Psychische Störungen nehmen bei US-Soldaten im Kampfeinsatz zu

In den neuen Kriegen verletzen sich immer weniger Soldaten im Kampfeinsatz, riskanter ist das Training oder Freizeitaktivitäten

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In den modernen Kriegen ist die Zahl der getöteten Zivilisten im Verhältnis zu der getöteten Soldaten stetig gestiegen. In einer in der Zeitschrift Lancet erschienenen Studie wurde nun erstmals die "verborgene Epidemie" der modernen Truppen in asymmetrischen Kriegen im Irak und in Afghanistan untersucht. Während die Zahl der getöteten Soldaten auch dank besserer Ausrüstung sinkt, steigt die Zahl der nicht direkt im Kampfeinsatz verletzten Soldaten, die evakuiert werden müssen.

Für die Studie wurden die Daten von Pentagon-Mitarbeitern ausgewertet, die zwischen 2004 und 2007 aus dem Irak und aus Afghanistan zur Behandlung in das Militärkrankenhaus in Landstuhl gebracht wurden. Normalerweise wird nach zwei Wochen entschieden, ob die Soldaten wieder im Konfliktgebiet eingesetzt oder zur weiteren Behandlung in die USA geschickt werden.

Gen. William M. Fraser III besucht verletzte Soldaten in Landstuhl. Bilder U.S. Air Force

Während der vier Jahre wurden 34.000 Menschen in Landstuhl behandelt: 89 Prozent waren Männer, 82 Prozent waren in der Armee und 86 Prozent wurden im Irak verletzt. Der Anteil der Verletzten lag bei Armee, Marine, Luftwaffe oder bei den Marines mit 4-5 Prozent etwa gleich. Da aber die meisten Soldaten in der US-Armee eingesetzt waren, ist hier auch die absolute Zahl am höchsten. Höhere Offiziere und Frauen haben gegenüber einem durchschnittlichen 30 Jahre alten Soldaten mit einer im Kampf erlittenen Verletzung die doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, nach zwei Wochen wieder in den Einsatz geschickt zu werden, bei Menschen mit einer nicht im Kampf zugezogenen Verletzung oder Erkrankung liegt die Wahrscheinlichkeit 3,2 mal so hoch. Insgesamt kamen 79 Prozent der in das Krankenhaus eingelieferten Soldaten nicht wieder in ihre Einheit. 96 Prozent der im Kampf Verletzten kehrten nicht in den Einsatz zurück.

Auch die Art die Verletzungen und Erkrankungen, die eine Einlieferung in das Krankenhaus in Landstuhl notwendig machten, hat sich verändert. Standen im Ersten Weltkrieg bei den US-Soldaten Infektions- und Atemwegserkrankungen sowie Magen-Darm-Störungen an erster Stelle, so sind es nun Muskel- und Knochen- sowie Rückgratverletzungen, die sich die Soldaten nicht im Kampfeinsatz, sondern im Training oder in der Freizeit zuziehen. Im Ersten Weltkrieg kamen psychische Störungen erst an 11. Stelle, das blieb auch noch im Zweiten Weltkrieg so, in dem aber auf Atemwegs- und Infektionserkrankungen bereits nicht mit dem Kampfeinsatz verbundene Verletzungen folgten. Im Vietnamkrieg lagen letztere schon an erster Stelle, psychische Störungen stiegen auf Platz 6. Im ersten Golfkrieg standen bei den Einlieferungen ins Krankenhaus Verletzungen an erster Stelle, psychische Störungen lagen an achter Stelle.

24 Prozent der Verletzungen, wegen derer in Afghanistan oder im Irak eingesetzte Soldaten in das Krankenhaus in Deutschland eingeliefert wurden, waren Muskel- und Knochen sowie Bindegewebeverletzungen, danach kommen mit 14 Prozent erst Verletzungen oder Erkrankungen im Kampfeinsatz. 10 Prozent sind neurologische, 9 Prozent psychische Störungen und 7 Prozent Schmerzen in der Wirbelsäule. Der Anteil der Verletzungen und Erkrankungen, die nicht mit Kampfeinsätzen verbunden sind, lag in den vier Jahren jeweils zwischen 80 und 90 Prozent. Berücksichtigt wurden von der Studie nur die Fälle, die in Landstuhl behandelt wurden, Verletzungen oder Erkrankungen, die vor Ort im Irak und in Afghanistan behandelt wurden, konnten nicht berücksichtigt werden.

Danach ist der Kampfeinsatz deutlich weniger riskant als andere Tätigkeiten der Soldaten. Allein die neurologischen (13%) und die psychischen Störungen (13%) haben die Kampfverletzungen (12%) überschritten. In aller Regel werden Soldaten, die wegen psychischen Störungen im Krankenhaus in Landstuhl behandelt wurden, nicht mehr in den Einsatz zurückgeschickt.

Während sich der Anteil der übrigen Verletzungen und Erkrankungen nicht verändert hat, sind die psychischen Störungen 2004/2005 um 32,4 Prozent, 2005/2006 um 3 Prozent und 2006/2007 um 61,9 Prozent gestiegen. In Afghanistan ist die Zahl zunächst leicht gesunken, dann aber 2006/2007 gleich um 225 Prozent angestiegen. Dieser Anstieg sei auch deswegen überraschend, weil zur selben Zeit die Zahl der Psychologenteams zur Behandlung von Kampfstress stark angehoben wurde. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) überwiegen bei den psychischen Störungen. Man geht davon aus, dass 11-17 Prozent aller in Afghanistan und im Irak eingesetzten Soldaten darunter leiden oder gelitten haben.