Rechts ist Trumpf in Costa Rica

Die erste weibliche Präsidentin des Lands ist eine stramme Konservative

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Bis in die den frühen Montagmorgen feierten die Anhänger von Laura Chinchilla den fulminanten Wahlsieg ihrer Kandidatin. Mit fast 47 Prozent der Stimmen fuhr die Kandidatin der rechts-sozialdemokratischen Partei der Nationalen Befreiung (PLN) einen unerwartet klaren Wahlsieg ein und errang das höchste Staatsamt im ersten Wahlgang. Die Wahlenthaltung lag mit etwas über 30 Prozent unter dem Wert von vier Jahren, als Chinchillas Vorgänger und Mentor Oscar Arias die Wahlen mit 41 Prozent gegen den Herausforderer Ottón Solis gewann. Der Mitte-Links-Kandidat kandidierte zum dritten Mal erfolglos und warf nun das Handtuch, weil er lediglich 25 Prozent der Wähler überzeugen konnte – ein Verlust von 14 Prozentpunkten im Vergleich zu 2006. Mit fast 21 Prozent folgt der Ultrarechte Otto Guevara von der Libertären Bewegung (ML) auf dem dritten Platz, ein Rekordergebnis für den Politiker, der sich gerne als starker Mann darstellt.

Laura Chinchilla bedankt sich auf ihrer Website bei den Wählern

Im Parlament kann Laura Chinchilla - wie schon ihr Vorgänger Oscar Arias - nicht mit einer Mehrheit rechnen. Nach dem aktuellen Stand der Stimmenauszählung stellt die PLN 23 der insgesamt 57 Parlamentarier (in der letzten Legislaturperiode waren es 25). Sie wird also mit anderen Fraktionen verhandeln müssen. Für die konservative Politikerin wird es indes nicht schwer sein, Verbündete zu finden, denn politisch hat es eine klare Rechtsverschiebung im Parlament gegeben. Otto Guevaras rechte Truppe (ML) erstarkt von 6 auf nun 9 Abgeordnete, und auch die von Korruptionsskandalen erschütterte, ehemalige Regierungspartei Christsoziale Union (PUSC) kann von 5 auf 6 Sitze leicht zulegen. Die fundamentalistischen Christen und eine christliche Regionalpartei erringen jeweils einen Sitz. Überraschend gewann die Sozialpartei PASE, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt vier Parlamentssitze.

Das Ergebnis für die Kräfte links von der Mitte ist mehr als ernüchternd: Die Fraktion Partei der Bürgeraktion (PAC) von Ottón Solis schrumpft von 17 auf nur noch 12 Mitglieder. Die Linkspartei Breite Front (FA) gewinnt zwar deutlich Stimmen, kommt aber erneut wieder nur auf ein Mandat.

Mit Sicherheit nach rechts gedriftet

Als Hauptthema ihres Wahlkampfes wählten Laura Chinchilla und Otto Guevara "Innere Sicherheit" - oder besser den Umgang mit Kleinkriminellen. Die Massenmedien orchestrierten das Thema mit entsprechenden Meldungen. Schon Wochen vor offiziellem Beginn des Wahlkampfes war Otto Guevara mit massiven Anzeigen und Plakaten in die Öffentlichkeit gegangen, um für seine Politik der "harten Hand" mit deutlich ausländerfeindlichem Diskurs in die Öffentlichkeit zu gehen. Bis heute ist der Rechtspopulist dem Obersten Wahlgericht (TSE) eine Antwort darauf schuldig, woher die vielen Millionen US-Dollar stammen, die er in seinen Wahlkampf investierte.

