Putsch im Niger: Startet Frankreich den Uran-Krieg?

Französische Luftwaffe: Wie lange bleibt die Haube drauf? Französische Drohne von Dassault Aviation. Archivbild (Ausstellung 2013): Aerolegende / CC BY-SA 3.0

Militärjunta beschuldigt abgesetzte Regierung, dass sie Paris Erlaubnis zum Militärschlag gegeben habe. Regierung Macron dementiert nur halb. Wie steht es um die Abhängigkeit des Atomparks von Uran aus Niger?

Frankreichs Regierung soll von der gestürzten Regierung in Niger dazu ermächtigt worden sein, militärische Angriffe auf das Präsidentenamt auszuführen, um den abgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum zu befreien.

Die Nachricht, die für Wirbel und Spekulationen sorgt, stammt, wie Reuters berichtet, von Colonel Amadou Abdramane, einem der führenden Männer hinter dem Staatsstreich. Vergangene Woche war es Abdramane, der in Gegenwart von neun Militärs die Machtübernahme verkündete (siehe hier im Vordergrund, in auffallender blauer Uniform).

Im Staatsfernsehen sprach Amadou Abdramane gestern davon, dass die Erlaubnis für ein militärisches Eingreifen der französischen Armee von Hassoumi Massoudou sowie angeblich vom Chef der Nationalgarde, unterzeichnet wurde. Massoudou war Außenminister der abgesetzten Regierung. Gegenwärtig reklamiert er für sich das Amt als Chef der Interimsregierung. Auf der internationalen Ebene fungiert er als Ansprechpartner in Niger.

Gegenüber Reuters äußerte sich der Interims-Premierminister nicht zur Behauptung des Putsch-Generals. Sie wurde gestern rasch in sozialen Medien verbreitet, wo sie wie eine Tatsache weitergegeben wurde, ohne auf die Interessen dieser Kommunikation für die Sache der Putschisten einzugehen.

"Übertriebene Anschuldigung"

In Paris wird dies, wie Le Monde berichtet, als "übertriebene Anschuldigung" behandelt, "auf die bislang niemand eine Antwort für nötig hielt". Das wiederum ist in diesem Wortlaut kein komplettes Dementi.

Offiziell hält sich die französische Regierung mit Drohungen zurück. Aus dem ganz einfachen Grund, dass Paris, anders als die Putschisten, kein Interesse daran hat, das anti-französische Klima im Land und besonders unter den Anhängern des CNSP, so die Selbstbezeichnung der neuen Machthaber (auf Deutsch: Nationalrat zur Rettung des Vaterlandes), weiter aufzuheizen.

Allerdings hat die französische Regierung unmittelbar alle wirtschaftliche Hilfe ausgesetzt. Eine militärische Aktion, so ließ man durchblicken, sei aber vorstellbar, wenn es um die Sicherheit der französischen Bürger in Niger gehe. Dabei solle es sich um etwa 500 bis 600 Personen handeln.

Die Nachricht von der Erlaubnis an Frankreich, militärische Schläge gegen den Präsidentenpalast und folglich gegen die Militärjunta auszuführen, führt zu Spekulationen darüber, ob das Land mit militärischer Macht den Nachschub an Uran sicherstellen will, den es für seinen Atompark braucht.

Uran aus Niger: Das größere Problem hat die EU

Ein Echo dieser Spekulationen hallt in französischen Medienberichten nach, die unterstreichen, dass Frankreich nur zu einem kleinen Teil Uran aus Niger für seine Kernkraftwerke braucht. Während die Tagesschau am gestrigen Sonntagabend von "über 30 Prozent des Urans" berichtet, das Frankreich für seine Atommeiler braucht und aus Niger bezieht, geben französische Medien weitaus niedrigere Zahlen an.

Das größere Problem hat demnach Europa. Nach Angaben von Stéphane Lhomme, dem Gründer und Chef des Observatoire du nucléaire, machen die Uranimporte aus Niger 15 Prozent der gesamten Uranimporte aus, wie der Sender TF 1 berichtet.

Laut dem Sender ist Niger in der Europäischen Union "nach wie vor das wichtigste Importland für Natur-Uran". Laut der Europäischen Versorgungsagentur Euratom (ESA) sollen im Jahr 2021 24 Prozent der Lieferungen an die EU aus Niger gekommen sein. Das Land liege damit noch vor Kasachstan und Russland.

