Putin schafft Kontrollbehörde für alle Medien

Mit einer Anweisung hat der russische Präsident eine Behörde geschaffen, die alle Medien und Kommunikationsmittel mitsamt Inhalten kontrolliert und überdies Zugriff auf eine Datenbank mit persönlichen Daten aller Bürger hat

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Als Journalist lebt es sich in Russland nicht ungefährlich. Erst am 2. März ist Ivan Safronov von der Zeitung Kommersant durch einen Sturz vom 5. Stock eines Hauses gestorben. Zuletzt hatte über russische Waffenverkäufe an den Iran und andere Länder im Nahen Osten recherchiert. Kommersant ist der Überzeugung, dass es sich nicht um einen Selbstmord handelt. Unaufgeklärt ist weiterhin der Mord an der Journalistin Anna Politkovskaya. Nach dem Committee to Protect Journalists ist Russland für Journalisten nach Irak und Algerien das dritttödlichste Land. Daneben geht die Kontrolle der Medien in Putins "gelenkter Demokratie" weiter. Jetzt hat russische Präsident einen Erlass unterzeichnet, der ein Superministerium für alle Medien schafft.

Alle landesweit sendenden TV-Stationen sind bereits in staatlicher Hand oder unter der Kontrolle staatlicher Konzerne wie Gasprom. Das gilt auch für die großen überregionalen Zeitungen, auch wenn es hier noch kein Monopol gibt. Auch wenn es wenig direkte Zensur gibt, so halten sich die Medien mit Kritik und auch mit der Berichterstattung über die Opposition, Proteste und Demonstrationen doch weitgehend zurück.

Bei den Regionalwahlen haben die Kreml-Parteien Geeintes Russland und Gerechtes Russland gewonnen und damit die Macht des Präsidenten gestärkt. Vermutlich auch in Vorbereitung auf die Präsidentschaftswahlen 2008 hat nun der russische Präsident Putin, der dann verfassungsgemäß abtreten muss, eine Anordnung zur Zusammenlegung der Föderalen Aufsichtsbehörde für Kommunikation und der für Massenmedien und dem Schutz des kulturellen Erbes zur alles abdeckenden Aufsichtsbehörde für Massenmedien, Kommunikation und dem Schutz des kulturellen Erbes erlassen. Die neue Superbehörde kontrolliert die Massenmedien (Fernsehen, Radio, Zeitungen), das Internet, die Telekommunikation. Innerhalb von drei Monaten muss nun die Regierung dementsprechend die Kompetenzen der Ministerien für Informationstechnologien und Kommunikation, für Kultur und Massenkommunikation und für Presse- und Massenkommunikation anpassen.

Die Nachrichtenagentur RIA Novosti meldete nur, dass der Kreml damit angeblich breiteren Bevölkerungsschichten Zugang zum russischen Erbe schaffen und einen freien Markt für die Informationstechnologie schaffen will. Kritiker würden vor einer schlecht funktionierenden Monsterbehörde warnen.

Kommersant nennt die neue Behörde eine "Mega-Kontrollinstanz", die sowohl die Informationsmittel als auch die Inhalte regulieren soll. Zweck der Behörde ist es nach der Anordnung, die Effizienz der Regierung zu verbessern, Widersprüche zwischen den Ministerien und die aus der Verwaltung kommenden Hindernisse für den Fortschritt der Informationstechnologien zu beseitigen sowie "das System für ihre Kontrolle" zu erleichtern.

Richtig deutlich will man es in Kommersant nicht sagen, aber die Angst besteht, dass die Superbehörde für alle Medien, Frequenzen und Telekommunikationsmittel die Medienlandschaft in Russland weiter verändern wird. "Sehr einflussreich" werden sie "für Medien- und Telekommunikationsunternehmen und für politische Themen" sein, heißt es vorsichtig. Schließlich kann die Behörde Sender, Medien und Provider verbieten. Und, so Kommersant, die Behörde führt auch eine Datenbank mit den persönlichen Daten aller russischen Bürger. Bislang war das Internet in Russland relativ frei, damit könnte es nun auch zu Ende sein und mit der "gelenkten Demokratie" auch die Ära von allseits "gelenkten Medien" beginnen. Gerade die enge Verbindung der Kontrolle von Inhalten und der Lizenzierung von Medien wird für einen weiteren Rückgang von unabhängigen Medien sorgen. Und die Kontrolle über das Internet mit dem Zugang zu persönlichen Daten aller Russen könnte auch dafür sorgen, dass die freie Meinungsäußerung auch im Ausland weiter beschnitten wird. So bloggen beispielsweise Hunderttausende von Russen auch aus Gründen der Sicherheit auf der US-Plattform Livejournal.com.