Während die Kandidaten die Situation in den düstersten Farben malen, ist das Thema "Sicherheit" nach Ansicht von Sebastian Huhn, Mitarbeiter des GIGA-Instituts in Hamburg (German Institute of Global and Area Studies), in Costa Rica ein durchaus kontrollierbares Problem. "Die Kriminalitätsraten sind in den vergangenen Jahren langsam angestiegen. Nicht in allen Bereichen, aber in einigen. Das ist aber ein Phänomen, welches es in allen Industrienationen gibt. In Costa Rica hält es sich in regionalem Vergleich in Grenzen. Die Panik hat in viel größerem Maße zugenommen als die Statistiken", bilanzierte der Experte.

Delikte wie Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und einfache Einbrüche seien sogar zurückgegangen. Darauf geht aber kein Politiker ein. Auch nicht Chinchilla, die dies durchaus als Erfolg ihres früheren politischen Wirkens darstellen könnte. Deren Wahlprogramm umriss die konservative Tageszeitung La Nación wie folgt: "Es lässt sich auf drei Schlagworte zusammenfassen: Sicherheit, Sicherheit und Sicherheit." Nach Aussage von Huhn handelt es sich dabei um eine Mischung aus Prävention (wobei Chinchilla hier vor allem auf stärkere Kontrollen setzt) und "hartes Durchgreifen".

Zu sicher sinnvollen Maßnahmen wie Bekämpfung der Korruption bei der Polizei, höhere Löhne und bessere Ausbildung für Polizisten, gesellen sich Forderungen wie die zur flächendeckenden Videoüberwachung des öffentlichen Raumes, Eingangskontrollen an Schulen, sowie höhere und konsequentere Gefängnisstrafen für Kleinkriminelle. "Die Idee der Rehabilitation ist komplett verschwunden. Laura Chinchilla setzt sich dafür ein, dass alle Kriminellen ins Gefängnis kommen und nie wieder heraus", konstatierte Sebastian Huhn.

Noch eine eiserne Lady

Laura Chinchilla steht für Kontinuität der Politik des amtierenden Präsidenten Óscar Arias in allen Bereichen. Als "standhafte und ehrliche" eiserne Lady ist die studierte Politikwissenschaftlerin in den Wahlkampf gezogen. Die konservative Tageszeitung La Nación witzelte sogar einmal, die Politikerin habe inhaltlich noch nie etwas gesagt, was Arias nicht vorher bereits gesagt habe. Politische Gegner stellten sie im Wahlkampf als Marionette ihres politischen Mentors dar. Dieses Bild ist indes zweifelhaft, denn Laura Chinchilla verfügt fraglos über große Sachkompetenz - die sie freilich in den Dienst ihrer eigenen Politikagenda stellt - und einen ausgeprägten Machtinstinkt.

Die feministischen Organisationen des Landes haben sich in unterdessen in einem offenen Brief gegen die Wahl der Politikerin ausgesprochen. Da diese keinen Respekt vor den Errungenschaften der Frauenbewegung habe, wäre deren Wahl aus Sicht der Feministinnen auch kein Fortschritt. Chinchilla lehnt zum Beispiel die Legalisierung der Abtreibung vehement ab. Auch sonst positioniert sich die Politikerin stramm konservativ mit einem klaren Nein zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und der Säkularisierung des Staates.

In der Regierung Arias diente sie als Justizministerin und Vizepräsidentin. Bereits in den 90iger Jahren war sie als Ministerin für Sicherheit tätig gewesen. Sie gilt als führende Expertin für Kriminalität in Zentralamerika, in diesem Kontext arbeitete sie als Beraterin für die Interamerikanische Entwicklungsbank, Vereinte Nationen und andere internationale Organisationen.

Bilanz der Regierung Arias

Aus Sicht der PLN-Nomenklatura waren die vier Jahre der Regierung Óscar Arias - mit seinem Bruder Rodrigo als Präsidentschaftsminister (ähnelt dem Amt des Ministerpräsidenten) an der Seite - ein Erfolg. So ist das Ergebnis nicht nur der wie geschmiert laufenden Wahlkampfmaschinerie der Partei zu verdanken, sondern auch dem Fortbestand einer Stammwählerschaft.

