Raubfische am Ende
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Wegen Überfischung und rücksichtsloser Bejagung stehen zahlreiche Hai- und andere Fischarten kurz vor dem Aussterben
Neun von zehn Hai- und Rochenarten in der deutschen Nord- und Ostsee sind vom Aussterben bedroht. Dabei handelt es sich um eine Chimärenart, drei Rochen- und fünf Haiarten, darunter die Riesenhaie, die 2015 und 2016 in der Nähe des Sylter Außenriffs gesichtet wurden. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, in der Wissenschaftler der Uni Hamburg die Bestände von 19 Knorpelfischen untersuchten.
Ausgestorben sind der Gewöhnliche Stech- als auch Glattrochen. Nagelrochen und Dornhai stehen kurz davor auszusterben, Hundshai und Sternrochen sind gefährdet. Kuckucks- und Fleckrochen gelten als extrem selten. Der Kleingefleckte Katzenhai ist laut Ralf Thiel, einem der Autoren, die einzige noch ungefährdete Knorpelfischart in den deutschen Nord- und Ostseegebieten.
In der Nord- und Ostsee leben die Meerestiere, vor allem Rochen, meist nah am Meeresboden, wo sie sich von Weichtieren, Würmern, Krebstieren und Fischen ernähren. Hauptursachen für ihr Verschwinden sind Fischerei, Veränderung der Lebensräume, Schadstoffe und Klimawandel. Ein Viertel aller Hai- und Rochenarten gilt bereits als stark gefährdet. Von den weltweit 509 Hai-, 630 Rochen- und 49 Seekatzen (Chimären-) arten unterliegen nur wenige dem Washingtoner Artenschutz- oder regionalen Meeresschutzabkommen.
Glaubt man dem alle zwei Jahre erscheinenden Status-Bericht der FAO, sind etwa ein Drittel der weltweiten Bestände überfischt, Tendenz steigend. Zum Vergleich: Zu Beginn der 1970er Jahre waren nur etwa zehn Prozent der Bestände überfischt. Aktuell ist der Fischverbrauch pro Kopf und Jahr auf mehr als 20 kg gestiegen - das ist doppelt so hoch wie in den 1960er Jahren. So wurden 2014 weltweit 93 Millionen Tonnen Fisch gefangen. Dem entsprechend sind die Exportumsätze des Sektors auf 148 Milliarden Dollar gestiegen (zum Vergleich: 1976 waren es noch acht Milliarden).
Besonders im Mittelmeer und im Schwarzen Meer sind fast zwei Drittel der Bestände überfischt, vor allem bei Seehecht, Seezunge und Seebrasse. Umweltorganisationen schätzen, dass jährlich rund 100 Millionen Haie getötet werden. Zum Beispiel Hammerhaie im Nordatlantik: Ihr Bestand ist von 1986 bis 2000 um fast 90 Prozent gesunken. Riesenhai, Walhai und Weißer Hai stehen schon länger auf der Liste der gefährdeten Arten, fünf weitere Arten wurden vor einigen Jahren in das Washingtoner Artenschutzabkommen aufgenommen. Seit Oktober 2016 stehen auch Seidenhaie, Fuchshaie und Teufelsrochen auf der Liste.
Haifischflossensuppe - für Haie ungesund
Obwohl es seit 2003 Handelsbeschränkungen für Haie und Rochen gibt, werden die Tiere immer noch kommerziell gefischt oder landen als Beifang im Netz. So verenden jedes Jahr tausende Haie an bis zu 150 Kilometer langen Hochseeleinen - vor allem von Europäischen Fangflotten - die mit bis zu 3.000 Haken bestückt sind.
Ein Teil der weltweit gehandelten Haifischflossen werden von Europa nach Asien verschifft. Meistens stammen die Flossen von Mako- und Blauhai, da für diese Arten in Europa keine Fangbeschränkungen bestehen. Die Haie werden aus dem Meer gezogen, ihre Flossen abgehackt und anschließend wieder ins Wasser geworfen. Die Umweltorganisation Greenpeace schätzt, dass auf diese Weise jährlich mehr als 100 Millionen Haie verenden.
Mittlerweile ist das so genannte Finning in den USA und in der EU verboten. Nicht jedoch in Asien, wo Indonesien als führende Haifang-Nation gilt und Hongkong die größten Mengen an Haifisch importiert: 2015 führte die Metropole 5,7 Tonnen Haifischflossen ein, 2011 waren es mit zehn Tonnen fast doppelt so viel.
Obwohl auf offiziellen Banketten in China verboten, löffelt man in den meisten Lokalen immer noch die umstrittene Suppe. Angeblich sind die glibbrigen, fade schmeckenden Haiflossen gesund. Allmählich setzt ein Umdenken ein: Immer mehr - vor allem jüngere, umweltbewusste - Konsumenten wenden sich von der fragwürdigen Mahlzeit ab.
Die Basler Ökonomen Rolf Weder und Tobias Erhardt untersuchten die weltweite Situation der Haie und veröffentlichten ihre Ergebnisse in einer Studie Ihrer Ansicht nach könnte eine Besteuerung der Fischerei oder Vergabe von Lizenzen den Handel einschränken. Aufklärungskampagnen vor allem in China könnten dazu führen, dass Suppen mit Haifischflossen von der Speisekarte verschwinden. Am wirksamsten, glauben die Forscher, wäre ein Handelsverbot mit Haifischflossen.
Eishaie: Erst mit 150 Jahren erreichen die Weibchen die Geschlechtsreife
Ihr langsamer Fortpflanzungszyklus beschleunigt das Aussterben einiger Arten zusätzlich. Zum Beispiel beim Eishai (Grönlandhai): In einer Veröffentlichung in Science von 2016 untersuchten Wissenschaftler der Universität Kopenhagen das Alter von 28 Eishaien, die sich zwischen 2010 und 2013 in die Netze grönländischer Fischer verfangen hatten.
Das größte Tier maß fünf Meter und soll 392 Jahre alt gewesen sein. Erst mit 150 Jahren erreichen die Weibchen die Geschlechtsreife. Wie viele Individuen es tatsächlich gibt, ist ungeklärt. Häufig verenden sie auch als Beifang in Fischernetzen. Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen IUCN hat den Eishai (Somniosus microcephalus) als gefährdet auf ihrer Roten Liste eingestuft.
Im Gegensatz zum Eishai, der in den arktischen Gewässern zu Hause ist, fühlt sich der Engelhai (Squatina squatina) in den flachen Gewässern der Kanarischen Inseln am wohlsten. Früher im Atlantik und im Mittelmeer weit verbreitet, zählen Engelhaie - vermutlich als Folge von Überfischung - heute zur am zweitstärksten bedrohten Familie der Haie und Rochen. In einer aktuellen Studie untersuchten Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn zwölf lang Monate ihre Bestände, Lebensweise und Paarungszeit, wobei sie die Hilfe von Hobby-Tauchern in Anspruch nahmen.