Putintrolle kommen als Weihnachtsmann

Bild: Onderwijsgek/CC BY-SA-3.0

Manipulieren die Russen außer den Wahlen jetzt auch noch Weihnachten?

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Wenn in diesen Tagen überall rundliche Männer in roten Mänteln mit weißem Pelzbesatz auftauchen, wissen alle Kinder, dass bald Weihnachten ist. Die Erwachsenen erzählen ihnen die Geschichte, dass der Weihnachtsmann im Rentier-Schlitten über den Himmel gezogen wird und überall Geschenke verteilt. Die liefert er, indem er mit seinem Sack durch den Kamin hinabsteigt und sie unter dem grünen Baum ablegt, den die Menschen zu Weihnachten in ihren Häusern aufstellen. Um sodann mit einem fröhlichen "HoHoHo" auf seinem magischen Schlitten wieder zu verschwinden.

Soweit der alte Mythos, oder wie es neuerdings heißt, die "Fake News", der sich die allgemeine Beliebtheit des Weihnachtsmanns verdankt. Klopft man diese nun auf ihren Realitätsgehalt ab - wie es neuerdings Großmedien und Regierungen tun, um die merkwürdige Beliebtheit des Präsidenten mit der Eichhörnchenfrisur zu entschlüsseln -, kommt man in Sachen Weihnachtsmann erstaunlicher Weise zu demselben Ergebnis wie die "Washington Post" in Sachen Trump: Die Russen stecken dahinter!

Der Mann, der uns mit roten Backen, weißem Bart und rot-weißem Mantel von jedem Werbeplakat und jeder Schoko-Verpackung anlacht, ist tatsächlich Russe. Er stammt aus Sibirien. Bevor er als "Nikolaus" oder "Santa Claus" weltweit bekannt und zu einer mythischen Figur wurde, arbeitete er als Schamane bei den halb-nomadischen Stämmen, die im Nordosten der sibirischen Tundra in symbiotischer Gemeinschaft mit ihren Rentier-Herden lebten. Diese Tiere sicherten ihnen in den eisigen Wintern nicht nur ihre Existenz, sie teilten mit ihren Hirten auch die Vorliebe für das Sakrament, das im Zentrum der schamanischen Kultur Sibiriens stand: Amanita muscaria, der Fliegenpilz.

Als der Wall Street-Banker Gordon Wasson mit seiner russischstämmigen Frau Valentina Anfang der 50er Jahre ein Buch über die historische russische Küche verfasste, ahnte er noch nicht, dass er bald darauf neben der Herkunft des Weihnachtsmanns einen kultur,- und religionsgeschichtlichen Meilenstein aufdecken sollte: die zentrale Rolle bewusstseinsverändernder Pflanzen und magischer Pilze für die menschliche Kultur.

Wassons spektakulärer Bericht über die Pilz-Rituale mexikanischer Schamanen, der 1958 im "Life"-Magazin erschien, gilt heute nicht nur als Startsignal der Hippie-Bewegung, seine damals aufsehenerregende These, dass es sich bei dem in den uralten Hymnen des indischen Rig Veda besungenen "Soma", dem heiligen Trank göttlicher Visionen, um den Fliegenpilz handelte, ist in der Forschung weitgehend anerkannt. Erstmals auf die Bedeutung des heiligen Pilzes gestoßen war Wasson bei den Rentierhirten in Sibirien, die den Winter in ihren aus Holz und Rentierhäuten gebauten Jurten verbringen. Bei hohem Schnee verlassen sie ihre Behausung nach oben durch den Kamin, und dort steigt auch der Schamane ein und bringt die rot-weißen Pilzgeschenke, die er im Wald gesammelt hat.

Der rot-weiße Pilz: Treibstoff für den Flug der Seele

Wenn also die lieben Kleinen fragen, warum an Weihnachtsbäumen ausgerechnet rot-weiße Pilze aufgehängt werden und der Weihnachtsmann immer in diesen Farben und durch den Kamin ins Haus kommt - und man nicht mit Fake News antworten will - müsste man erzählen: Pilze leben eigentlich unter der Erde, was wir von ihnen sehen, sind nur ihre Früchte. Der Fliegenpilz wächst in Symbiose vor allem mit den Wurzeln von Birken, dem heiligen Baum der Russen, und Tannen, unserem Weihnachtsbaum.

