Qualität in der Mogelpackung
Die kommende Mehrwertsteuererhöhung wird von Unternehmen benutzt, um heimlich die Preise heraufzusetzen - manchmal bis zu 40 Prozent und mehr
Dem aufmerksamen Verbraucher mag schon aufgefallen sein, dass bei einigen der ihm bekannten Produkte Veränderungen im Design vorgegangen sind. Ihm mag auch nicht entgangen sein, dass die veränderten Packungen oftmals weniger Inhalt bei identischem Preis enthalten. Darauf weist die Verbraucherzentrale Hamburg hin, die eine Liste der bisher aufgefallenen Produkte mitsamt Herstellerreaktionen ins Internet gestellt hat. In den auf der Liste veröffentlichten Zahlen lassen sich Preiserhöhungen bis zu 50 % finden.
Als Mogelpackung im wörtlichen Sinne kann man dies aber nicht immer bezeichnen. Mit "Mogelpackung" wird eine solche Verpackung bezeichnet, bei der ein Missverhältnis zwischen Packungsgröße und Fassungsvermögen in der Art besteht, dass durch die Packung ein größerer Inhalt vorgetäuscht wird. Solange nicht zu viel Freiraum in der Verpackung ist und die Inhaltsmenge auf derselben vermerkt ist, spricht rechtlich aus diesem Grunde nichts gegen eine derartige Veränderung. Es ist nicht illegitim, die Inhaltsmenge einer Verpackung zu verändern, auch wenn nicht darauf hingewiesen wird.
Das Phänomen, das in den Regalen der Einkaufsmärkte zu beobachten ist, kann folglich nur im übertragenen Sinne als "Mogelpackung" bezeichnet werden. Die Verbraucherzentrale in Hamburg bringt es mit der Umsatzsteuererhöhung von drei Prozent ("Mehrwertsteuererhöhung") zum 1. Januar 2007 in Verbindung. Armin Valet, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg geht von einem strategischen Vorgehen der Hersteller aus und warnt vor Bezeichnungen wie "neue Füllmenge" oder "verbesserte Rezeptur". Er führt seine Liste über die Preiserhöhungen seit ungefähr zwei Jahren und aktualisiert sie ständig.
Die Preiserhöhungen gehen oftmals über die drei Prozent hinaus und werden mitunter auch als Preisreduzierung verkauft. Die Stellungnahmen der Hersteller lassen sich, wenn sie überhaupt zu einer Aussage bereit waren, dadurch zusammenfassen, dass entweder die Rohstoff- oder Produktionspreise gestiegen seien oder dass man das Produkt einfach nur verbessert habe. Der Anbieter Procter & Gamble findet sich bei vier Produkten auf der Liste, die sich auf Verbraucherinformationen stützt: Tempo-Taschentücher (Erhöhung: 25 %), Pampers Feuchttücher (16,7 %), Meister Proper Waschpulver (12,5 %) und die Pringles-Chips (17,6 %). An der Pringles-Stange, die nicht mehr 200, sondern nur noch 170 Gramm Chips enthält, aber in ihrer Form gleich bleibt zeigt sich eine aussagekräftige Argumentationsstruktur. Der Hersteller hierzu:
Auf Pringles gab es ein Produkt Relaunch. Bei diesem Relaunch wurde nicht nur das Packungsdesign verändert, sondern auch der Chip selbst verbessert. Eine neue Chip-Formulierung sorgt dafür, dass der Chip noch knuspriger ist und besser schmeckt. Der Chip selbst wurde dadurch dicker und leichter. Die Anzahl der Chips in der Dose wurde von 95 auf 90 Chips reduziert. Zum anderen haben wir unser Packungsgewicht dem Markt angepasst, auf dem im Durchschnitt eher 170g zu finden sind.
Dies heißt zunächst, dass die Chips mehr Platz in der Dose haben. Die Argumentationsstrategie zielt darauf ab, mit gewissen Formulierungen auf allgemein anerkannte Begründungen für eine Preiserhöhung wie gestiegene Produktionskosten oder Designveränderungen zurückzugreifen. Die Stellungnahme des Herstellers zu der Preiserhöhung wird unmittelbar wieder in einen Werbetext umgewandelt, der irgendwo zwischen Wissenschaftlichkeit und Marktlage anzuordnen ist und nicht zufällig zugleich auf die Vorzüge des Produktes hinweist. Hier werden Gedanken an den Verbraucher und den Markt gezeigt, die in keinerlei argumentativem Zusammenhang mit einer Preiserhöhung stehen. Es geht nicht aus dem Gesagten hervor, was eine Preiserhöhung veranlasst haben kann, auch die Stellungnahmen anderer Hersteller lassen oft genau diesen Punkt bei ihren Stellungnahmen aus.
Durch diese Preispolitik wird vermieden, bestimmte - psychologische - Preisschwellen zu überschreiten. Wenn ein Produkt nicht mehr 1,99 Euro sondern 2,18 kostet, ist diese Schwelle überschritten und der Kunde greift vielleicht zu einem anderen Produkt. Ein anderer Grund könnte auch die Ausnutzung der Möglichkeit sein, die Preise allgemein hinter dem Rücken des Verbrauchers anzuheben. Ein ähnliches Preisverhalten ließ sich schon bei der Einführung des Euro beobachten. Bei einigen der Produkte, die sich auf der Liste der Hamburger Verbraucherinformation finden, lassen sich Erhöhungen ausmachen, die effektiv deutlich über den drei Prozentpunkten liegen, die der Staat mehr verlangt. Dies ist wiederum bei Lebensmitteln, die nach dem 1. Januar genauso wie vorher mit sieben Prozent besteuert werden, eine Nachfrage wert.
Auch die Aufhebung der einheitlichen Packungsgröße durch die EU-Wirtschaftsminister bei einer Vielzahl von Produkten, die dort als Abschaffung von unnötiger Bürokratie gewertet wird, sieht Armin Valet mit Besorgen: "Einheitliche Verpackungsgrößen haben durchaus ihren Sinn, weil sie den direkten Preisvergleich zwischen verschiedenen Produkten ermöglichen."
Ein solcher soll eigentlich auch über die Grundpreisangaben am Regal ermöglicht werden, die dem Verbraucher die Transparenz bei den Preisen schaffen sollen, die durch die kritisierte Preispolitik verhindert wird. Nach Recherchen der Hamburger Verbraucherzentrale werden diese aber häufig nicht gepflegt und es findet sich noch die alte Preisangabe. Für den Raucher stellt dies keine neue Erfahrung dar, er kennt das Spiel mit Inhalt und Preis aus jahrelanger Erfahrung mit der steigenden Tabaksteuer.