Frankreich vor Intervention im Niger? Nachbarn drohen mit Krieg

Opération Barkhane im Tschad. Archiv-Foto (2014): U.S. Army Africa photos by Chief Warrant Officer 3 Martin S. Bonner/ CC BY 2.0

Militärjuntas aus Burkina Faso und Mali kündigen Kriegserklärung an, falls der abgesetzte Präsident in Niger mit Gewalt befreit wird. Auch die USA haben dort wichtige Militärbasen. Wie es im Konflikt weitergeht.

Die Militärregierungen aus Burkina Faso und Mali haben den Einsatz erhöht. In einem gemeinsamen Kommuniqué drohte Colonel Abdoulaye Maïga, Interimspremierminister der malischen Regierung, mit einer "Kriegserklärung" der beiden Länder, falls es zu einer militärischen Intervention in Niger komme.

Damit gedroht hatten die Staatschefs der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas, die am Sonntag verkündeten, dass sie eine Gewaltanwendung nicht ausschließen würden. Eine Woche hätten die Putschisten Zeit, so das Ecowas-Ultimatum, um den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum wieder einzusetzen. Falls das nicht geschehe, würden alle Optionen in Betracht gezogen, einschließlich einer militärischen Intervention.

Vergiftet

Dazu kam der Wirbel, den die Putschisten mit der Behauptung erregten, wonach Mitglieder der abgesetzten Regierung mit Paris eine Vereinbarung getroffen hätten, derzufolge es Frankreich erlaubt sei, mit militärischen Mitteln den Präsidenten aus den Händen der Putschisten zu befreien. Paris hat dies mittlerweile vollständig dementiert.

"Das ist falsch", so die französische Außenministerin Catherine Colonna: "Man muss die Intox zerlegen und darf nicht auf den Trick hereinfallen."

Mit Intox, auf Deutsch: Vergiftung, bezeichnet man im Französischen Fake News. Bezeichnend für laufenden Konflikt ist der generelle Verlust der Glaubwürdigkeit Frankreichs, sowieso bei den Putsch-Regierungen in der Sahelzone, aber auch in weiten Teilen der Bevölkerung. Da helfen Desinformations-Aufklärungen über ein Gerücht unter tausend anderen nicht grundlegend.

Evakuierung von Franzosen und Europäern

Gehört werden die Botschaften, die zu den Einstellungen und Erfahrungen passen, und die sind weitaus stärker anti-französisch und anti-westlich ("eine kollektive Niederlage") geprägt, als man es in den Geheimdienstzentralen wahrnehmen wollte.

Frankreich muss nun einiges Fingerspitzengefühl zeigen. Heute beginnt man mit der Evakuierung von Hunderten Personen mit französischen Pässen sowie Europäern aus Niger.

Angesichts der Lage in Niamey, der Gewalt gegen unsere Botschaft vorgestern und der Schließung des Luftraums, die unseren Landsleuten keine Möglichkeit lässt, das Land auf eigene Faust zu verlassen, bereitet Frankreich die Evakuierung seiner Staatsangehörigen und der europäischen Staatsangehörigen vor, die das Land verlassen möchten.

Französisches Außenministerium

"Die Evakuierungsaktion wurde mit den nigerianischen Streitkräften koordiniert", zitiert Le Monde das Ministerium. Laut Angaben der Zeitung befinden sich etwa 600 Personen mit französischer Staatsbürgerschaft in Niger.

Uran-Abbau in Niger: Große Sorge

Nicht alle wollen das Land verlassen, heißt es in dem Bericht. Offen bleibt dort, wie viele Europäer von Frankreich evakuiert werden. Offen bleibt auch, was mit den französischen Angestellten im Uran-Abbau geschieht. Bislang hieß es, dass die Geschäfte des Unternehmens Orano weiterlaufen.

Allerdings hat man einen Krisenstab eingerichtet und ist besorgt, ob die 300 nigrischen Soldaten, die den Uran-Abbau in Arlit absichern, dies künftig auch machen oder ob sie die Kontrolle übernehmen. Die französischen Angestellten arbeiten derzeit im Homeoffice, meldet Europe 1.

Frankreich bezog zwischen 2005 und 2020 etwa 18 Prozent der Natururanimporte aus Niger.

Ausländische Militärs in Niger

Die Frage, wer noch in Niger bleibt, ist nicht nur für französische Staatsangehörige offen. Der Konflikt in Niger hat Auswirkungen auf die Sahelzone und die angrenzenden Länder. Algerien ist besorgt wegen möglicher Flüchtlingswellen. Die Angst vor einer Ausweitung der Krise dürfte auch in Libyen präsent sein, das seit vielen Jahren ein failed state ist, ohne verlässliche Institutionen, aber mit kampfbereiten Milizen, zutreffen.

Laut Reuters stellen die USA mit etwa 1.100 Soldatinnen und Soldaten nach Frankreich (1.500) das größte ausländische Militärkontigent in Niger. Dem folgt Italien mit 300 Soldatinnen und Soldaten und die Ausbilder der EU mit 50 bis 100 Soldatinnen und Soldaten.

USA: Zwei Militärbasen

Die USA unterhalten zwei Militärbasen in Niger. Das Land ist für Drohnen-Operationen wichtig. Bislang übt sich US-Africom in auffälligem Schweigen zur Situation im Land, das strategisch, nicht zuletzt wegen der Rohstoffe, eine wichtige Rolle spielt.

Um die Präsenz und die Mission der US-Truppen in Niger hatten man in den USA lange ein Geheimnis gemacht, wie die New York Times 2018 anlässlich des Todes von vier US-Soldaten durch IS-Kämpfer ans Licht brachte.

Bislang sind die Vermittlungsversuche in Niger noch von keinem Erfolg gekrönt. Auch die Vermittlung des Präsidenten des Tschad, Mahamat Idriss Déby Itno (alias Mahamat Kaka) - auch er ist ein Putschist -, brachte außer Hoffnung und Floskeln nichts zuwege.

Es gab einig Hundert Putsche in Afrika, eigentlich müsste man etwas daraus gelernt haben. Die Fortschritte im Umgang mit Staatsstreichen sind jedoch bescheiden.

Die Ausbildung der Zauberlehrlinge

Interessant ist die Beobachtung eines französischen Afrika-Kenners, der in der Publikation Jeune Afrique auf ein ganz spezielles Scheitern der westlichen Militärhilfe hinweist, das auch im Fall Niger zu beobachten ist.

Der abgesetzte Präsident Mohamed Bazoum war offenbar in Begriff, den Sicherheitsapparat umzugestalten. Das traf auf Besorgnisse in der Militärführung, wo man um Macht, Posten und Einkommen fürchtete.

Der Putsch von Abdourahamane Tiani (in Niger, Anm. d. A.) ist (…) lehrreich. Zunächst einmal zeigt er das Scheitern der westlichen militärischen Zusammenarbeit auf, die in Wirklichkeit viel eher dazu dient, Putschisten auszubilden und auszurüsten, als die dschihadistischen Gruppen in der Sahelzone wirksam zu bekämpfen.

Darüber hinaus zeigt er alle Schwierigkeiten auf, auf die afrikanische Präsidenten - ob gewählt oder nicht - stoßen, sobald sie eine Reform ihres Sicherheitsapparats mit all den damit verbundenen Risiken von Meuterei und Putschen in Erwägung ziehen.

Marc-Antoine Pérouse de Montclos