Weil die Pilze so plötzlich aus der Erde kommen, bezeichnet man ihr Erscheinen auch als jungfräuliche Geburt - und diese feierte man zur Wintersonnenwende. In Indien presste man den Saft der Fliegenpilze, um daraus den heiligen Trank "Soma" zu gewinnen, in Sibirien hängte man sie an Bäumen auf , um sie zu trocknen. Roh verzehrt können die Pilze Übelkeit verursachen, getrocknet versetzen sie das Bewusstsein in visionäre Zustände - sie verbinden den Schamanen mit dem Baum des Lebens von seinen unterirdischen Wurzeln bis an seinen höchsten Ästen im Himmel. Er versetzt sich in den Geist der Rentiere und fliegt mit ihnen davon.

In "Soma - The Divine Mushroom of Immortality" (1968) berichtet Wasson auch über die Besonderheit der psychoaktive Wirkstoffe der Fliegenpilze - sie behalten Wirkung auch noch, wenn sie das Verdauungssystem durchlaufen haben und im Urin gelandet sind - sowie von dem Brauch, dass die Hirten nach dem Genuss der Pilze ihren Urin sammelten um ihn dann ihrem liebsten Rentier zu trinken zu geben.

Die Symbiose der Hirten mit ihren Herden scheint also nicht nur auf biologischer, sondern auch auf kulturell/spiritueller Ebene zu laufen: Gemeinsam mit seinem Krafttier geht der Schamane auf einen Trip in höhere Sphären, wo er sein Wissen über die Heilung von Krankheiten bezieht und als Geschenk auf die physikalische Ebene zurück bringt. Seine roten Backen - und auch die rote Nase des Rentiers "Rudolf" - sind auf die Hautrötungen zurückzuführen, die Amanita muscaria verursacht und seine Kleidung, sowie das ganze Rot-Weiß sind nichts anderes als der Pilz selbst, der Treibstoff für den Flug der Seele.

Auf Felszeichnungen im Nordosten Russlands, deren Entstehung auf 1000 v. Chr. datiert wird, sind Rentiere mit tanzenden Menschen zu sehen, die große, pilzartige Hüte tragen. Auch bei den Ritualen des Mithras-Kults im vor-christlichen Rom, als dessen Symbol rote Hüte galten, stand ein Fliegenpilz-Gebräu im Zentrum. So rigoros das aufsteigende Christentum dann mit diesen Ursprüngen der Religion aufräumte kam es an der tiefen Bedeutung und Symbolik ihrer Gebräuche nicht vorbei.

Wie den eingeweihten Mithras-Jünger verpassten sie ihren Würdenträgern vom Bischof aufwärts rote Hüte und setzten an die Stelle des sibirischen Schamanen ihren beliebtesten Heiligen und Freund aller Kinder, den Nikolaus. Weil auch das noch nicht verhindern konnte, dass sich die alten Bräuche und Sakramente weiter hielten - und etwa die Heiler der Koryaken in Sibirien bis in unsere Zeit im rot-weißen Gewand Pilze sammeln - erklärte Papst Gregor den "Santa" dann definitiv zum "Satan". So wurde der heilige Pilz zum Hexengebräu und Teufelswerk.

Und doch ist der unterirdische Symbiont der Tanne, das stille und stumme "Männlein im Walde", nach wie vor anwesend wenn es im christlichen Abendland auf die Zeit und die Feier der Wintersonnenwende zugeht: wir holen Tannen ins Haus, schmücken sie in rot und weiß und der Weihnachtsmann kommt in denselben Farben. Warum sich Amanita muscaria trotz aller Verbannung und Unterdrückung gehalten hat, nicht als Giftling aus dem Reich des Bösen, sondern als Glückspilz und Freund aller Kinder bis hin zur Trophäe von Nintendos Super-Mario - auch diese symbolische Bedeutung hat fraglos mit der geistbewegenden Wirkung des Pilzes zu tun.

Passend dazu berichten die Agenturen dieser Tage über eine Studie der "New York University" mit mexikanischen Zauberpilzen, denen die Forscher "beispiellose" Wirkung im Kampf gegen Depressionen bescheinigen. Eine winzige Portion "Magic Mushrooms" könne Angstzustände beseitigen, und zwar für Monate."

Die Schamanen vor 3000 Jahren wussten offenbar gut Bescheid, weshalb sie als Weihnachtsmänner bis heute so beliebt sind - auch wenn sie keinen Treibstoff für die Seele mehr bringen, sondern als Drogendealer nur noch Süßkram und Plastik...