Rasanter Anstieg der Meeresoberfläche vor 80.000 Jahren

Eine Studie weist auf neue Einflüsse auf Eiszeitzyklen und die Möglichkeit hin, dass durch eine Klimaerwärmung die Meere plötzlich um 2 Meter pro 100 Jahren ansteigen können

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Klimaerwärmungen müssen nicht mit einer Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre einhergehen, können aber die Meere möglicherweise schneller ansteigen lassen, als bislang angenommen. Das scheint eine Studie von Geowissenschaftlern zu bestätigen. Jeffrey Dorale von der University of Iowa sowie spanische und italienische Wissenschaftler haben anhand von Speläothemen (Mineralablagerungen wie Sinter oder Tropfsteine) in 5 Höhlen auf Mallorca versucht, die Eisbildung und –schmelze während der Kalt- und Warmzeiten von vor 2,6 Millionen Jahren bis jetzt zu rekonstruieren. Der Höhepunkt der letzten Kaltzeit war vor 20.000 Jahren. Während der Wärmezeiten schmelzen die Gletscher und steigt der Meeresspiegel, was sich auch auf die an der Küste liegenden Höhlen in Mallorca ausgewirkt hat, die in Kältezeiten frei lagen und in Wärmezeiten überschwemmt waren. Die Höhe des Meeresspiegels lässt sich anhand der Mineralbildung an den Speläothemen und den Höhlenwänden erkennen.

Sommer 2007 in Ostgrönland. Bild: Nasa

Dorale und seine Kollegen schreiben in Science, dass vor 81.000 Jahren im Isotopenstadium (MIS) 5a der Wasserspiegel des Mittelmeeres ein Meter höher war als jetzt. Das würde Theorien widerlegen, die anhand von Messungen an Korallenbänken bislang davon ausgegangen waren, dass der Meeresspiegel damals 7-30 Meter tiefer als heute gewesen sei.

Der hohe Meeresspiegel sei durch ein schnelles Abschmelzen der Gletscher erfolgt, das zwischen der Zeit von 84.000 und 80.000 Jahren stattfand. 20 Meter in 1000 Jahren oder ein Meter in 50 Jahren sei damals der Meeresspiegel angestiegen und davor fast ebenso schnell mit 15 Meter pro 1000 Jahren durch Eisbildung gefallen, wenn man davon ausgeht, dass der Wasserspiegel im Mittelmeer dem in anderen Meeren direkt entspricht. Beobachtungen etwa an der amerikanischen Atlantikküste, in Bermuda oder Kalifornien stimmen mit der Rekonstruktion überein, anderen Schätzungen widersprechen ihr allerdings. Die Messung der Speläothemen mit der Uran-Thorium-Methode sei aber sehr genau im Vergleich zu anderen Verfahren, zudem sei Mallorca ideal für die Rekonstruktion des Meeresspiegels, weil es hier in der Zeit keine tektonischen Veränderungen gegeben habe.

Zwischen den Kaltzeiten (Glazialen) und Warmzeiten (Interglazialen) steigt und fällt der Meeresspiegel durch das Wachsen und Schmelzen der Eisplatten um etwa 130 Meter. Die Eiszeiten (90.000) dauern wesentlich länger als die Warmzeiten (15.000). Man geht davon aus, dass in jüngerer Zeit ein Zyklus etwa 100.000 Jahre dauert, davor waren die Zyklen mit etwa 40.000 Jahren deutlich kürzer. Die 100.000-Jahre-Zyklen werden u.a. dadurch erklärt, dass sich die Sonnensommereinstrahlung auf der nördlichen Halbkugel aufgrund der elliptischen Umlaufbahn der Erde um die Sonne verändert (Milankovic-Zyklen). Allerdings haben diese 100.000-Jahre-Zyklen, was die Sonnenstrahlung auf die Erde betrifft, weniger Einfluss als die anderen periodischen Schwankungen, die alle 23.000 sowie 41.000 Jahre auftreten.

Vom Mertz-Gletscher abgebrochener Eisberg in der Ostantarktis. Bild: Nasa

Die Schätzung der Meeresoberflächenhöhe vor 81.000 Jahren, mitten im letzten 100.000-Jahre-Zyklus, würde aber nicht der Theorie der 100.000-Jahre-Zyklen entsprechen, aber mit Berechnungen der Sommersonneneinstrahlung für die Zeit übereinstimmen. Neben der Eisschmelze könnten aber auch andere Faktoren wie die Form der Erde oder Veränderungen der Gravitationsfelder mit für das An- und Absteigen des Meeresspiegels verantwortlich sein. Die Milankovic-Zyklen, so die Wissenschaftler, würden nach ihren Messungen nicht den Schwankungen von Eisbildung und –schmelze entsprechen, sondern den CO2-, Methan- und Temperaturveränderungen, die man durch Eisbohrkernmessungen beobachtet hat. Das wiederum würde bedeuten, dass die CO2-Werte zumindest für die Klimaerwärmung vor 84.000 Jahren keine Bedeutung hatten, denn damals waren sie niedrig. Allerdings wird dadurch aber auch nicht die Annahme widerlegt, dass durch die steigenden CO2-Emissionen jetzt eine Klimaerwärmung verursacht wird.

Deutlich aber wird, dass bei einer Klimaerwärmung die Meeresspiegel schneller als bislang gedacht steigen und damit bei einem Temperaturanstieg gefährlich werden können, wenn wie jetzt die Gletscher in Grönland und der Antarktis schmelzen. Die Gletscherschmelze könnte, so Dorale gegenüber Time empfindlicher als gedacht auf Temperaturveränderungen reagieren: "Heute lebt ein Drittel der Weltbevölkerung im Umkreis von 100 km zur Küste", sagt Dorale. "Viele dieser Regionen liegen tief und würde durch den Anstieg der Meeresoberfläche um einen Meter signifikant verändert oder zerstört. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich Veränderungen dieser Größenordnung auf natürliche Weise im Zeitrahmen einer menschlichen Lebenszeit ergeben können. Die Veränderung der Meeresspiegel ist ein sehr wichtiges Thema."