Psychoneurobiologen: Handystrahlung beeinflusst Nahrungsaufnahme

Seite 2: Unbekannte Risiken

Wegen der Ergebnisse sollte man nun nicht in Panik verfallen. Sie zeigen aber einmal mehr, dass Technologie nicht nur Möglichkeiten, sondern auch Risiken birgt. Unser Wissen ist immer relativ dazu, wie wir testen: Die Abwesenheit von Evidenz ist nicht automatisch Evidenz für Abwesenheit.

Ich habe von 2004 bis 2009 mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) gearbeitet und dabei nicht nur Versuchspersonen gemessen, sondern oft genug selbst "im Scanner gelegen". Diese Apparate erzeugen mit ihren supraleitenden Spulen Magnetfelder, die viele Zehntausendmale stärker sind als das der Erde.

Dazu kommt ein – durch die sogenannten Gradientenspulen erzeugtes – variables Magnetfeld, mit denen man eine bestimmte Schicht im Gehirn (oder bei entsprechenden Untersuchungen andere Teile des Körpers) auswählt. Schließlich werden mit einem elektromagnetischen Signal die Wasserstoffatome in diesem Bereich "angestuppst", um aus der Reaktion Rückschlüsse auf den Zustand der ausgewählten Schicht zu ziehen.

Unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorschriften – beispielsweise zur Dauer der Messung und Entfernung von Metallteilen vom Körper – galt das Verfahren als sicher. Im Gegensatz zu anderen bildgebenden Verfahren der Hirnforschung musste man hierfür auch keine radioaktiven Kontrastmittel spritzen. Daher bezeichnet man die fMRT als "nicht-invasiv".

Gerade bei höheren Feldstärken wie sieben Tesla – zum Vergleich: In Mitteleuropa ist die natürliche Feldstärke rund 50 Mikrotesla, also millionstel Tesla, also 140.000 mal kleiner – berichten Menschen aber häufiger einmal über Schwindel oder Übelkeit. Die starken Magnetfelder scheinen also schon etwas mit uns zu machen.

Dass so eine Umgebung "in der Röhre" nichts für klaustrophobische Menschen ist, liegt auf der Hand. Hierzu gibt es versuche mit offenen Scannern, in denen man weniger das Gefühl der Eingeschlossenheit hat. Zudem ist ein Gehörschutz wichtig, weil die Gradientenspulen sehr viel Lärm erzeugen. Aus Sicherheitsgründen überwachen die Apparate die Aufnahme elektromagnetischer Strahlung durch den Körper und brechen die Messung beim Erreichen vorgeschriebener Grenzwerte ab.

Als Forscher, der mit dem Verfahren seine wissenschaftliche Karriere aufbaut, hat man hier natürlich einen Interessenskonflikt. Auch die Institute, die Millionen in die Geräte – von einflussreichen Firmen wie Siemens, Philips oder General Electric – und die aufwändig abgeschirmten Gebäude stecken, wollen es wahrscheinlich nicht zu genau wissen.

Mögliche Gefahren der fMRT

In den letzten Jahren wird in der Wissenschaft aber diskutiert, ob die elektromagnetische Strahlung der Magnetresonanztomographen zu kleinen genetischen Schäden führen kann. Die Lübecker Forscher verwendeten übrigens dieselben Apparate zur Messung des Gehirnstoffwechsels, doch mit anderen Sequenzen.

Eine Überblicksarbeit eines Forscherteams der Oxford Universität aus dem Jahr 2016 diskutiert zehn Studien zu den Risiken solcher genetischer Schäden und kommt zu einem gemischten Bild: In etwa die Hälfte fand keine Hinweise, die andere Hälfte aber sehr wohl mögliche Hinweise auf Veränderungen in der DNA.

Auch bei der normalen Zellteilung oder im Kontakt mit natürlichen Umwelteinflüssen entstehen permanent Veränderungen (Mutationen) in unseren Genen. Hierfür hat der Körper Reparaturmechanismen. Unter ungünstigen Umständen kann so aber ein Tumor entstehen.

Man sollte daher nicht jede Technologie als harmloses "Spielzeug" auffassen. Das Bundesamt für Strahlenschutz informiert auf seiner Website über elektromagnetische Felder:

Untersuchungen zeigten bisher keine direkten negativen biologischen und gesundheitlichen Wirkungen statischer Magnetfelder bis zu einer Magnetflussdichte von vier Tesla. Die Auswirkungen stärkerer statischer Magnetfelder müssen weiter erforscht werden.

Bundesamt für Strahlenschutz

Das scheint mir mit Blick auf die zitierte Überblicksarbeit nicht ganz korrekt, denn einige Hinweise fanden sich schon bei geringeren Feldstärken (z.B. 1,5 Tesla). Weitere Forschung zur Sicherheit beziehungsweise den Risiken elektromagnetischer Strahlung scheint mir darum gerechtfertigt.

Die Wissenschaftler aus Oxford zogen den Schluss, man brauche "mehr Forschung und weniger Angstmache". Nicht jeder Hinweis auf eine genetische Veränderung sei gleich ein Beleg für ein Krebsrisiko.

Natürlich haben die Hersteller von Mobiltelefonen das Thema Strahlenschutz auf dem Radar. Die gesetzlichen Grenzwerte gibt es nicht ohne Grund. In jedem Fall sollte man die Menschen aber ehrlich und umfassend informieren – und sich als einzelner, der sich Sorgen macht, zu längeren Gesprächen lieber persönlich treffen.

Ansonsten dürfte auch die Verwendung eines Headsets oder die Verwendung der Freisprechfunktion die Aufnahme elektromagnetischer Strahlung durch den Körper verringern. Dann hält man das Telefon immerhin nicht an den Kopf.

Und in der Medizin haben die diagnostischen Verfahren natürlich ihren Sinn, um Krankheiten zu entdecken und besser zu behandeln. Als Forscher in dem Bereich sollte man es mit der "Zeit in der Röhre" aber besser auch nicht übertreiben.

Hinweis: Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.