Prag rüstet Überwachungskameras mit Bewegungsanalyse und Geräuscherkennung aus
Verfahren zur Mustererkennung sollen urinierende Männer, lärmende Touristen und Graffiti-Künstler aufspüren. In der Nähe umherstreifende Polizisten bekommen dann eine SMS aufs Mobiltelefon
Die Stadtverordneten der tschechischen Hauptstadt Prag haben vor kurzem die Aufrüstung der städtischen Videoüberwachung beschlossen. Automatisierte Verfahren zur Mustererkennung sollen helfen, die "öffentliche Ordnung" im Stadtbezirk 1 zu sichern. Vorhandene Kameras werden dabei teilweise behalten, neue Systeme kommen in den nächsten zwei Jahren hinzu. Die Gesamtkosten inklusive einer neuen Überwachungszentrale werden auf rund 83 Millionen Kronen (rund 3,3 Millionen Euro) beziffert.
Mittels neuer Software wird unerwünschtes Verhalten detektiert, Polizisten in der Nähe erhalten dann eine SMS auf ihr Mobiltelefon. Als störend gelten laut Meldungen mehrerer Medien urinierende Männer und Graffiti-Künstler. Auch Schlägereien sollen von den Kameras erkannt werden. Vorher muss die Anlage allerdings entsprechend programmiert werden. Zu den auffälligen Mustern gehören beispielsweise schnelle und hektische Bewegungen, Rennen oder Fallen.
Allerdings geht es nicht nur um die Überwachung per Video: Die Systeme sind mit Audiodetektoren ausgerüstet, um verdächtige Geräusche zu erkennen. Ein Alarm zeigt der Leitstelle der Polizei an, wenn der zulässige Lärmpegel überschritten wird. Die Maßnahme richtet sich zuallererst gegen Besucher: In der Vergangenheit hat es häufig Klagen über Ansammlungen lärmender, betrunkener Touristen gegeben.
Kein Anstieg von Gewaltkriminalität
Die Entscheidung fiel nach einer Analyse derzeitiger Anlagen und den gewünschten Überwachungsfunktionen. Zwar wird von der Stadt bestätigt, dass die Gewaltkriminalität nicht ansteigt. Dennoch wurde eine Studie zur Sicherheit von Straßen und Plätzen in Auftrag gegeben. Im Ergebnis hieß es, dass neue Kameras eine Verbesserung bringen würden.
Allerdings wurde mit der Studie ausgerechnet ein Hersteller von Überwachungssystemen beauftragt, eine unabhängige Untersuchung erfolgte also nicht. So konnte sich auch die Opposition in der Stadtverordnetenversammlung nicht durchsetzen, die statt neuer Überwachungssysteme eine bessere Beleuchtung, Geschwindigkeitsbegrenzungen und den Einsatz von mehr Polizisten vorschlug.
Welcher Hersteller mit der Einrichtung der neuen Plattform beauftragt wird, ist unklar. Die Fähigkeiten erinnern jedoch an das EU-Projekt INDECT, das unter polnischer Leitung ebenfalls Verfahren zur Mustererkennung für die öffentliche Sicherheit entwickelt (Bevölkerungsscanner liebäugelt mit Supercomputer). Beamte der tschechischen Polizei hatten mehrmals an INDECT-Veranstaltungen in Polen teilgenommen, angereist waren auch "Experten" der "Abteilung für Extremismus". Die Polizisten zeigten sich damals "sehr offen" für die weitere Zusammenarbeit und wünschten sich "Prototypen" für Testreihen zur Gesichtserkennung. Am INDECT-Projekt ist mit der Technischen Universität Ostrava auch ein tschechischer Partner beteiligt.
Werbung für Einführung auch in anderen EU-Mitgliedstaaten
Die Technik von INDECT wird offiziell in Irland getestet. Zu den weiteren Interessenten gehört die Polizei Rumäniens, die letztes Jahr eine Vorführung in Bukarest organisiert hatte. Auch bei der EU-Polizeiagentur Europol wurde das System mehrmals vorgestellt, darunter auch im polizeilichen Technologienetzwerk ENLETS. Der Zusammenschluss von Polizeibehörden aller 28 Mitgliedstaaten soll die Einführung neuer Technik erleichtern und entsprechende Forschungen einfädeln (Polizeibehörden wollen Autos überwachen und ferngesteuert stoppen können).
Im Rahmen von ENLETS wurde dieses Jahr eine "Technologie-Beobachtungsstelle" eingerichtet, die von einer Kerngruppe einiger Mitgliedstaaten geleitet wird. Die polnischen und tschechischen Innenministerien setzen sich dort für die Ausweitung der Mustererkennung auch in anderen Ländern ein. Polen will seine Kenntnisse zur elektronischen Überwachung mit Richtmikrofonen einbringen und regt weitere Forschungen an. Die Tschechische Republik will automatische Systeme zur Nummernschilderkennung von Fahrzeugen EU-weit vereinheitlichen und die phonetische Suche in Polizeidatenbanken verbessern. Zu den Wünschen aus Prag gehört auch die Auswertung der Videoüberwachung zur Suche nach Personen in Echtzeit. Begründet wird der Bedarf mit dem "Verfolgen vermisster Kinder". Matthias Monroy