Raketenabwehrsystem noch nicht wirklich einsatzbereit
Nun kommt auch aus dem Pentagon Kritik am Plan der US-Regierung, das kaum getestete teure System, das bereits den Alliierten angeboten wird, schon überstürzt dieses Jahr zu installieren
Die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein gab es offensichtlich nicht, sondern die Behauptung ihrer Existenz war nur ein Mittel zur Legitimierung des Krieges. Möglicherweise, aber doch eher unwahrscheinlich wusste auch der irakische Diktator nicht, dass er höchstens, wie Bush es neuerdings umschreibt, nur Massenvernichtungswaffen-Programmkapazitäten hatte. Experten, die gerade in Nordkorea waren, sind der Meinung, dass auch die Atomwaffendrohung des asiatischen Diktators nur Bluff ist. Allerdings könnte es auch sein, dass das vom Pentagon entwickelte globale Raketenabwehrsystem zum Aufbau eines Schutzschirmes bislang nur ein Bluff ist - obgleich es dieses Jahr bereits installiert und an Verbündete verkauft werden soll.
Ab dem 1. Oktober sollen die ersten land- und seegestützten Systeme des teuren Raketenabehrsystems, ein Lieblingskind von US-Verteidigungsminister Rumsfeld (Die nationale Sicherheit verlagert sich in den Weltraum), eingerichtet sein und die USA vor Langstreckenraketen mit Massenvernichtungswaffen schützen. Das BMDS (ballistic missile defense system) wird von einem Konsortium unter der Leitung von Boeing für viele Milliarden Dollar entwickelt - und könnte sich möglicherweise als eine amerikanische Variante von Toll Collect erweisen.
Zumindest warnt Thomas Christie, der Direktor für Operational Test and Evaluation, in seinem Bericht, dass das System noch nicht einsatzbereit sei und es daher ungewiss sei, ob es seinem Zweck, der Abwehr nordkoreanischer Raketen, wirklich diene. Damit kommt nun zu den externen Kritikern des von der Bush-Regierung massiv vorangetriebenen Raketenabwehrschilds, nun auch interne Kritik aus dem Pentagon. Allerdings hatte er schon in einer Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des Senats im März des letzten Jahres auf die Mängel hingewiesen.
Man habe zwar die "technische Durchführbarkeit" für den Abschuss von einfachen Zielen zeigen können, die einen bekannten und eingeschränkten Flugbahn besitzen Aber die Tests im letzten Jahr seien nur begrenzt gültig, weil die Raketen und Sprengköpfe noch nicht repräsentativ für die endgültige Bauart gewesen seien. Vor allem seien die landgestützten Systeme, die in Kalifornien und in Alaska installiert werden sollen, nicht ausreichend getestet worden. Auch die zwei noch geplanten Abschusstests ließen nur "sehr begrenzte Zeit", um zu demonstrieren, dass alles funktioniert. Selbst wenn diese beiden Tests erfolgreich sein sollten, würde die bislang "kleine Zahl von Tests das Vertrauen begrenzen". Insgesamt lasse sich das System noch gar nicht beurteilen. Ein Prüfung könne sich überwiegend nur auf "Modelle und Simulationen" sowie Tests von Subsystemen stützen.
Schon das General Accounting Office (GAO) hatte in einem Bericht vom September des letzten Jahres kritisiert, dass die Entwicklung des Raketenabwehrsystems zu schnell voran getrieben werde und dadurch die Technologie wie Raketen, Sprengköpfe, Radar- und Kommunikationssysteme nicht ausreichend geprüft und perfektioniert werden können.
Im Pentagon hatte man zwar bereits eingeräumt, dass das System zu Beginn noch nicht völlig ausgereift sei. Aber es sei besser, ein rudimentäres Raketenabwehrsystem zu haben, als ungeschützt zu bleiben. Da aber solche Hightech-Systeme sich sowieso Jahr für Jahr verbessern würden, sei es vernünftig, nicht weiter zu warten, sondern mit dem Aufbau zu beginnen und es dann fortwährend - evolutionär - weiter zu entwickeln. Gleichzeitig sucht die US-Regierung mit großen Druck, das Raketenabwehrsystem an andere Länder zu verkaufen, um die Kosten zu senken und einen globalen Schutzschild für die Alliierten zu erstellen (Die große Mauer). Australien und Japan, das sich von Nordkorea bedroht fühlt, sind bereits entschlossen, das Raketenabwehrsystem zu übernehmen. Japan wird dafür in den nächsten Jahren etwa 5 Milliarden Euro investieren müssen, das 2011 realisiert sein soll.
Das teure und möglicherweise nutzlose Raketenabwehrsystem könnte auch angesichts der hohen Verschuldung und der steigenden Ausgaben durch die Bush-Regierung zu einem Wahlkampfthema werden. So erklärte der demokratische Senator Jack Reed, der auch im Streitkräfteausschuss sitzt, dass Bush für einen "ideologischen Sieg" riskiere, "verfrüht 2004 ein technisch nicht geprüftes Abwehrsystem zu installieren, das Gelder von anderen wichtigen Aufgaben abzieht". Senator John Kerry, mittlerweile ein aussichtsreicher demokratischer Präsidentschaftsbewerber lehnt die Installation des bodengestützten Systems ab. Scharfe Kritik kommt auch von Experten. So kam letztes Jahr ein Bericht der American Physical Society zu dem Schluss, dass ein effizientes Raketenabwehrsystem vermutlich gar nicht realisierbar ist (Das Raketenabwehrschild ist wahrscheinlich eine Geldverschwendung).