Radio muss nicht "Ga Ga" sein

Engagierte Beiträge von lokalen Radiomachern sorgen in Nordrhein-Westfalen immer wieder für Gesprächsstoff. Sie zeigen damit, dass Hörfunk mehr kann, als die "größten Hits der 80er, 90er und das Beste von heute" abzududeln.

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Paul Hebbel kam ganz schön ins Schwitzen. Vor der letzten Oberbürgermeisterwahl in Leverkusen im September 2004 hatte sich der damalige Amtsinhaber, genau wie die Kandidaten der anderen Parteien, freiwillig an einen Lügendetektor anschließen lassen. Fragen und Antworten wurden aufgezeichnet und jeweils tags darauf im Frühprogramm des Lokalsenders „Radio Leverkusen“ ausgestrahlt. Die „Grünen“-Kandidatin Roswitha Arnold hatte zuvor bereits eingeräumt, dass sie schon mal Zigarettenkippen aus dem Auto geworfen habe. Hiltrud Meyer-Engelen von der FDP wurde sogar als notorische Schwindlerin überführt. Vergleichsweise gut erging es CDU-Mann Hebbel, der lediglich bei einer Flunkerei erwischt wurde. Auf die Frage, ob er als Politiker immer die Wahrheit sagen würde, hatte er mit „ja“ geantwortet, was für bedenkliche Ausschläge des Lügendetektors sorgte. Trotzdem hat es mit der Wiederwahl nicht geklappt - bei der späteren Stichwahl unterlag er seinem SPD-Herausforderer Ernst Küchler denkbar knapp.

Mit dieser ungewöhnlichen Aktion hatten die Radiomacher in Leverkusen nicht nur für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Jetzt, ein Jahr später gab’s noch einmal viel Lob und einen Geldpreis von der Landeszentrale für Medien in Nordrhein-Westfalen. BeimLfM-Hörfunkpreis 2005 wurde Radio Leverkusen Ende November für „herausragende redaktionelle Leistungen in der kommunalen Berichterstattung“ ausgezeichnet. Insgesamt vergab die Aufsichtsbehörde in diesem Jahr zehn Preise für ambitionierten Hörfunkjournalismus und originelle Aktionen von Lokalstationen, die sich erfreulich von dem sonst vielfach verbreiteten Einerlei im so genannten deutschen Formatradio abheben.

"Dauerpreisträger" aus Wuppertal

Zu den Dauerpreisträgern gehört inzwischen Georg Rose, Chefredakteur des Lokalsenders Radio Wuppertal. Schon seit Jahren nimmt der Radiomann couragiert brisante Lokalthemen in sein Programm. Immerhin - keine andere Stadt in Deutschland sitzt ähnlich tief in der „Korruptionsfalle“, wie Hans Leyendecker, Autor der „Süddeutschen Zeitung“ und wahrscheinlich Deutschlands bester investigativer Journalist herausgefunden hat: „Von 1996 bis 2004 ermittelte die Wuppertaler Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft gegen 1.485 Personen wegen des Verdachts der Korruption“, schreibt Leyendecker in seinem Buch „Die Korruptionsfalle“. Auch Lokaljournalisten waren immer wieder anfällig für den vermeintlich lukrativen Sumpf. Im August 2002 endete abrupt die „journalistische Bilderbuchkarriere“ (Leyendecker) des damaligen Chefredakteurs der „Westdeutschen Zeitung“ (WZ), Michael Hartmann. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, während seiner Zeit als WZ-Lokalchef in Wuppertal an kriminellen Machenschaften beteiligt gewesen zu sein.

Rose dagegen legte sich immer wieder mit lokalen Größen an. Bundesweit zum Thema wurde seine Berichterstattung über die Korruptionsaffäre um den früheren Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl. Im Kommunalwahlkampf 1999 soll der SPD-Politiker illegale Spenden von einem Bauunternehmer kassiert - und diesen im Gegenzug bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt haben. Der OB wurde aus dem Amt gejagt - „Radio Wuppertal“ mit dem NRW-Hörfunkpreis 2002 ausgezeichnet. In diesem Jahr erhielt Rose mit seinem Team gleich drei Preise, unter anderem für die besten Hörfunknachrichten. Für den stellvertretenden Direktor der LfM Jürgen Brautmeier gibt es gute Gründe für die erneute Auszeichnung: „Die Nachrichten für Wuppertal sind aktuell, abwechslungsreich, exklusiv, gut recherchiert und präsentiert.“

Am Beispiel von „Radio Wuppertal“ wird auch deutlich, dass ambitionierter Hörfunkjournalismus durchaus erfolgreich sein kann. Im eigenen Verbreitungsgebiet ist der Lokalsender das meistgehörte Programm - mit großem Abstand vor den öffentlich-rechtlichen Konkurrenten „Eins Live“ und „WDR 2“.