Raubzug im Elektro Egger
Seite 2: Der Horrortrip
- Raubzug im Elektro Egger
- Der Horrortrip
- Die Sportstunde
- Auf einer Seite lesen
Dann kam Dienstag, und an diesem Tag wollten meine Eltern bei unserer Verwandtschaft im Rottal übernachten. Also entschied ich mich in einem Handstreich, das Haschisch auszuprobieren, auch ohne Roderick, der an diesem Tag verhindert war. Schon zweimal hatten Roderick und ich die Abende zuvor versucht, den Stoff in einem Joint zu rauchen (wie ein Joint gebaut werden musste, wussten wir in etwa), doch beide Male hatte sich kein Rauscheffekt eingestellt, außer dass wir uns benebelt und unwohl gefühlt hatten. Deswegen waren wir Deibel bereits in den Ohren gelegen, dass sein toller Casanova uns höchstwahrscheinlich angeschmiert hatte, doch Deibel konterte:
"Des stimmt ned! Des stimmt ned! Des Zeug is erste Sahne! Da muss si' der Körper erst mal dran gewöhnen, an so a geiles Zeug!"
Deshalb beschloss ich, nach diesen missglückten Versuchen jetzt den Turbomodus einzuleiten und das Hasch oral mit Tee einzunehmen, ob zusammen mit Roderick oder nicht war mir reichlich egal, denn ich hatte sowieso ganz andere Pläne: Mein allgemeines Vorhaben war, total high und völlig entgrenzt zum Pasinger Bahnhof zu fahren und dort Baby Love in die Arme zu laufen, die mich mütterlich hätscheln, streicheln und mir mit zärtlichen Berührungen meinen Trip versüßen würde.
Angst hatte ich absolut keine, denn in diesen Jahren konnte man fast überall täglich lesen, dass Haschisch eine to-o-o-o-tal ungefährliche Droge sei, dass seit Entdeckung des Hanfstrauchs noch nie auch nur ein Konsument Unwohlsein verspürt habe, im Gegenteil: Sucht, Verderben und Siechtum gingen stets vom Alkohol aus. Haschisch dagegen sei im Grunde ein Heilmittel, dies bewiesen auch Studien des Mutabaruka Medical Institutes (Kingston) und des Yellowman Research Centers (Montego Bay). Selbst im Kleinen Querulanten konnte man ständig solche Texte lesen, Menschen wie Philipp Zöpf und Simon Fürnrieder schrieben dergleichen.
Ich musste mir also überhaupt keine Gedanken machen. Daher löste ich den Brocken in einer Tasse Tee auf, schlürfte den Tee und legte flankierend die LP The Name of This Band Is Talking Heads auf. Ab Lied Nr. 11 ("I Zimbra") ging es los: Mein Mund wurde so trocken, dass ich fast an meiner eigenen Zunge erstickt wäre, grauenhafte Übelkeit überfiel mich, und meine Speiseröhre quetschte sich wie ein Darm zusammen. Gegen Ende der Platte begannen die Halluzinationen: Ein fahlgelbes Licht verbreitete sich langsam in der ganzen Wohnung, der Fußboden fing an, Wellen zu schlagen, und wirre Gedanken jagten mir durch den Kopf.
Das Schlimmste jedoch war das mörderische Herzrasen, das mich heimsuchte: Der Trommelwirbel meines Herzschlags war so laut, dass ich ihn im Kopf hören konnte, wobei die Schläge in Abständen so ins Stolpern gerieten, dass sie manchmal für Sekunden ganz abbrachen. Ich hatte erbärmliche Schweißausbrüche und wusste nicht, was ich zu meiner Rettung unternehmen solle. In Panik lief ich nach draußen auf die Straße, doch die frische Luft und die Bewegung machten alles noch viel schlimmer.
Im 34er-Bus (den ich bestiegen hatte, um in Pasing irgendeinen Freund zu treffen, der mich aus diesem Alptraum erretten könne) tätigte mein Herz auf der Höhe der Blumenauerstraße plötzlich einen lauten Knall und setzte für fünfzehn Sekunden ganz aus, bevor es in einem irrsinnigen Stakkato von sechs Schlägen pro Sekunde erneut zu hämmern begann. Ich betete zu Baby Love und mehreren Verstorbenen, mich aus dieser Hölle zu befreien, dann taumelte ich zum Busfahrer vor und bat ihn, sofort einen Krankenwagen zu rufen.
Der Krankenwagen stand bereits an der Endhaltestelle parat, als wir ankamen, und ich berichtete den Sanitätern vom Vorgefallenen und bat um ein Beruhigungsmittel, doch die Sanitäter lachten und schrien vorm Busfahrer: "Wos? Jetzt hod er a Gramm Hasch g'schluckt, der schräge Vogel, und mog scho' wieder die nächste Portion Drogen? Des is ja a Frechheit! Jetzt gehen S' nach Hause und trinken S' a Glas Milch! Wos glauben Sie, für wos wir do san? Ganz sicher ned, um Eana a no Tranquilizer zu besorgen!" Solchermaßen vernachlässigt, taumelte ich mit einem Puls von 250 greinend weiter zum Bahnhof und versuchte, irgendein bekanntes Gesicht ausfindig zu machen, doch vergeblich. Nach fünf Paulaner-Bock-Bieren vorm Bella Sicilia, die ich - verkrampft in die Eckleisten der Telefonzelle - in mich hineinschüttete, wurde mein Herzrasen schließlich ein wenig besser, und um Mitternacht erreichte ich völlig zerrüttet mein Zuhause. Dies war meine Nacht mit Deibels geilem Stoff.