Hauptanliegen der scheidenden Regierung war die Ratifizierung von CAFTA-DR und die Verabschiedung der neoliberalen Umsetzungsagenda. Geprägt waren die ersten Jahre der Arias-Regierung von der Auseinandersetzung um das Dominican Republic-Central America Free Trade Agreement (CAFTA - DR). Unter anderem sieht der Vertrag die Liberalisierung in Investitions- und Dienstleistungssektoren vor. Für die Organisationen der sozialen Bewegungen bedeuten die daraus resultierenden Privatisierungen öffentlicher Betriebe (Telekom, Energiesektor und Sozialversicherung), dass das bisherige Modell eines sozialen Wohlfahrtsstaates durch ein neoliberales ersetzt wird.

Ungeachtet ziviler Proteste wurde das Abkommen in den USA, der Dominikanischen Republik, Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua bereits 2004 und 2005 ratifiziert. Am 7. Oktober 2007 sprachen sich im Referendum – bei einer Beteiligung von 59,2% der 2,6 Mio. Wahlberechtigten – in Costa Rica 51,6% für und 48,4% gegen die Ratifizierung aus. Somit stimmten also etwas mehr als ein Drittel für CAFTA, ein Drittel dagegen und ein Drittel enthielt sich.

Costa Ricas Ökonomie scheint die volle Kraft der Weltwirtschaftskrise nicht abbekommen zu haben. Die Rezession fiel zuletzt milder aus als erwartet: Nach den Zahlen des Länderberichts der Economist Intelligence Unit (EIU) schrumpfte die ökonomische Aktivität des Landes im September 2009 im Vorjahresvergleich nur um 0,1 Prozent, die geringste Kontraktion seit Oktober 2008. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt scheint sich momentan nicht zu verschlechtern, nachdem es bis Anfang der zweiten Jahreshälfte 2009 massive Entlassungen in den Bereichen Textilwirtschaft, Baubranche, Medien und Tourismus gegeben hatte. Die Erwerbslosenquote stieg indes von 4,6 Prozent (2007) auf 6,4 Prozent (2009).

Dass diese Zahlen relativ moderat aussehen, liegt nicht zuletzt an der guten Auslastung der Intel-Mikrochipproduktionsstätte in San José, Costa Rica. Intels Produktion generiert annähernd ein Viertel des BIP und durch die Freihandelsvereinbarungen mit Asien fand der Halbleiterhersteller dort bisher gute Absatzmärkte. Auch der IT-Cluster, der sich um Intel gebildet hat, und die zahlreichen Callcenter prominenter US-Hardwarehersteller, die sich hier befinden, blieben von verheerenden Auswirkungen der Krise bisher verschont. Das mag zum Teil auch an den niedrigen Löhnen von nur 1 USD pro Stunde liegen, die den Callcentermitarbeitern bezahlt wird

Mit dem "Schildplan" gelang es der Regierung, niedrig bezahlte Arbeitsplätze zu erhalten. Dieses Investitionsprogramm ist indes auch einer der Gründe, warum die Staatsverschuldung in 2010 auf 50,5 Prozent des BIP ansteigen wird. Was in Costa Rica weiterhin massiv fehlt, sind qualitativ gute Arbeitsplätze mit guten Löhnen. Für 2010 erwarten Experten ein Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent, welches auf einer leichten Erholung des produzierenden Gewerbes, der Exporte und des Binnenmarkts basiert. Journalisten und Politiker stellen diese Aussichten gerne als Ende der Wirtschaftskrise hin. Diese Perspektive werden sie 2011 revidieren müssen, wenn die US-Wirtschaft wieder abflauen wird und damit auch die exportorientierte costaricanische Ökonomie nach unten zieht.

Torge Löding ist Kommunikationswissenschaftler und arbeitet als Journalist für das unabhängige Kommunikationszentrum VOCES NUESTRAS in San José, Costa Rica.