Rechnen mit dem magnetischen Fluss

In der Fluxtronik ersetzen die kleinsten Einheiten des magnetischen Flusses die Elektronen als Informationsträger. Berliner Forscher zeigen, wie sich Flussquanten manipulieren lassen

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Als Joseph John Thomson Ende des 19. Jahrhunderts die Kathodenstrahlung entdeckte und schließlich das Elektron als Teilchen begriff, konnte der spätere Nobelpreisträger noch nicht ahnen, welche Rolle der winzige, noch heute als punktförmig betrachtete Ladungsträger in Zukunft spielen sollte. Regelmäßig stand ihm schon die Ablösung bevor: zunächst in der Fantasie von Science-Fiction-Autoren, die etwa in den Perry-Rhodan-Heftchen die Positronik einführten. Seit einiger Zeit versucht man nun, mit Hilfe der Spintronik einen Nachteil der Elektronik zu umgehen: Dass sie auf Ladungstransport beruht. Die Spintronik (vgl. Mit Mini-Magneten ist zu rechnen) nutzt zusätzlich die Ausrichtung des magnetischen Moments eines Elektrons, den so genannten Spin, eine quantenmechanische Eigenschaft.

Eine andere Möglichkeit, Nullen und Einsen darzustellen, erforschen Wissenschaftler des Berliner Paul-Drude-Instituts für Festkörperelektronik (PDI). Fabian Jachmann und Carsten Hucho widmen sich in einer im Festkörperphysik-Fachmagazin Solid State Communications veröffentlichten Arbeit den so genannten Flussquanten.

Das sind die kleinsten Einheiten des magnetischen Flusses. Diese Flussquanten lassen sich in Typ-II-Supraleitern oberhalb der kritischen Feldstärke H nachweisen, wenn die Flusslinien beginnen, in den Supraleiter einzudringen. Man stellt sie sich, wie es ein Artikel bei „Welt der Physik“ sehr schön beschreibt, als „kleinen, lokalisierten Wirbelstrom aus sehr vielen Elektronen“ vor, „der einen magnetischen Fluss der Größe genau eines Flussquants einschließt“.

Diese Flussquanten verhalten sich praktisch wie Teilchen - obschon sie im strengeren Sinne gar keine Teilchen sind. Sie besitzen aber, wie jedes Quantenobjekt, auch Welleneigenschaften. Die Menge der in einem Supraleiter entstehenden Flussquanten hängt vor allem von der Stärke des einwirkenden Magnetfelds ab. Steigt diese, drängen sich immer mehr Flussquanten auf dem selben Platz. Ihr Vorteil ist vor allem, dass sie sehr stabil sind. Die Quanten ordnen sich in kristallähnlichen Strukturen an oder folgen dem Störstellen-Labyrinth im Supraleiter. Dass sie auch von außen manipulierbar sind, zeigen nun Jachmann und Hucho in ihrer Arbeit.

Schematische Darstellung des Aufbaus des Experiments. Der Supraleiter (YBCO, hier gelb dargestellt) ist auf einem Substrat (LiNbO3) aufgebracht. Die Oberflächen-Schallwelle (surface acoustic wave, SAW), wird links im Bild erzeugt und wandert nach rechts. Bei angelegtem Magnetfeld bilden sich Flussquanten (Vortices) im Supraleiter – hier schematisch als blaue Röhren. Wenn diese nun von rechts nach links bewegt werden, misst man zwischen den senkrecht zur Bewegung liegenden Kontakten eine Spannung, UDC. Dies ist der Nachweis für erfolgreichen Vortextransport durch die Schallwelle. (Grafik/Erklärung: Carsten Hucho / Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik)

Um die Flussquanten zu verschieben, nutzen die Berliner Wissenschaftler akustische Oberflächenwellen (also Schall). Während diese auf dem Supraleiter entlangwandern, verändern sie lokal die Eigenschaften des Materials, so dass eine rippenartige, sich bewegende Struktur entsteht. Die wiederum, so beschreiben es Jachmann und Hucho, übt eine gewisse Kraft auf die Anordnung der Flussquanten aus. Das ist vor allem deshalb interessant, weil es sich bei den Schallwellen um leicht von außen bestimmbare Parameter handelt. Weiter gedacht, könnte eine Art Schall-Schreibkopf die Flussquanten auf ähnliche Weise manipulieren wie in einer Festplatte der Schreibkopf heute die Ausrichtung der magnetischen Domänen beeinflusst.

Aber mit dem kleinen Unterschied, dass die winzigen Domänen in der Festplatte stets an Ort und Stelle verbleiben. Als Nachteil ist natürlich zu verbuchen, dass all dies nur im Temperaturregime des Supraleiters möglich ist. Bei dem von den Forschern verwendeten Material zum Beispiel bei unter 90 Kelvin - was die praktische Anwendung erschwert.