Produktionstechnik vom Standpunkt der Arbeitenden

Seite 3: Effizienzextremismus

Über Bitot hinausgehend sind die eigenen Probleme moderner Zweck-Mittel-Rationalität oder instrumenteller Vernunft zu vergegenwärtigen. Selbst wenn die Imperative der Kapitalverwertung überwunden worden wären, verursacht das Wirtschaftlichkeitsprinzip (möglichst viel Nutzen bei möglichst wenig Aufwand) weiterhin Probleme. Gedanklich lässt sich sauber trennen zwischen der effizienten Nutzung und Organisation von Sachen und dem Umgang mit Menschen.

Faktisch fördert das Effizienzprinzip das Vorhaben, die Mittel und all das, was praktisch als Mittel instrumentalisiert wird, ohne Rücksichtnahme auf sonstige Verluste auszuquetschen. Den Arbeitenden und dem Arbeiten kommen dann in der Arbeit kein Eigenwert zu. Dem Effizienzprinzip entsprechen eine hohe Arbeitsteilung, hohe Arbeitsintensität und ein technomorphes Welt- und Selbstverständnis.1

Alle drei wirken sich negativ aus auf die Lebensqualität. Die Vorstellung, im "Reich der Notwendigkeit" so effizient wie möglich den erforderlichen Reichtum zu schaffen für ein Leben, das als frei erst gelten kann jenseits und getrennt von notwendigen Arbeiten und Tätigkeiten, legt sich keine Rechenschaft ab von den Folgen instrumenteller Rationalität. Im Unterschied zur Vorstellung von einer strikten Trennung zwischen einem "Reich der Freiheit" und einem "Reich der Notwendigkeit" durchlaufen die Menschen bei Arbeitsschluss keinen Persönlichkeitstransformator.

Arbeit als wohl verstandene Volkskunst

Die unheilige Dreieinigkeit der Wunschbilder Hypertechnisierung, Ende der Arbeit sowie Vergnügungen im Sinne von Endlosferien ist weit verbreitet und stellt ein massives Mentalitätshindernis für eine "Könnensgesellschaft" (Ax 2009) dar. In ihr geht es darum, dass "die Arbeitsproduktion des gewöhnlichen Arbeiters eine Art Volkskunst werde" (Morris, zit. n. Bitot 2009, 105). (Vgl. dazu auch Ax 2009, 25f, 38, 40, 62, 67f., 114, 120). "Es ist der Hochmut der Intellektuellen und Künstler, zu glauben, dass kreative, selbstbestimmte Arbeit nicht auch im Kontext der 'normalen' Arbeit […] gelebt wird" (Ax 2009, 114).

Christine Ax steht mit ihren Texten, in denen sie den Wert des Handwerks in der Gegenwart herausarbeitet, für eine fünfte Herangehensweise an das Thema anthropozentrische Produktionstechnik.

Die anthropozentrische Produktionstechnologie als notwendige Bedingung der Gesellschaft des guten Lebens

Wer über eine grundlegende Gesellschaftsalternative nachdenkt, tut gut daran, über die Horizonte von Umverteilung, naiver Technikapologie und pseudoradikaler Kritik an Arbeit hinauszugehen. Michael Brie bemerkt in Bezug auf die DDR (Brie 1990, 140):

Die gesellschaftlichen Aufwendungen für die Entwicklung der Produktionsmittel sind zumeist nur sekundär oder überhaupt keine Aufwendungen für die Entwicklung der Bedingungen subjektiver Fähigkeitsentfaltung und individuellen Genusses in der Arbeit.

Bereits Friedrich Engels kritisierte die Vorstellung, "als könne die Gesellschaft Besitz ergreifen von der Gesamtheit der Produktionsmittel, ohne die alte Art des Produzierens von Grund aus umzuwälzen" (MEW 20, 277). Der für die Arbeitenden unattraktiven Qualität des Arbeitens entspricht eine "Arbeitnehmerperspektive".

Sie orientiert sich daran, "dem 'Arbeitgeber' so wenig zu geben wie möglich, aber so viel zu verlangen wie möglich. Im bisherigen Sozialismus übertrug sich das entsprechend: der Gesellschaft so wenig zu geben wie möglich, aber von ihr so viel zu erwarten wie möglich" (Arbeiterpolitik, 2017, 58. Jg., H. 3-4, S. 31).

Diese "Arbeitnehmerperspektiv" existiert solange, wie der legitime Vorbehalt von Arbeitenden gegen ihre unattraktive Arbeit - und sei es auch eine Arbeit für das Gemeinwohl - zu einem reaktiven Privatinteresse führt. Also dazu, sich als Individuum für diese Arbeit entschädigen bzw. in der Arbeit so wenig wie möglich sich anstrengen zu wollen.

Brie (1990, 128) schreibt zu Recht: "Nur durch die Schaffung einer adäquaten technologischen Produktionsweise […] kann jene spezifische Form der Interessiertheit der unmittelbaren Produzenten […] durchgesetzt werden", die dem gesellschaftlichen Eigentum an Produktionsmitteln entspricht. Wenn der Arbeiter durch die Produktionstechnologie und -organisation "an seiner Entfaltung gehindert wird, ist es unvorstellbar, wie er auf der anderen Seite das Selbstvertrauen, die umfassenden Kenntnisse, Fertigkeiten und Begabungen entwickeln soll, die es ihm erst ermöglichen, in der Gesellschaft als ganzer einen wichtigen und kreativen Part zu übernehmen" (Cooley 1982, 68).

Marx' Perspektive unterscheidet sich ums Ganze von der Josef Stalins und Ernst Jüngers. Letzterer plädiert in 'Der Arbeiter' (1932) für ein Sparta der Arbeit bzw. eine Nation des Dienstes, in der das Arbeiten und die soldatische Disziplin verschmelzen. Marx lehnt "eine Nation von Heloten" ab (MEW 23, 375).

Dieser Artikel erinnert an Plädoyers, die die Relevanz einer Produktionstechnologie vom Standpunkt der Arbeitenden darlegen. Das Thema eines anderen Artikels wäre, ob und wie sich die Diskussion weiter entwickelt hat.