit solchen Events und Medienbotschaften womöglich auch die Bereitschaft schrumpft, sich tatsächlich langfristig und ernsthaft sowie mit differenzierter Argumentation für politische Ziele einzusetzen.