Privatisierung nach Noten

Seite 2: "Neue Grüne Revolution": Privatisiertes Saatgut als Schlüsseltechnologie

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Neben den verschiedenen zu bewertenden Indikatoren wie Landmaschinen, Finanzen, Transport, Düngemittel, Märkte, Wasser, Informations- und Kommunikationstechnologie, dem erstmals bewerteten Landmanagement - weitere Indikatoren wie "Gender" und "ökologische Nachhaltigkeit" sind bereits in Arbeit - taucht in der EBA-Benotung ein Indikator auf, der die Saatgut-Regulierung der einzelnen Länder bewertet. In den vergangenen Jahrzehnten haben westliche Großunternehmen und Regierungen alles daran gesetzt, um Saatgut-Gesetze weltweit zu standardisieren und gleichzeitig industrielle Saatguten zu etablieren, die oft als "verbessertes" Saatgut beworben werden. Das EBA-Projekt ist der jüngste Vorstoß einer Kampagne, die mit höheren Ernteausbeuten wirbt und mit der Vision, eine stetig wachsende Erdbevölkerung ernähren zu können.

Im Vordergrund stehen die Erleichterung der Operationen privater Unternehmen: Die Erzeugung und Vermarktung von industriellem Saatgut soll verbessert, beschleunigt und zertifiziert werden. Als Anreiz für private Saatgutbemühungen sollen die Rahmenbedingungen für Urheberrechte geschaffen werden, die den beteiligten Unternehmen die Profite sichern. Länder, die Züchtern Urheberrechte auf Saatgut zugestehen, erhalten bei EBA bessere Noten in der Bewertung, ebenso, wenn der private Sektor örtlich verbreitete Sorten vermarkten kann sowie leichten Zugang zu dem im Saatgut enthaltenen Keimplasma der öffentlichen Genbanken erhält. Diese Bedingungen sollen Anreize für die private Forschung und Entwicklung neuer Sorten liefern.

Geistiges Eigentum an Pflanzenzüchtungen

Seit der Entstehung industrieller Saatgut-Unternehmen suchen diese nach Wegen, ihr Monopol gegen Bauern durchzusetzen, indem diese von der Ausbringung selbst geernteter Saaten abgehalten werden sollen. Gesetze zum Sortenschutz sollen den Züchtern die Exklusivrechte über ihre Schöpfungen übertragen, die ihnen durch Saatgut-Verkauf oder Lizenzierung Gewinne aus der Vermarktung, Vermehrung und Verwendung einbringen.

Das EBA-Projekt unterstützt bei geistigem Eigentum an Saatgut eine Rechtslage, die konform zu den Positionen des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) ist. Welchen Einfluss die UPOV-Übereinkommen auf die Landwirtschaften von Entwicklungsländern haben, ist Gegenstand von Debatten. So verbietet das letzte UPOV-Übereinkommen von 1991 den Bauern, patentiertes Saatgut zu verkaufen oder untereinander zu tauschen, außerdem schränkt es ihr Recht zur Aufbewahrung und Weiterverbreitung ein. Des Weiteren werden vor allem exportorientierte Landwirtschaften unterstützt. In der Folge werden für den Export bestimmte Züchtungen bevorzugt, meist die von einigen wenigen der bedeutendsten Nutzpflanzen, die sich im Großmaßstab anbauen lassen und zu einheitlichen Produkten bei geringstmöglichem Kostenaufwand führen. Diese Züchtungen sind meist Schöpfungen ausländischer Produzenten.

Eine wachsende Abhängigkeit von exportorientierter Landwirtschaft wird zunehmend als Problem erkannt. Kritiker betonen immer wieder, dass das Argument nicht belegt sei, ein Beitritt zur UPOV würde Entwicklungsländern bei ihrem Kampf gegen die Armut helfen, deshalb wäre eine Diskussion um die Auswirkungen von Monopolrechten aus geistigem Eigentum auf Landwirtschaft, Nahrungsangebot und andere Aspekte wünschenswert. Doch habe man bei der UPOV kein Interesse daran: Die Sitzungen finden hinter verschlossenen Türen statt, und Bauernverbänden wird der Beobachterstatus versagt. Im Gegensatz zum UPOV-Blickwinkel seien sui generis-Gesetze denkbar, die sich besser an die Einzigartigkeit örtlicher Besonderheiten anpassen ließen.

Die unter EBA vorangetriebene Ausdehnung der UPOV auf weitere Staaten hat bereits Auswirkungen in einigen Ländern. In Tansania gilt beispielsweise seit 2015 ein Gesetz zum Schutz der Pflanzenvielfalt gemäß UPOV. Die Verwendung und der Austausch geschützter Saaten ohne Einwilligung des Züchters sind nun strafbar.

Der Griff der Industrie nach den Gen-Ressourcen der Allgemeinheit

Konventionelle Pflanzenzucht findet auch an öffentlichen Einrichtungen wie Forschungszentren und Universitäten statt, doch bei der Weltbank weiß man, dass öffentliche Investitionen in die Züchtung seit zwei Jahrzehnten rückläufig sind. Forschung heute bedeutet häufig: Public-Private-Partnerships zwischen Saatgut-Unternehmen und Instituten.

Die den Regierungen nun zugedachte Rolle beschränkt sich auf die des passiven "Ermöglichers" privater Pflanzenzuchtaktivitäten. Mit einer Ausnahme: Der personal- und kostenintensive Betrieb nationaler Genbanken wird als wesentliche öffentliche Aufgabe angesehen und soll beibehalten werden. So soll der Privatsektor leichten Zugang zu öffentlichem Keimplasma erhalten, der für die Entwicklung neuer kommerzieller Saatgutsorten nützlich sein könnte. Eine Rückführung von Teilen der Gewinne zum Erhalt der Genbanken ist nicht vorgesehen. Bauerngruppen sträuben sich gegen die geplante Patentierung und Privatisierung öffentlicher genetischer Ressourcen.