Recht auf Reparatur

Bild: Shane Aldendorff on Unsplash

Der erste Schritt zur EU-Kreislaufwirtschaft soll mit dem Recht auf Reparatur gemacht werden.

Die Zeiten, als elektrische Haushaltsgeräte noch repariert wurden, gingen mit den fallenden Gerätepreisen zu Ende. Die europäischen Lohnkosten machten Reparaturen von Consumergeräten vielfach obsolet, weil die Fertigungskosten der Massenproduktionen bei den asiatischen Auftragsfertigern für lange Zeit nur den Weg nach unten kannten.

Wenn ein Gerät innerhalb der Gewährleistung von zwei Jahren nach dem Kauf defekt wird, wird es nicht repariert, sondern gegen ein neues ausgetauscht. Die dafür bereitgehaltenen Ersatzgeräte wurden nach Ablauf der zwei Jahre in Märkten verkauft, für die die Zweijahresfrist nicht üblich war oder nicht kontrolliert wird.

Nach der Zweijahresfrist ist in Deutschland eine Reparatur meist ausgeschlossen, weil man hierzulande keine Ersatzteile auf Lager nahm und der Fertiger in Fernost nach der Ablieferung der bestellten Auflage auch keine Ersatzteile nachfertigen könnte, weil die spezifischen Zulieferer nicht mehr verfügbar sind.

Reparatur-Cafés, bei welchen keine Lohnkosten anfallen, versuchen die Lücke zu schließen, stehen jedoch vielfach vor dem Problem, dass auch für sie keine Originalersatzteile verfügbar sind und Standardbauteile nicht passen.

Die vielfach geäußerte Befürchtung, dass Geräte so entwickelt werden, dass sie gezielt nach Ende der in Deutschland zwei Jahre dauernden Gewährleistungsfrist ihren Geist aufgeben, also eine geplante Obsoleszenz, ließ sich bislang nicht schlüssig beweisen.

Da in Fernost massenhaft produzierte Geräte für den internationalen Markt in den seltensten Fällen nur für den deutschen Markt entwickelt werden, da sie vielfach in Deutschland unter einer hier bekannten Marke vertrieben werden und in anderen Ländern unter einer anderen, aber vom gleichen Band laufen, erscheint eine geplante Obsoleszenz in den meisten Fällen letztlich auch nicht wirklich plausibel.

Politischer Druck auf Industrie und Gesetzgeber

Aktivisten in den USA oder Stefan Schridde in Berlin fordern seit vielen Jahren ein "Recht auf Reparatur" und haben beispielsweise bei Apple inzwischen zu einem Umdenken geführt. Kritiker mögen einwenden, dass sich Apple solch einen Service aufgrund seiner hohen Margen ja auch erlauben können, kleinere Anbieter jedoch nicht.

Laut einer von Kantar im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband durchgeführten Umfrage erwarten Verbraucher nicht nur, dass ein Gerät lange hält, sondern auch, dass Ersatzteile langfristig verfügbar sind, dass die Reparaturkosten verhältnismäßig sind und dass die Reparatur technisch einfach zu machen ist.

Elektrische Kaffeemühle einer bekannten Marke ist nach fünf Jahren vom Anbieter nicht mehr zu reparieren. Bild: C. Jehle

Inzwischen hat auch die Politik das Feld der Gerätereparatur entdeckt. Sowohl auf nationaler Ebene, als auch in der EU entwickeln sich Vorgaben zur Verpflichtung der Geräteanbieter, erstens Geräte so zu konstruieren, dass sie leicht zu reparieren sind und zweitens die benötigten Ersatzteile auch für unabhängige Reparaturwerkstätten binnen 14 Tagen verfügbar zu machen.

Der Knackpunkt dabei ist die Tatsache, dass jeder Hersteller selbst entscheidet, was ein Ersatzteil ist. Hierfür gibt es bislang keinen gesetzlichen Rahmen.

9R aus Brüssel

Die EU-Kommission hat ihre Vorstellungen zur Kreislaufwirtschaft in einer 9R-Strategie zusammengefasst. Diese umfasst "Refuse, Rethink, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose und Recycle", wobei es bei Repair, Refurbish und Remanufacture durchaus Überschneidungen gibt, sie sich aber zumindest in den Stückzahlgrößenordnungen der betroffenen Geräte unterscheiden.

Konkret soll im Vorfeld eines Rechtes auf Reparatur ein sogenannter Reparierbarkeitsindex eingeführt werden, mit dem für den Kunden schon auf der Verpackung auf einen Blick erkennbar ist, wie gut sich ein Produkt reparieren lässt.

Ohne Informationen über Reparaturkosten und Haltbarkeit könnten sich Verbraucher schwer für die nachhaltige Option entscheiden, argumentieren die Verbraucherschützer. Ob jeder Anbieter den Reparaturindex als Selbstdeklaration darstellt, wie die CE-Kennzeichnung oder ob für den Reparaturindex kostenpflichtige Zertifikate benötigt werden, die Intertek, VDE, die TÜVs oder vergleichbare Prüfinstitutionen ausstellen, ist derzeit noch nicht festgelegt.

Wie dies in der Praxis aussehen könnte, zeigt der französische Reparatur-Index für Elektroartikel. Er verpflichtet Hersteller von Smartphones, Waschmaschinen, Fernsehgeräten, Computern und Rasenmähern, ihre Produkte mit leicht erkennbaren Etiketten zu versehen, auf deren Scala sich ablesen lässt, wie aufwändig die Geräte zu reparieren sind. Das jeweilige Niveau – 0 für schwierig bis 10 für reparaturfreudig – errechnet sich aus folgenden Kriterien:

  • Dauer der Verfügbarkeit von technischer Dokumentation, Gebrauchsanweisung und Wartungshinweisen
  • Reparaturfreundlichkeit einschließlich der erforderlichen Werkzeuge
  • Verfügbarkeit von Ersatzteilen einschließlich Dauer der Verfügbarkeit und Lieferfristen
  • Preise von Ersatzteilen im Vergleich zum Neuprodukt.

Die französischen Konsumenten sollen zudem durch eine sechsmonatige Garantie auf professionell reparierte Produkte sowie Rabatte auf professionelle Reparaturdienste dazu ermutigt werden, Geräte eher instandsetzen lassen, als sie wegzuwerfen. Wiederaufgearbeitete Modelle sollen längere Garantien als Neuprodukte erhalten.

In Deutschland hat das Umweltbundesamt zum Thema Reparierbarkeit im August 2022 eine Untersuchung von "Methoden und Normen zur Bewertung der Reparierbarkeit von Elektro- und Elektronikgeräten" veröffentlicht. Bis daraus ein verbindliches Gesetz wird, dürfte noch einige Zeit vergehen.