Querdenken in der Krise - Chance für Linke?

Seite 2: Linke Alternative zu rechtsoffenen Demos und Regierungspropaganda

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Positiv anzumerken bleibt, dass die Verfasser des Dossiers mehrmals betonen, dass eine soziale Alternative fehlt.

Die offensichtlichen Widersprüche des modernen Kapitalismus werden von den Verschwörungsgläubigen im Gegensatz zur analytischen Kritik einer modernen Linken, nicht auf das kapitalistische System als solches zurückgeführt, sondern auf vermeintlich böse Mächte, die dieses System beherrschen sollen, die in Folge dessen für alle Schändlichkeiten des Kapitalismus verantwortlich gemacht werden. Demzufolge sollten wir klare soziale Forderungen zur Bewältigung der Auswirkungen sozialer Schieflagen im Rahmen der sich anbahnenden Wirtschaftskrise stellen. Begrifflichkeiten wie die "Herrschenden" und die "Eliten", welche auch von Verschwörungsgläubigen verwendet werden, sollten, wenn sie von uns verwendet werden, klar ausdifferenziert werden.

Aus der Dokumentation Liebe, Frieden, Volksverräter

Da stellt sich die Frage, ob die Verfasser, Karl Marx und Friedrich Engels zu den modernen Linken rechnen. Schließlich haben sie das wesentliche theoretische Rüstzeug geliefert, damit die Zumutungen des Kapitalismus nicht auf böse Mächte geschoben, sondern durch die Profitmaximierung erklärt werden können. Gerade manche moderne Linke, die von Marx und Engels nichts mehr wissen (wollen), kommen zu einer moralischen Kapitalismuskritik.

Tatsächlich gab es auch schon Zeiten, wo statt diffus von "Herrschenden" von "Kapital und Arbeit" gesprochen wurde. Es gab aber immer wieder Linke, die solche Begrifflichkeiten für unmodern hielten. Im Dossier bleibt eine Leerstelle. Es gib keine Positionierung gegen autoritäre Staatlichkeit, die doch seit dem Frühjahr 2020 auch immer wieder linke und antirassistische Proteste verunmöglichte oder erschwerte.

Keine klare Kritik an autoritärer Staatlichkeit

In dem Absatz werden Fragen gestellt und das ist gut.

Des Weiteren sollte sich eine antifaschistische Linke in der Kritik an den Anti-Corona-Maßnahmen, eine wissenschaftliche Betrachtungsweise aneignen. Gibt es eine seriöse wissenschaftliche Alternative zu den momentanen Kontaktbeschränkungen oder wären wir als linke Akteure, in einer wie auch immer sozialistisch, anarchistisch oder kommunistisch strukturierten Gesellschaft zu analogen Regelungen in der Bekämpfung einer gefährlichen Pandemie gezwungen?

Aus der Dokumentation Liebe, Frieden, Volksverräter

Da Wissenschaft Politik nicht ersetzen kann, bleibt unklar, wo sich die eingeforderte wissenschaftliche Betrachtungsweise von der aktuellen Politik unterscheidet. Die Frage in dem Absatz kann man geschichtlich beantworten. In den Jahren 1917-1919 traf ein Virus, das für die sogenannte Spanische Grippe verantwortlich war, auf eine Welt im Aufruhr. Es gab in vielen Ländern täglich Demonstrationen, Fabrikbesetzungen und Streiks, in verschiedenen Ländern wurden Räterepubliken ausgerufen. Es gab und gibt also durchaus Alternativen zu den Kontaktbeschränkungen.

Daher müsste die Forderung "Kein Lockdown für die Grundrechte" der Minimalkonsens einer außerparlamentarischen Linken sein. In Berlin gibt es eine kleine Alternative in den nächsten Tagen. Während die Querdenker abgesagt haben, mobilisiert das Bündnis Berlin gegen Rechts am 30. Dezember zu einer linken Demonstration unter dem Motto "Nachdenken statt querdenken".

Vorher ruft noch ein weiteres linkes Bündnis unter dem Motto "FCK 2020 - Für ein besseres Morgen" zu einer sozialpolitischen Aktion auf.