Propaganda für "den bewaffneten Kampf mit terroristischen Mitteln"

Grafik: TP

Seehofer verbietet Hisbollah-Vereine

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Heute früh durchsuchte die Polizei mehrere Moscheen, "Kulturvereine" und Wohnungen in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Unter den Objekten befanden sich der Neuköllner Verein El-Irschad, die Bremer Al-Mustafa-Gemeinschaft, die Dortmunder "Gemeinschaft libanesischer Emigranten" und das Münsteraner Imam-Mahdi-Zentrum. Grundlage der Razzien war, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer kurz zuvor mehrere Vereine verbot, die als Vertreter der Hisbollah in Deutschland gelten.

Dieses Verbot wird damit begründet, dass sich die "Partei Allahs" den Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums nach "gegen den Gedanken der Völkerverständigung" richtet und "das Existenzrecht Israels nicht nur ablehnt, sondern zur gewaltsamen Beseitigung des Staates aufruft". Dabei propagiere sie auch "den bewaffneten Kampf mit terroristischen Mitteln".

Mit dem Verbot folgt Seehofer einem Betätigungsverbotsbeschluss des Bundestages aus dem Dezember, bei dem die FDP mit der Regierungskoalition gestimmt hatte. Grünen, Linke und AfD stimmten nicht dagegen, enthielten sich aber. In der Begründung dieses Beschlusses heißt es, man wolle damit "Finanzierungsströme aus Deutschland [unterbinden], die der Terrorfinanzierung der Hisbollah im Nahen Osten dienen".

17 Tage vor dem "Al-Quds-Aufmarsch"

Die viereinhalb Monate, die zwischen Beschluss und Verbot liegen, benötigten die deutschen Sicherheitsbehörden dem Innenministerium zufolge, um "Organisationsstrukturen und Unterstützer der Hisbollah in Deutschland zu identifizieren" und um Indizien und Beweise zu sammeln. Dass das Verbot und die Razzien vor dem 16. Mai geschahen, könnte damit zusammenhängen, dass die Flaggen der Hisbollah regelmäßig bei den Al-Quds-Aufmärschen in Berlin geschwenkt werden, die zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan stattfinden und die "Befreiung" Jerusalems fordern.

Einige Teile der Hisbollah waren in Deutschland bereits vor den jetzt verhängten Verboten nicht erlaubt - darunter deren "militärischer Arm", den die EU 2013 auf ihre Terrorliste gesetzt hatte. Die USA kritisierten diese Unterscheidung als künstlich, weil die Organisation (die nicht nur in Wahlen, sondern auch mit Waffen und Terroranschlägen um politische Macht ringt) selbst nicht zwischen einem militärischen und einem zivilen Arm differenziert. 2014 wurde außerdem der Verein "Waisenkinderprojekt Libanon" verboten. Ihm wurde vorgeworfen, mit gesammelten Spenden Hinterbliebene von Selbstmordattentätern unterstützt zu haben.

Fernsehsender bereits 2008 verboten

Das Hisbollah-Fernsehprogramm Al-Manar ("Der Leuchtturm") hatte die Bundesregierung bereits 2008 verboten (vgl. Schäuble verbietet Hisbollah-Sender Al Manar). Auf dem - so Alfred Hackensberger damals - "familienkompatiblen TV-Sender mit Kinderprogramm, Seifenopern, Sport und Kinofilmen" fragte man in Quizshows, ob es richtig sei, "dass der Märtyrer, Amar Hamoud, den Spitznamen 'Das Schwert aller Märtyrer" hatte?'" und "warnte", dass Reisen nach Israel lebensgefährlich seien.

Im Libanon, ihrem Heimatland, ist die Hisbollah nicht verboten, sondern gewinnt Parlamentswahlen (vgl. Libanon: Hisbollah-Sieg ohne größere Auswirkungen?https://www.heise.de/tp/features/Libanon-Hisbollah-Sieg-ohne-groessere-Auswirkungen-4044480.html). Zusammen mit der Amal stützt sie die aktuelle libanesische Regierung von Hassan Diab. Ihre Macht ist jedoch insofern begrenzt, als der Libanon eine so genannte "Konkordanzdemokratie" ist, bei der schon vor Wahlen feststeht, welche Volksgruppen welche wichtigen Staatsämter übernehmen. Sogar die Zahl der Sitze im Parlament ist bereits vorher ausgemacht - zwar nicht zwischen den Parteien, aber zwischen den ethnoreligiösen Gruppen.

Im Libanon gehört die Organisation zum Establishment

Wie sehr die Hisbollah im Libanon zum Establishment gehört zeigte sich während der Proteste im Herbst 2019, als schwarzgekleidete Anhänger der Schiitenpartei in Beirut mit Stöcken auf Demonstranten einprügelte und dazu "Nasrallah, wir beschützen Dich!" und "Nasrallah ist ehrenwerter als sie alle!" sangen. Damit bezogen sie sich auf ihren Parteiführer Hassan Nasrallah, dessen Abgang Teilnehmer an den Protesten vorher gefordert hatten (vgl. USA und Iran unterschiedlicher Ansicht zum Libanon).

Außer durch ihre Teilhabe an der libanesischen Günstlingswirtschaft (die Auslöser der Proteste war) büßte die Hisbollah aber auch durch die Coronakrise an Akzeptanz in der Bevölkerung ein: Ihre engen Beziehungen mit der Staatsführung im schon früh besonders stark von der Seuche getroffenen Iran führten dazu, dass sie sich einem Kappen von Verbindungen lange verweigerte, weshalb schiitische Pilger und andere Iranreisende maßgeblich zur Verbreitung des Sars-CoV-2-Virus im Zedernstaat beitragen konnten.

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