Rechtsdrall bei X: Antidiskriminierungsstelle verlässt Musks Plattform

Elon Musk hat nichts dagegen, wenn politische Gegner durch harte Pöbeleien vergrault werden. Zensur ist schlecht für sein Image. Foto: Courtesy Photo / CC0 1.0

Der Schritt wird mit Zunahme menschenfeindlicher Inhalte begründet. Jüdische Geistliche riefen zum Boykott auf. Was das Fass zum Überlaufen brachte.

Das rechte Lager auf der Plattform X, ehemals Twitter, dürfte es als Erfolg verbuchen: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat dort die Segel gestrichen – ihr Account wurde bereits gelöscht. Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, begründete diesen Schritt am Mittwoch mit einem "enormen Anstieg von Trans- und Queerfeindlichkeit, Rassismus, Misogynie, Antisemitismus und anderen menschenfeindlichen Inhalten".

X sei deshalb "für eine öffentliche Stelle kein tragbares Umfeld mehr". Auch sei die Zahl der Hasskommentare so massiv angestiegen, dass die Antidiskriminierungsstelle dem nur noch mit einem hohen personellen Aufwand begegnen könne. "Es ist fraglich, ob das mit Steuermitteln noch zu rechtfertigen ist", erklärte Ataman. Außerdem stelle sich die Frage, welche Zielgruppen über X noch erreicht werden könnten.

Seit der Tech-Milliardär Elon Musk die Plattform vor knapp einem Jahr für 44 Milliarden US-Dollar gekauft hat, sehen sich Teile des linksliberalen und linken Publikums nach Alternativen um. Zunächst zogen einige auf die Plattform Mastodon um, neuerdings wird Bluesky empfohlen. Einige pflegen aber auch wegen der größeren Reichweite zunächst weiterhin ihre Accounts bei X.

Vor dem Eigentümerwechsel waren es vor allem staatsferne Linke, die damit rechnen mussten, bei Twitter übel beschimpft zu werden; und das teilweise auch von staatstragenden Linksliberalen auf Nato-Kurs. Zeitweise war "Lumpenpazifist" ein beliebter Hashtag. Inzwischen werden aber beide Gruppen vermehrt von Rechten und Ultrarechten angegriffen.

Musk begrüßt grundsätzlich, wenn mit allem aufgeräumt wird, was er als zu "woke" wahrnimmt: Wenn die Betreffenden durch harte Pöbeleien vergrault werden, muss der Rechtslibertäre nicht zu Zensurmaßnahmen greifen, um politische Gegner auf der Plattform loszuwerden. Auch das kam schon vor, Musk hob aber nach Kritik und einer von ihm gestarteten Umfrage die Sperrung zweier prominenter Journalisten wieder auf.

"Als staatliche Institution eine Vorbildfunktion"

Die Antidiskriminierungsstelle habe "als staatliche Institution eine Vorbildfunktion", befand Ataman. "Ministerien und staatliche Stellen sollten sich fragen, ob es weiterhin tragbar ist, auf einer Plattform zu bleiben, die zu einem Desinformations-Netzwerk geworden ist und dessen Eigentümer antisemitische, rassistische und populistische Inhalte verbreitet", so Ataman. Die Bundesministerien waren der indirekten Aufforderung am Donnerstagmorgen aber noch nicht gefolgt.

Gerade den vergangenen Wochen hätten "Hate Speech und Desinformation bei Twitter/X deutlich zugenommen". Zudem sei Musk ist aus dem freiwilligen EU-Abkommen zur Bekämpfung von Desinformationen im Internet ausgestiegen.

Ende September hatten mehr als 100 jüdische Geistliche und Organisationsvertreterinnen zum Boykott der Plattform aufgerufen. In deren Erklärung hieß es, X ist zu einem Nährboden für Antisemitismus geworden und stelle "eine der größten Gefahren für Juden seit Jahren" dar. "Wenn sich nicht etwas ändert, wissen wir, was passieren wird: Hassreden und Radikalisierung sind immer die Vorstufe zur Gewalt."

Allerdings wird die immer noch reichweitenstarke Plattform auch weiterhin für Statements gegen Antisemitismus genutzt, die teilweise, aber nicht ausnahmslos mit einer Parteinahme für den Staat Israel im aktuellen Gaza-Krieg verbunden sind.

Nach den Massakern der islamistischen Hamas in Israel hatte Musk am Sonntag zwei X-Accounts empfohlen, "um den Krieg in Echtzeit zu verfolgen". Die Accounts @WarMonitors und @sentdefender seien "gut", schrieb Musk. "Es lohnt sich auch, direkten Quellen vor Ort zu folgen." Der Account War Monitors war bereits im Juni durch abwertende Kommentare im Zusammenhang mit Juden aufgefallen: "Go worship a jew lil bro", zu Deutsch: "Geh und bete einen Juden an, kleiner Bruder".

Inzwischen hat auch EU-Kommissar Thierry Breton Musk vorgeworfen, auf X nicht hart genug gegen Fake News vorzugehen. "Nach den terroristischen Anschlägen der Hamas gegen Israel haben wir Hinweise darauf, dass Ihre Plattform genutzt wird, um illegale Inhalte und Desinformationen in der EU zu verbreiten", schrieb Breton in einem Brief an Musk, den er auch auf X veröffentlichte.