Putschisten in Bolivien gespalten, Streit vor OAS
Ex-Präsident und De-facto-Präsidentin im Clinch. Armeeführung erneut ausgetauscht. Mexiko fordert Untersuchung von Putschvorwürfen
In Bolivien kommt es wenige Wochen vor erneuten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu deutlichen Brüchen im Lager der Putschisten. Der ehemalige Staatschef (2003-2005) Carlos Mesa warf De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez nun vor, staatliche Mittel für ihre Wahlkampagne zu missbrauchen.
Mesa und Áñez hatten den Sturz des letzten demokratisch gewählten Präsidenten von Bolivien, Evo Morales, im Herbst vergangenen Jahres unterstützt. Nun kommt es zwischen den beiden rechtsgerichteten Politikern zu immer offener ausgetragenen Konflikten, die gegebenenfalls sogar in der Rückkehr der Morales-Partei Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) in die Regierung münden könnte. Carlos Mesa ist Kandidat des bürgerlich-liberalen Bündnisses Bürgergemeinschaft (Comunidad Ciudadana, CC) während Áñez für die rechtskonservative Allianz Gemeinsam (Juntos) antritt.
Die Neuwahlen am 3. Mai sind nötig, nachdem Morales am 10. November in einem von Polizei und Armee unterstützen Putsch aus dem Amt gedrängt wurde. Zuvor war dem linksgerichteten Politiker vorgeworfen worden, die Auszählung nach den Wahlen am 20. Oktober manipuliert zu haben. So soll die Wahlbehörde das Ergebnis derart verändert haben, dass Morales, der unbestritten die einfache Mehrheit erreicht hatte, eine Stichwahl hätte vermeiden können. Nachdem die US-nahe Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Betrugsvorwürfe der Opposition in umstrittenen Stellungnahmen bekräftigte, kam es zum Aufstand von Polizei und Armee, der Morales zur Flucht ins Exil zwang.
Während die MAS nun relativ geschlossen zu den Neuwahlen antritt - und dabei mit Kriminalisierung und Kandidatenausschlüssen zu kämpfen hat -, ist die Rechte gespalten. Auf die Frage nach Vorwürfen wegen des Missbrauchs staatlicher Ressourcen durch die Áñez-Kampagne sagte Mesa nun: "Dies ist das problematischste Thema, dem wir uns gegenüber sehen. Wir könnten von einem Wahlbetrug in den nächsten stolpern." Der Rückgriff auf staatliche Gelder für die Wahlkampagne von Áñez sei ein klarer Rechtsverstoß, so Mesa.
Der gemäßigt konservative Politiker rangiert in den Umfragen bislang hinter Luis Arce von der MAS. Áñez, die eine eigene Kandidatur ursprünglich vehement abgelehnt hatte, scheint jedoch wild entschlossen, im Amt zu bleiben. Bolivianische Medien berichteten mehrfach, dass Parlamentarier und Funktionäre ihre Ressourcen rechtswidrig benutzen, um für die Wahl der Rechtskonservativen zu werben.
Dass ihre Macht keineswegs gefestigt ist, zeigt eine Entscheidung vor wenigen Tagen. Knapp vier Monate nach ihrer Selbsternennung tauschte Áñez zum zweiten Mal die Armeeführung aus. Oberkommandierender der bolivianischen Armee ist nun Rubén Salvatierra Fuentes. Er löste Iván Patricio Inchausti Rioja ab, der erst am 13. November 2019 vereidigt worden war.
Außenpolitisch steht die De-facto-Regierung von Áñez weiterhin unter massivem Druck. Nachdem Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) der These eines Wahlbetrugs erneut widersprachen, forderte Mexiko vor der OAS eine unabhängige Untersuchung. Ramiro Jáuregui, Boliviens Repräsentant vor der in Washington ansässigen Regionalorganisation, warf Mexiko daraufhin Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes vor. Mexikos Botschafterin Luz Elena Baños verteidigte die Position ihrer Regierung. Man habe den OAS-Generalsekretär lediglich gebeten, die gegensätzlichen Ergebnisse der OAS-Position und der MIT-Studie von unabhängiger Seite klären zu lassen.
Mexikos Position wird unter anderem von Argentinien unterstützt. Auch Präsident Alberto Fernández kritisierte die Position der OAS: "Wie ich immer wieder betont habe, wurde die Rechtsstaatlichkeit in Bolivien durch das Vorgehen der Streitkräfte und Teile der Opposition und mit der ausdrücklichen Komplizenschaft der OAS verletzt." Bolivien erhält in der OAS vor allem von den USA und Brasilien Rückendeckung.
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