Putin: Von der Kneissl-Hochzeit zum Merkel-Termin
Außenminister Maas zufolge soll eine UN-Friedensmission dem Minsker Abkommen "eine neue Dynamik verleihen"
Anders als der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, der bei seinem Staatsbesuch in Deutschland am 28. September mit viel Pomp empfangen wird, verlief der gestrige Besuch des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ohne besondere Umstände. Die gab es dafür kurz vorher in einem anderen deutschsprachigen Land: in Österreich, wo die parteifreie Außenministerin Karin Kneissl Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen hatte.
Außer Blumen hatte der 65-Jährige der 53-Jährigen den berühmten Don-Kosaken-Chor mitgebracht, der dem Brautpaar und den Gästen ein russisches Ständchen sang. Die geschmückten Traktoren, die hinter Kneissls Pferdekutsche herfuhren, waren dagegen keine russischen, sondern steirische. Von einem der daran befestigten Anhänger winkte der freiheitliche Verkehrsminister Norbert Hofer. Sein Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und Wladimir Putin fuhren dagegen in gesicherten Dienstwagen zum Gasthaus, in dem Rindfleisch, Saibling und Kürbis-Tofu serviert wurde.
"Österreichischer Brückenbau in bester Tradition Bruno Kreiskys"
Während FPÖ-Regierungssprecher Heimo Lepuschitz die Einladung Putins als "österreichischen Brückenbau in bester Tradition Bruno Kreiskys" lobte, kritisierte der SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried den "Arbeitshochzeitsbesuch des russischen Präsidenten" als "befremdlich, naiv und geeignet, nachhaltigen Schaden an Österreichs außenpolitischer Position anzurichten". Als EU-Ratspräsidentschaftsinhaber dürfe man den russischen Staatspräsidenten nicht "in dieser Art und Weise hofieren".
Bruno Rossmann von der ebenfalls oppositionellen Liste Pilz bemängelte eine seiner Ansicht nach fehlende Trennung zwischen dienstlich und privat: "Wenn ein Kleinunternehmen private Anschaffungen in der Steuererklärung als Betriebsausgaben angibt, grenzt das an Steuerhinterziehung" - so der Fraktionsvorsitzende. "Für die Regierung gelten aber offenbar andere Regeln." Der Europapolitiker Michel Reimon von den seit der letzten Wahl nicht mehr im Nationalrat vertretenen (aber von österreichischen Medien immer noch gern gefragten) Grünen forderte seinen Ex-Parteifreund und Bundespräsidenten Alexander van der Bellen sogar dazu auf, Kneissl wegen der Hochzeitseinladung zu entlassen. Begründung: Ein "Despot" sei "nie privat", weshalb die österreichische Regierung nun "als verlängerter Arm des russischen Regimes in der Europäischen Union wahrgenommen" werde.
Damit machte er sich die Position der ukrainischen Außenpolitikausschussvorsitzenden Hanna Hopko zu eigen, die an Sebastian Kurz twitterte, wenn man Wladimir Putin zu seiner Hochzeit einlade, dann könne man "nicht länger neutral" und kein Vermittler mehr sein. In Russland sah man das - wenig überraschend - ganz anders: Da schrieb beispielsweise Wladimir Below vom Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften in der Wirtschaftszeitung RBK von einer "freundlichen Geste", und Wsgljad von einer "Frau, die sich nicht nur der atlantischen Politik, sondern auch der Kampagne zur Dämonisierung Putins entgegenstellt".
Weltpolitischer "Uhrenvergleich"
Nach einem Tanz mit der Braut flog Putin nach Deutschland weiter, wo er sich im Barockschloss Meeseberg kurz nach 18 Uhr mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel traf. Die Frankfurter Rundschau hatte spekuliert, "ob seine Stippvisite zur Hochzeit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl in der Steiermark am gleichen Tag als Anlass zu einer Verspätung dienen könnte [u]m die Kanzlerin zuerst mal warten zu lassen". Vorher hatte der Kremlsprecher Dmitri Peskow im Zusammenhang mit dem Treffen von einem weltpolitischen "Uhrenvergleich" zwischen Deutschen und Russen gesprochen.
Vom Inhalt des Gesprächs ist bislang lediglich bekannt, dass es bei Brandenburger Wild auf dem Teller um Syrien, die Ukraine und die Energiepolitik gehen sollte (vgl. Putin bei Merkel). Das bestätigten die beiden Machthaber gestern vor Beginn der Gespräche, nach der keine abschließende Pressekonferenz geplant war.
Von der Leyen und Maas
Vor dem Gipfel hatten russische Stimmen wie der Politologe Sergei Markow kritisiert, dass Merkel "gegen den Willen der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft eine Wiederannäherung an Russland" verhindere. Noch stärker attackiert wurde ihre Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die gefordert hatte, man müsse Russland aus einer "Position der Stärke" heraus gegenübertreten. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu meinte dazu, von der Leyen solle "noch einmal die Geschichte durchgehen" - und wenn sie nicht lese, dann solle sie "ihre Großväter fragen, was es bedeutet, mit Russland aus einer Position der Stärke zu sprechen". Die "würden es ihr wahrscheinlich sagen können". Von der Leyens Großvater väterlicherseits starb allerdings bereits 1965, der weniger prominente Vater ihrer 2002 verstorbenen Mutter Heidi Strohmeyer dürfte ebenfalls nicht mehr am Leben sein.
Außer von der Leyen machte auch Außenminister Heiko Maas mit Russlandkritik auf sich aufmerksam. Der Welt am Sonntag sagte der SPD-Politiker, Moskau wolle ein "weltpolitisches Vakuum", das Donald Trump seiner Meinung nach "hinterlässt", "machtbewusst nutzen". Die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation werde er nicht anerkennen, weil das "womöglich eine Einladung an andere [wäre], völkerrechtswidrig zu handeln".
Andere Teile des Gesprächs deuten darauf hin, dass Maas die Öffentlichkeit vorsichtig auf eine Situation vorbereiten könnte, in der die italienische Regierung aus Lega und M5S eine nochmalige Verlängerung der EU-Russlandsanktionen verweigert. Diese Sanktionen, so der SPD-Politiker, hingen von der "Umsetzung der Minsker Abkommens" ab, dem man mit einer UN-Friedensmission "eine neue Dynamik verleihen" wolle.
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