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Seite 4: Die USA sahen im salvadorianischen Militär eine „Stütze der Menschenrechte“

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Der US-Botschafter in El Salvador, Robert White, hatte eine gute Meinung von Erzbischof Romero. Doch die Administration der Vereinigten Staaten hielt es – wie überall in Lateinamerika – mit den Militärs. Am 17. Februar 1980 bat Erzbischof Romero in einem Brief an Jimmy Carter darum, dem Regime keine Unterstützung zu gewähren:

Herr Präsident, in den letzten Tagen habe ich der Presse eine sehr beunruhigende Nachricht entnommen. Demnach erwägt Ihre Regierung, der augenblicklichen Militärjunta Wirtschafts- und Militärhilfe zu geben. ... Ich hoffe, dass Ihre religiösen Gefühle und Ihr Eintreten für die Menschenrechte Sie dazu veranlassen, meine Bitte zu akzeptieren und ein noch größeres Blutvergießen in diesem leidgeprüften Land zu verhindern.

Im Nationalen Sicherheitsrat der USA schrieb Robert Pastor den Entwurf für eine Antwort des Außenministers. Rückblickend hat er in einem Interview Romeros mutigen Einsatz für die Menschenrechte gelobt, gleichzeitig aber die entscheidende Meinungsverschiedenheit auf Seiten der US-Administration betont: „Wir sahen im Militär ein Instrument zur Förderung der Menschenrechte.“ Entsprechend kam es im Laufe der 1980er Jahre zu einem stetigen Anstieg der US-Militärhilfe. Jährlich flossen bis zu einer halben Milliarde US-Dollars in das kleine El Salvador. Nach Kuba und Nicaragua wollte die Supermacht nicht noch eine rote Bastion auf dem eigenen „Vorhof“ haben.

Unter Anleitung der US-Militärberater im Land ersonn man ein besonderes Mordprogramm. Nach Auskunft des US-Veteranen Jeff Cole wurden dafür gezielt die Führer der Befreiungsfront, Intellektuelle aus der Mittelschicht, als Opfer ausgewählt. Nach Romeros Ermordung fehlte die Stimme der Gewaltfreiheit. Der Bürgerkrieg eskalierte. Bis 1992 mussten etwa 75.000 Menschen ihr Leben lassen.

Die Reagan-Administration, mit der Rom in kontinuierlichem Austausch2 stand, nahm 1982 von der Befreiungstheologie über das so genannte „Santa-Fe-Dokument“ Notiz. Als Gegenmaßnahme zur katholischen Kapitalismuskritik wurde darin z.B. die Unterstützung protestantischer Gruppierungen in Lateinamerika vorgeschlagen. 1983 folgte eine Anhörung zur Befreiungstheologie im US-Senatsunterausschuss für „Sicherheit und Terrorismus“. 1987 nannte eine „Conference of American Armies“, auf der auch die USA und El Salvador vertreten waren, in ihrem Bericht die Namen von „kommunistischen“ Priestern und Theologen. Auf der Liste stand auch bereits Pater Ignacio Ellacuría, einer der am 16.11.1989 in San Salvador ermordeten sechs Jesuiten.

Es gibt erdrückende Beweise dafür, dass Major Roberto D'Aubuisson (gest. 1992) als Hintermann der Großgrundbesitzer und Koordinator der „Todesschwadronen“ den Mord an Erzbischof Romero organisiert hat. In US-amerikanischen Militärausbildungsstätten für Lateinamerikaner wie der berüchtigten School of the Americas hatte er seit 1965 wiederholt Kurse absolviert. Seine Schwester Marissa D'Aubuisson, eine Anhängerin Romeros, sagt über ihn: „Er war eine Schlüsselfigur der Nordamerikaner in El Savador.“ Tatsächlich prahlt der Sohn und politische Erbe von D'Aubuisson im Dokumentarfilm „Romero – Tod eines Erzbischofs“ (2003) mit guten Kontakten seines verstorbenen Vaters zu den US-Republikanern und einer eingerahmten Einladung des texanischen Gouverneurs George W. Bush.

In El Salvador wurden auch nach dem Bürgerkriegsende die zuvor durch weitere Morde und Einschüchterung vereitelten Untersuchungen des Falls „Romero“ nicht weiterverfolgt. Offenbar wollte man nicht, dass in diesem Zusammenhang der Name Roberto D'Aubuissons, des Gründers der von 1988 bis heute regierenden ARENA-Partei, öffentlich zur Sprache käme. Romeros unmittelbarer Nachfolger, der Erzbischof Arturo Rivera y Damas, "erklärte vor den Wahlen 1994, ein Katholik könne nicht für die Partei stimmen, die vom Mörder Romeros gegründet wurde und ihn bis heute als Helden verehrt.“3