Recht haben und Recht bekommen in Sachen Klimaschutz

Eine Frage von Weichenstellungen der nächsten zehn Jahre. Bild: Enrique Lopez Garre auf Pixabay (Public Domain)

Auf zwei Ebenen klagen Umwelthilfe und Aktivisten gegen die Bundesregierung: Bestenfalls muss sie die Zielvorgaben im Klimaschutzgesetz von 2019 nach oben korrigieren. Oder wenigstens die bescheidenen Ziele einhalten

Mehrere Gerichte müssen sich in diesem Jahr mit dem fortgesetzten Bruch von Klimaschutzzusagen durch die Bundesregierung befassen. Entsprechende Klagen der Deutschen Umwelthilfe richten sich sowohl gegen unzureichende Zielvorgaben im deutschen Klimaschutzgesetz von 2019, das nicht mit den Pariser Klimaschutzzielen von 2015 vereinbar ist, als auch dagegen, dass die Bundesregierung sich nicht einmal an die bescheidenen selbstgemachten Vorgaben hält.

Sektorübergreifende Nachschärfung verlangt

Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im November seine Zuständigkeit für eine Klimaschutzklage von sechs portugiesischen Kindern und Jugendlichen gegen 33 Staaten einschließlich Deutschland bejaht hat, zieht auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erneut vor Gericht, um die Bundesregierung zum Handeln zu zwingen.

"Von der Regierung vorgesehene Maßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase reichen sektorenübergreifend nicht aus", erklärte der Verein am Donnerstag zur Einreichung der Klage beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 9. März. Ziel dieser Klage ist ein Programm, mit dessen Maßnahmen die Ziele des Klimaschutzgesetzes eingehalten und die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden.

Klage im Verkehrsbereich: Regierung verweist auf E-Auto-Kaufprämie

Auf eine stärkere Emissionsminderung im Verkehrsbereich hat die DUH die Bundesregierung bereits im September verklagt. Darüber will das Gericht laut DHU-Anwalt Remo Klinger bis Ende des Jahres entscheiden. In der neuen Klageschrift geht es zusätzlich um die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft.

Klinger sieht für beide Klagen gute Chancen, da die Bundesregierung aktuell auch von den Zielvorgaben abweiche, die sie sich im Klimaschutzgesetz Ende 2019 selbst gesetzt hat. Die darin festgelegten jährlichen Höchstmengen klimaschädlicher Treibhausgase waren allerdings schon zu hoch, um einen fairen deutschen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Sinne der Pariser Klimaschutzziele zu leisten. "Angesichts dessen ist es umso dramatischer, dass Deutschland nach Gutachten, die die Regierung selbst eingeholt hat, nicht einmal die Ziele des Klimaschutzgesetzes und der EU-Klimaschutzverordnung einhalten wird", erklärte der Anwalt am Donnerstag.

Für den Verkehrssektor liege ihm bereits eine Klageerwiderung der Bundesregierung vor, sagte Klinger im Gespräch mit Telepolis. Darin würden zwar einige Maßnahmen genannt, die sie schon ergriffen habe - allerdings ohne konkrete Belege für die jeweilige CO2-Einsparung. Beispielsweise mache die Bundesregierung die Verlängerung und Erhöhung der Kaufprämie für Elektroautos geltend. Deren Einsparpotential hänge aber entscheidend vom Strommix ab - und in Deutschland sei noch lange nicht gewährleistet, dass sie nicht zum Teil mit Kohlestrom fahren würden, so Klinger. In Sachen Klimaschutz müsse die Bundesregierung einen "verbindlichen Fahrplan für die nächsten zehn Jahre" vorweisen.

Verfassungsbeschwerde für Zielvorgaben im Sinne von Paris

Zugleich läuft bereits seit Januar 2020 eine von der DUH unterstützte Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die unzureichenden Zielvorgaben in jenem Klimaschutzgesetz von 2019 richtet. Klägerinnen und Kläger sind zehn Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Deutschland im Alter von elf bis 22 Jahren sowie 15 vom Klimawandel bereits jetzt stark betroffene Menschen aus Bangladesch und Nepal. Sie wollen, dass das deutsche Gesetz im Sinne eines fairen deutschen Beitrags mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wird.

Berufen können sie sich auf Artikel 20a des Grundgesetzes, in dem es heißt: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Auch über diese beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereichte Klage erwartet Klinger in diesem Jahr eine Entscheidung.

Der Oppositionspolitiker Lorenz Gösta Beutin, klima- und energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, hält Klagen dieser Art für "Mosaiksteine", die ebenso wie Massenproteste der Umweltbewegung und die Auseinandersetzung in den Parlamenten dazu beitragen könnten, dass Regierende sich an verbindliche Zusagen halten müssen. Ohne Druck auf mehreren Ebenen, da ist er sicher, tun sie es nicht.

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