"Pornographieverbote" und "Ehrverletzungsklagen"
Indonesien reformiert sein Zensursystem
Der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono unterschrieb vor kurzem ein lange umstrittenes Pornographiegesetz. Es gilt als weiterer Bestandteil der Umstellung des Zensursystems von den traditionellen Methoden der Diktatoren Sukarno und Suharto auf eine modernere Variante.
Das neue "Gesetz gegen Pornographie" ("Rancangan Undang-Undang Pornografi") bietet wesentlich stärkere Eingriffsmöglichkeiten als bisher. Ähnlich wie deutsche und britische Gesetzesänderungen ist es so formuliert, dass im Bedarfsfall sehr viel darunter subsumiert werden kann. Potentiell strafbar ist nach Artikel 1 alles von Menschen gemachte, das entweder "sexuelle Lust weckt" oder "gegen den Anstand verstößt". Darunter können der Vorschrift nach nicht nur Filme, Bilder und Texte fallen, sondern auch Körperbewegungen und sogar bloße Gesprächsäußerungen. Artikel 10 verbietet zudem explizit "Nacktheit" in der Öffentlichkeit. Die Artikel 19 und 20 regeln das Filtern und Sperren des Internets zur Bekämpfung solcher Inhalte, die Artikel 26 bis 28 den Zugang der Ermittler zu digitalen Daten.
In welchen Fällen das neue Gesetz tatsächlich zu Anwendung kommen wird, ist noch relativ offen. Fest steht dagegen, dass es die Möglichkeiten für Behördenwillkür beträchtlich erhöht. Und wenn jemand zukünftig nicht direkt wegen seiner politischen Aktivitäten belangt werden kann, dann vielleicht wegen eines Verstoßes gegen das Pornographiegesetz, der sich aufgrund der Unbestimmtheit der Vorschriften problemlos finden lassen dürfte.
Darüber hinaus legt das Gesetz in Artikel 21 durch die Regelung, dass nicht nur die Herstellung und Verbreitung, sondern auch der "Gebrauch" von als anstößig empfundenen Kulturäußerungen ohne explizite Genehmigung der Polizei verhindert werden darf, die Zensurmacht teilweise in private Hände. Unter anderem in die von Vigilantengruppen wie der Front Pembela Islam (FPI), einer Art indonesischen Variante der "Religionswächter".
Während Christen und Hindus in anderen Teilen der Welt Pornographieverbote häufig nicht umfassend genug sein können, dient das neue indonesische Gesetz in den nicht von Moslems besiedelten Gebieten des Landes als Kristallisationspunkt für Widerstand gegen die Zentralregierung. Einer der Berater des Präsidenten, Adnan Buyung Nasution, riet ihm deshalb von der Unterzeichnung ab, weil es seiner Ansicht nach die Einheit des Vielvölkerstaates gefährdet.
Vor allem auf der vorwiegend hinduistischen Insel Bali kam es zu Massenprotesten gegen das Gesetz. Eine wichtige Rolle spielte dabei der besonders dort wirtschaftlich bedeutende Tourismus und die Erwartung, dass Besucher zukünftig fernbleiben, wenn sie Angst haben müssen, bei Verstößen gegen die Kleiderordnung festgenommen zu werden. Die Provinzregierung will ebenfalls Widerstand gegen das "RUU Pornografi" leisten und eine Verfassungsklage einlegen.
Auch in den überwiegend christlichen Provinzen Sulawesi Utara, Nusa Tenggara Timur und Papua befeuerte "Undang-Undang Pornografi" Selbständigkeitsansprüche. Trotz einer (allerdings sehr unklaren) Ausnahmeregelung zum Schutz von "Regionalkulturen" in Artikel 14 des Gesetzes befürchtet man dort beispielsweise, dass dem Wortlaut des Gesetzes nach das Tragen traditioneller Trachten zukünftig für Vorwandsverhaftungen herangezogen werden könnte.
Eine andere Möglichkeit dafür bietet das Ehrverletzungsrecht. Im letzten Jahr beklagte1 Heru Hendratmoko, der Vorsitzende des Journalistenverbandes Aliansi Jurnalis Independen (AJI) ein Klima zunehmender Angst vor Verleumdungs- und Beleidigungsklagen. Gefährlich ist danach vor allem die kritische Berichterstattung über große Firmen und deren Beziehungen zu Politik und Verwaltung. Sie wurde beispielsweise Bima Wijaya zum Verhängnis, dem ehemaligen Chefredakteur der Zeitung Radar Yogya, der im Dezember 2007 wegen angeblicher Ehrverletzung einer wirtschaftlich einflussreichen Persönlichkeit zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt wurde.
Ein weiteres Exempel ist der Journalist Dahri Uhum Nasution, der in Sumatra eine Haftstrafe wegen des selben Vorwurfs absitzt. Bambang Harymurti, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Tempo (das nichts mit dem gleichnamigen deutschen Lifestyleblatt aus den 1980ern zu tun hat), wurde angezeigt und vor ein Strafgericht gebracht, weil er über den Unternehmer Tommy Winata geschrieben hatte. Sein Fall zeigt, dass die neue Zensur auch sehr stark mit Geld zusammenhängt: Zuerst zu zwei Jahren Gefängnis wegen Verleumdung verurteilt, konnte er seinen Fall vor das Oberste Gericht bringen, das ihn schließlich mit der Begründung freisprach, dass nicht das Straf-, sondern das Presserecht einschlägig gewesen sei. Andere Journalisten hätten diesen Rechtsweg finanziell möglicherweise nicht durchhalten können.