Preise für Lebensmittel schießen in die Höhe
Dürren, Überschwemmungen und Biosprit machen Grundnahrungsmittel teurer, gleichzeitig landen große Mengen Lebensmittel im Abfall
Aufgrund der steigenden Ölpreise und des Umstiegs auf Biosprit werden die Lebensmittel, vor allem auch Grundnahrungsmittel, weltweit teurer. Nach der Food and Agricultural Organisation (FAO) der Vereinten Nationen sind die Lebensmittelpreise in China um 18 Prozent, in Indonesien und Pakistan um 13 Prozent und in Lateinamerika, Russland und Indien um 10 Prozent gestiegen. Der Preis für Weizen hat sich verdoppelt, auch Mais und Reis sind sehr viel teurer geworden. Und die Preise sollen hoch bleiben, was vor allem in armen Ländern, die auf Importe angewiesen sind, zu Lebensmittelknappheit, Protesten und politischer Instabilität führen kann.
Während die Vorräte an Grundnahrungsmitteln auf einem 25jährigen Tiefstand sind, kann die diesjährige Ernte nach der FAO gerade den Verbrauch decken. In 26 Ländern ist mit einer Lebensmittelknappheit zu rechnen, so dass Hilfe von außen notwendig ist. Grund dafür sind lange Dürren bzw. Überschwemmungen, aber auch Konflikte. Betroffen sind vor allem afrikanische Länder (21), aber auch Nordkorea, Indonesien, Nepal, Afghanistan und der Irak. "Lebensmittelunsicherheit" stellt die FAO in Teilen von Bangladesch, Pakistan, Sri Lanka und Timor fest, aber auch in Moldavien und Tschetschenien. In Lateinamerika trifft es Länder, die unter Hurrikans wie Nicaragua, Jamaica oder die Dominikanische Republik gelitten haben.
"Wenn man den Anstieg der Ölpreise und den der Lebensmittelpreise kombiniert, hat man die Bestandteile einer sehr ernsten Krise in der Zukunft", so Jacques Diouf, der Generaldirektor der FAO. Vor kurzem erst kritisierte Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, dass viele Menschen weiterhin verhungern und 800 Millionen unterernährt sind, während es genug Nahrung gebe, um die Menschen zu ernähren. Die Umstellung des Anbaus von der Herstellung von Lebensmitteln zur (subventionierten) Herstellung von Biosprit bezeichnete er als "katastrophal" (Weltweit nehmen Hunger und Unterernährung zu).
Allerdings gibt es zumindest in den reichen Ländern trotz steigender Lebensmittelpreise noch ein weiteres Phänomen, das gerade von der britischen Regierung herausgestellt wird. Mit ihrer Kampagne Love Food Hate Waste will sie dazu aufrufen, weniger Lebensmittel zu verschwenden. Nach Angaben des Umweltministeriums werfen die Briten – was vermutlich auf andere Länder übertragbar ist – ein Drittel der von ihnen gekauften Lebensmittel weg. Die meisten Menschen – 90 Prozent – würden sich der Verschwendung gar nicht bewusst sein. Das Umweltministerium hatte im Rahmen des Waste & Resources Action Programme (Wrap) dafür 3.000 Haushalte befragt und 300 Menschen gebeten, über ihre Einkäufe und Abfälle Tagebuch zu führen.
Weil die Menschen mehr kaufen, als sie verzehren, geben sie nicht nur unnötiges Geld direkt für die Lebensmitteleinkäufe aus, sondern verursachen hohe Kosten für die Abfallbeseitigung und für die Umwelt. 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel, von denen das meiste gegessen werden könnte, landen jährlich im Müll. Weggeworfene Lebensmittel machen 20 Prozent des Abfalls aus. Jeder Haushalt verschwendet zwischen 360 und 480 Euro im Jahr. Über 11 Milliarden Euro landen also im Müll, der wiederum Methan an die Atmosphäre abgibt und so die Klimaerwärmung fördert. Würde man diesen Abfall reduzieren, käme dies im Hinblick auf das Klima dem Effekt gleich, jedes fünfte Auto aus dem Verkehr zu ziehen. Das Äquivalent von 15 Millionen Tonnen CO2-Emissionen ließe sich vermeiden, wenn die Briten nicht so viel Abfall produzieren würden. Meist werden die Lebensmittel nicht rechtzeitig gegessen, oft wird auch einfach zuviel gekocht. Insgesamt würden 20 Prozent der Treibhausgasemissionen mit der Herstellung, Distribution und Lagerung von Lebensmitteln verursacht werden.
Es gibt viele Gründe dafür, warum zuviel eingekauft wird. Die Menschen planen zu wenig, haben keine Einkaufsliste vorbereitet und nicht nachgeschaut, was noch da ist. Sie greifen im Laden spontan zu, werden von Sonderangeboten verführt, lassen Lebensmittel verfallen, kennen sich mit den Verfallsdatum nicht aus oder wissen nicht, was sie mit dem Übriggebliebenem noch anfangen können. Es fehlt also an Disziplin und Wissen oder man will eben nicht dauernd sparen und kontrolliert sein, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Verschwenderisch sind auch nicht alle Haushalte. Besonders hervorstechen Menschen zwischen 16 und 34 Jahren, die Arbeit haben und kaum geregelt essen, und Familien mit Schulkindern. Dazu kommt, dass die Hälfte der jungen Menschen unter 24 Jahren nicht kochen kann.
Es geht um große Themen, um die Bekämpfung des Hungers und der Klimaerwärmung, aber dabei geht es auch immer um eine Verhaltensveränderung, die moralisch und mit Zahlen unterfüttert gefordert wird, um das Gute zu bewirken. Just diese auch staatlich erwünschten Disziplinierungsmaßnahmen, die permanente Aufforderung von Rationalität, dürften umgekehrt auch die Unvernunft stärken. Lieber der "Tanz am Vulkan" als permanent maßvoll leben. Disziplin ist in aller Regel nicht "cool", wenn sie nicht in Gewaltexzessen ausarten darf. Kann "grün" schick sein, wenn es keine oppositionelle Haltung mehr ist, sondern staatstragend? Können wir Planung lieben oder brauchen wir nicht auch Verschwendung – Luxus, wenn wir es uns leisten können?