Position zum Krieg führt zu ersten Zerfallserscheinungen in spanischer Regierung

Für Aznar stehen die Kriegsgegner im "Abseits der Geschichte"

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Schon vor den Debatten in dieser Woche im spanischen Parlament zum Irak-Krieg, wurde deutlich, dass die regierende Volkspartei (PP) sich an dieser Frage spalten könnte. Am Montag hatten zwei Stadträte der PP im andalusischen Almonte, Jesús Redondo und Rafael Márquez Bejarano, ihren Austritt aus der Partei erklärt, weil sie mit dem Kriegskurs der Regierung unter ihrem Ministerpräsidenten José María Aznar nicht einverstanden sind. Einen Tag später folgte den beiden Stadträten ein Dritter. Der Sprecher der PP im andalusischen Valverde del Camino, Pedro Borelo Lorca, sprach sich in Radio Euskadi diesmal gegen die PP aus. Seinen Austritt begründete er so: "Wenn meine Wähler keinen Krieg wollen, dann muss ich gegen den Krieg stimmen." Er kündigte an, dass sich weitere Kollegen seinem Schritt anschließen werden.

Obwohl sich sechs PP-Abgeordnete auf Demonstrationen als Gegner der Kriegspolitik von Aznar geoutet hatten, stimmten am Dienstag im Parlament alle 183 PP-Parlamentarier für den Entschließungsantrag der Regierung. Somit sprach sich die PP scheinbar geschlossen dafür aus, eine zweite Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu verabschieden, die den Weg für einen Angriff auf den Irak frei machen soll. Wie El País heute berichtet, sei Aznar bereit, in Feinheiten die Resolution noch zu verändern, die dem Sicherheitsrat vorgelegt wird, um einen Konsens herzustellen. Dabei scheint er in den zahlreichen Debatten im Parlament nicht begriffen zu haben, dass es um elementare Widersprüche und nicht um Feinheiten geht.

Selbst die konservativen Nationalisten in Katalonien und der kanarischen Inseln, die sonst den Kurs von Aznar stützen, hatten seine Antrag abgelehnt und für den Antrag der Opposition gestimmt. Die hatte dafür plädiert, den Waffeninspekteuren mehr Zeit einzuräumen. Doch den Antrag schmetterte die PP mit ihrer absoluten Mehrheit ab. Führende Oppositionspolitiker der Sozialisten und der Kommunisten erklärten, mit den linken Nationalisten aus Katalonien sowie den moderaten Nationalisten des Baskenlandes und Galiciens, dass ein Präventivkrieg nicht gerechtfertig sei. Angesichts der Zerstörung von Waffen und der Bereitschaft zur Kooperation von Saddam Hussein gäbe es immer weniger Begründung für einen Feldzug gegen den Irak.

Um eine Scheineinheit in der Partei für seinen Kurs zu bekommen, hatte Aznar am Montag extra den Parteirat, das höchste Gremium zwischen den Parteikongressen, antreten lassen, um die Abgeordneten auf seinen Kurs einzuschwören. Wegen der massiven Ablehnung in der Bevölkerung befürchten immer mehr Mitglieder und Sympathisanten der PP, dass der Kapitän das Schiff Volkspartei mit seiner Unterstützung der US-Politik versenken könnte.

Vor dem Parteirat hatte Aznar erklärt, dass die Kriegsgegner, ohne Frankreich und Deutschland zu nennen, im "Abseits der Geschichte" stehen, "nichts zählen, nichts taugen und nichts entscheiden" und dabei sind, "den Sicherheitsrat zu spalten". Um eine "terroristische Bedrohung" durch den Irak zu bekräftigen, war ihm auch die absurde Gleichsetzung von Hitler und Saddam nicht zu schade.

Den Gegnern im Land warf er "moralischen Verfall" vor. Sie würden die Wähler belügen und Stimmen für Sicherheit eintauschen, dabei "wissen die Spanier genau, wer sich hier den wichtigen Problemen stellt". Obwohl die Umfragen zeigen, dass die PP jetzt sogar weniger Stimmen erhalten würde als die Sozialisten (PSOE), erklärte Aznar, man werde die nächsten Wahlen gewinnen und zwar erneut mit absoluter Mehrheit.

Auch wenn es Aznar noch einmal gelungen ist, die innere Opposition unter die Knute zu zwingen, der Zerfall seiner Macht hat begonnen. Ein deutliches Zeichen dafür ist auch, dass Baltasar Garzón in El País Aznars Politik eine "Farce" nennt. Der Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof hat seine Nase stets im Wind und nimmt Veränderungen frühzeitig wahr. Der einstige Sympathisant der Kommunisten integrierte sich bald in die PSOE und half dann kräftig mit, deren Abgang zu beschleunigen, um der PP den Aufstieg zu ebnen. Er schrieb, Politiker wie Aznar seien wie eine "schlüpfrige Mauer" und der "stinkende Humus derer, die keine Gefühle haben". Der Protest richte sich gegen "eine institutionelle Gewalt, die von mutierten Regierungen ausgeübt wird, die täglich die verachten, die ihnen an den Urnen die demokratische Legitimität gaben".

Es ist erstaunlich solche Worte ausgerechnet von Garzón zu hören. Der war sich in den letzten Jahren nicht zu schade, im Dienst der Regierung die Folter in Spanien zu decken (Manche Mörder sind gleicher), eine Zeitung, ein Radio und eine Zeitschrift unrechtmäßig zu schließen und eine große Zahl baskischer Organisationen zu verbieten, die noch heute legal in Frankreich existieren. Mit seinem Brief erklärt sich auch, warum er die Schließung der baskischen Tageszeitung Egunkaria vor zwei Wochen seinem Kollegen Juan del Olmo überlassen hat (Baskische Zeitung und Website geschlossen).