Die Größenordnung, die der Anti-Atom-Aktivist Stéphane Lhomme genannt hat, wird von der französischen Unternehmensgruppe Orano, zuständig für den Abbau von Uran in Niger, bestätigt.

Nach ihren Schätzungen sind es 10 bis 15 Prozent des Urans aus Niger, die für den französischen Atompark gebraucht werden.

Man habe sich diversifiziert, so das Unternehmen gegenüber Le Monde. Als alternative Bezugsländer werden Kanada und Kasachstan genannt. Die Sorge, dass der Uran-Abbau in Niger gefährdet ist, kennt man schon länger.

Bislang waren es die islamistischen Terrorgruppen, Islamischer Staat und al-Qaida, die einen Ausfall befürchten ließen.

Was den gegenwärtigen Putsch angeht, so gibt man sich noch keiner Panik hin. So werden in einem aktuellen Artikel in Le Monde von einem Experten noch niedrigere Zahlen genannt und auf beruhigende Reserven verwiesen.

Was die Versorgung angeht, "würde es kurzfristig keine Krise geben, da die Vorräte groß sind, auch wenn es langfristig unsicherer ist", erklärt der unabhängige internationale Analyst Mycle Schneider. Allein der Energieversorger EDF verfügt über Brennstoffreserven im Gegenwert von mindestens zwei Jahren. Der "Yellow Cake", das gelbe Uranpulver aus Niger, deckt nur 10 % des Bedarfs der französischen Atomkraftwerke.

Le Monde

Ein weiterer Experte verweist darauf, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Unternehmen und Niger weiterlaufen. Sie wurden nicht unterbrochen und das stünde in einer gewissen Tradition: "In den meisten Staatsstreichen, die Niger erlebt hat, wurde der Uransektor nie grundlegend infrage gestellt", so Emmanuel Grégoire, emeritierter Forschungsdirektor am Institut de recherche pour le développement (Forschungsinstitut für Entwicklung).

Zwar sei es noch zu früh, um die gegenwärtige Lage einzuschätzen, aber Mali und Burkina Faso, wo ebenfalls Putschisten, die sich gegen Frankreich wenden, an die Macht gekommen sind, "haben ihre Beziehungen zu französischen Unternehmen bislang nicht abgebrochen".

Fehler in der Wahrnehmung: Versagen der Geheimdienste

Ob die Rechnung des Experten auch diesmal aufgeht, ist derzeit nicht zu sagen.

Klar ist hingegen, dass die französische Politik in Niger zu einer starken Aversion gegen Frankreich geführt hat. Und dass die Verantwortlichen in Paris dort nicht genau hingeschaut haben, dass die Wahrnehmung der Verhältnisse von großer Ignoranz gekennzeichnet sind.

Dazu der Sicherheitsanalyst Jean-Dominique Merchet:

Wie konnte Frankreich unter diesen Umständen von einem Staatsstreich in Niger überrascht werden, wie es bereits zweimal in Mali der Fall gewesen war? Mit halben Worten gibt der Generalstab der Streitkräfte zu, dass er "nicht unbedingt" wusste, dass sich in den letzten Tagen etwas zusammenbraute.

Dennoch gab es seit mehreren Wochen Spannungen zwischen Präsident Bazoum und dem Chef seiner Präsidentengarde, General Tchiani. Aus Angst vor seiner Entlassung übernahm dieser schließlich die Macht und zog wohl oder übel einen Teil der Armee mit sich.

Der französische Geheimdienst hatte eindeutig versagt. Entweder fehlten die Quellen und Sensoren oder - was wahrscheinlicher ist - die Analyse der gesammelten Fakten war nicht die richtige, weil sie nicht den Ansichten der politischen Macht entsprach. Ähnlich wie im Februar 2022, als die französischen Dienste nicht an die russische Invasion in der Ukraine glauben wollten, obwohl sie über alle Informationen zu deren Vorbereitung verfügten.

Jean-Dominique Merchet

Der grundlegende Fehler, so Merchet, liege darin, dass sich der französische Geheimdienst auf zwei Feinde konzentriert habe, die Terrorgruppen und die russische Gruppe Wagners. Dafür habe man völlig vernachlässigt, auf die lokalen Gesellschaften, Mächte und Armeen zu achten.