Postkapitalismus ohne Verzicht
Seite 2: Produzieren für den Müll
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Evident wird das bei den krisenbedingt zunehmenden Tendenzen zur geplanten Obsoleszenz. Hierunter ist - spätestens seit dem großen Glühbirnenkartell - der geplante Verschleiß von Waren zu verstehen, die möglichst bald nach Ablauf der Garantiezeit von Käufer ersetzt werden sollten, um wieder Nachfrage herzustellen.
Für das Kapital ist dieser ökologisch verheerende Vorgang nur zu logisch, da dadurch die uferlose Akkumulationsbewegung des Kapitals - die ja den Selbstzweck der Warenproduktion bildet - weiter befördert wird.
Obsoleszenz wird nicht nur durch geplante Sollbruchstellen, durch eine nahezu unmögliche Reparatur der Geräte erreicht, wie es etwa Apple zur Perfektion treibt, sondern auch durch moralischen Verschleiß, durch Werbung, sich schnell wandelnde "Moden" und den kulturindustriellen Zwang zum Update - nichts ist peinlicher als das iPhone der vorletzten Generation.
Es geht der Mehrwertmaschine somit nicht um die Befriedigung von Bedürfnissen, sondern um die unentwegte Erzeugung immer neuer Bedürfnisse, um immer mehr Ressourcen in Warenform zu gießen und einen möglichst schnellen Verschleiß auszusetzen.
Zugleich dient die Ware, gerade bei krisenbedingt zunehmender Konkurrenz, als Statussymbol. Die irrationale präfaschistische Ästhetik und der dumpfe PS-Wahn, die die Autobranche in den letzten Jahren hervorgebracht hat, dient gerade der Beförderung von Statusgefühlen derjenigen Menschen, die es in einem härter werdenden Arbeitsalltag noch "geschafft" haben.
Das an ein Batmobil erinnernde SUV gleicht einem Panzer, der die Durchsetzungsfähigkeit des Eigentümers signalisiert. Es ist eine Penisverlängerung auf vier Rädern.
Die Irrationalität des Systems, das Bedürfnisse wie Kommunikation oder Mobilität vermittels der Warenform deformiert, kommt gerade in solchen Warenkörpern wie dem MacBook oder dem 500-PS-SUV zum Ausdruck. Die kapitalistische Binnenrationalität, die Waren hervorbringt, dient somit einem irrationalen Zweck: der absurden Anhäufung immer größerer Mengen abstrakten Reichtums, also verwerteter, toter Arbeit.
Spätkapitalistische Warenproduktion ist somit eine Form sehr effizient betriebener Ressourcenverbrennung. Es wird letztendlich für die Müllhalde produziert, während milliardenfach Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden.
Die Klima-Apokalypse ist immer noch vermeidbar
Ein Ende dieses immer weiter anschwellenden, evident zivilisationsbedrohenden Prozesses der Weltverbrennung ist somit nur jenseits des Kapitals möglich. Erst im Gefolge einer Systemtransformation könnten Bedürfnisse tatsächlich befriedigt werden, indem die Gebrauchsgegenstände ihren Warencharakter verlieren.
In einer postkapitalistischen Gesellschaftsformation würde auch die Maxime des Effizienzstrebens transformiert, es fände eine Rationalisierung der Rationalität statt: Anstatt die Bedürfnisse durch den Selbstzweck der Wertverwertung zu deformieren, würde die postkapitalistische Ratio auf die maximale Schonung der Ressourcen abzielen.
Langlebigkeit und Modularität bei der Herstellung von Gebrauchsgegenständen würden die Bestrebungen zur Osboleszenz ersetzen. Damit käme auch das Verbrennen von Ressourcen bei der Produktion für die Müllhalde zum Erliegen, das den Spätkapitalismus in immer stärkeren Maße kennzeichnet - gerade aufgrund dessen permanenter Produktivitätsfortschritte.
Bedürfnisbefriedigung und Ressourcenschonung wären vereinbar, wenn beispielsweise modular aufgebaute technische Geräte, wie eine Zeit lang in der Diskussion standen zur Norm würden. Mobilität könnte beim Aufbau einer kollektiven Infrastruktur auch in einer postkapitalistischen, ressourcenschonenden Gesellschaft erhalten bleiben. Das Bedürfnis der Mobilität würde von seiner irrationalen Schlacke befreit, mit der die Werbebranche alltäglich das Bewusstsein zumüllt.
Die Klima-Apokalypse ist immer noch vermeidbar, selbst wenn die Kulturindustrie sie alltäglich in ihren Unterhaltungsprodukten ausschwitzt. Hierzu ist aber nichts weniger als ein Systemwechsel notwendig, wie inzwischen selbst von der Süddeutschen Zeitung zitierte Klimawissenschaftler erkennen:
Wir schlagen eine tiefe Transformation vor, die auf einer fundamentalen Neuorientierung der menschlichen Werte beruht, von gerechter Verteilung, Verhalten, Institutionen, Wirtschaft und Technologie.
Johan Rockström, Katherine Richardson, Hans Joachim Schellnhuber et al.
Diese "tiefe Transformation" ist aber nur bei einer tiefgreifenden, raschen Umwälzung der ökonomischen Basis der Gesellschaft möglich, indem das Kapital als destruktive gesellschaftliche Dynamik in Geschichte überführt wird.
Alle sonstigen Appelle an "Verteilung, Verhalten, Institutionen" werden sonst ungestört verhallen. Die in der Krise zunehmenden ökonomischen Zwänge des Kapitals, das nur das Leben derjenigen Lohnabhängigen als vollwertig anerkennt, die direkt oder indirekt zum Akkumulationsprozess beitragen, sind einfach stärker.
Als Beispiel seien hier etwa die Arbeiter in der Autoindustrie genannt, die nun vor der Wahl zwischen sofortiger Verelendung via Arbeitslosigkeit oder eines künftigen Klimakollaps' stehen. Deswegen könnte - allen Unzulänglichkeiten zum Trotz - die Einführung eines garantierten Grundeinkommens dabei helfen, in der Anfangsphase der Systemtransformation diese Widersprüche zu überwinden, indem es die kapitalistische Kopplung von Lohnarbeit und Existenzsicherung aufhebt.
Denn die Systemtransformation wird sich ereignen: Es stellt sich nur die Frage, ob sie bewusst gestaltet werden kann, oder ob sie einer Naturkatastrophe gleich über die Gesellschaft hereinbricht und diese in die Barbarei taumeln lässt.
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