Regie des Wahnsinns

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In der amüsanten Horrorkomödie "The Cabin in the Woods" inszeniert Big-Brother-Reality-TV ein okkultes Ritual als letzte Hoffnung der Menschheit und macht dabei sogar Monster zu Opfern

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Der Tiefschlaf der Vernunft im 21. Jahrhundert gebiert medial unermüdlich Ungeheuer in Form von Reality-Horror-Hybriden: Sei es im Found Footage-Film-Genre der tollkühnen Post-post-Blair-Witch-Geisterjäger mit ihren Billig-Camcordern oder als bizarrer Reigen von Reality-TV-Shows mit Schlager-Zombies, Tittenmonstern, geil-frustrierten Soldaten-Ehefrauen / Polizisten-Ehefrauen / Mafiosi-Housewives, mit als Sarah-Palin-Ehemann vorgedrillten Hobby-G.I's. und (meta, meta) auch mit dem "Alltag" von Reality-Show-Darstellern. Das schiere Grauen also.

Achtung: Der folgende Text enthält Spoiler

Drew (Andrew) Goddard, der als Producer von Lost- und Alias-Folgen im Imperium von J.J. Abrams angefangen und das Drehbuch zu dem ganz ordentlichen Found Footage-Thriller Cloverfield geschrieben hat, lässt folgerichtig ein Häuflein vermutlich durch entsprechenden Medienkonsum in ihrem Land bestens sedierter amerikanischer Studenten unbeschwert in eine perfide tödliche TV-Falle tappen.

Die aus dem College-Quarterback-Schönling Curt, dem Wiseass-Kiffer Marty, der blonden Bitch Jules, der spröden Dana und dem schwarzen Nerd Holden bestehende Gruppe will ein vergnügliches Wochenende in einer abgelegenen Waldhütte verbringen. Auf dem Weg dahin absolvieren die Fünf die Begegnung mit einem weiteren klassischen Horror-Szenario: dem sinistren Hinterwäldler an der heruntergekommenen Tankstelle, der neben Schwällen von Kautabak auch ominöse Warnungen vor dem Ausflugsziel ausstößt.

Noch sinisterer wird es aber, als ein dem Wagen folgender Greifvogel an einer mysteriösen unsichtbaren Energiebarriere sein Leben aushaucht. Curt, Marty, Holden, Dana und Jules erreichen indes wohlbehalten die Hütte und richten sich häuslich ein. Der brave Holden entdeckt durch Abhängen eines ominösen Gemäldes, dass der Spiegel im Zimmer seiner Nachbarin Dana ein venezianischer - auf einer Seite transparenter - Einwegspiegel ist, traut sich aber (verklemmt) nicht dem ahnungslosen Fräulein beim Ausziehen zuzuschauen und tauscht mit ihr sodann artig das Zimmer.

Dieses ungebührliche Verhalten alarmiert die TV-Regie, die in dem Geschehen tatsächlich die Fäden zieht. Zwei abgebrüht-zynische Chef-Techniker (speziell einer im kurzärmeligen weißen Hemd und schwarzen Schlips sieht wie ein 60er-Jahre-Angestellter aus), haben mit ihrem Team das Geschehen in und an der Hütte (wie auch in anderen Szenarios rund um den Globus) auf ihrer riesigen Big-Brother-Monitorwand in einem bodenstationsartigen Regieraum voll im Blick und steuern es mit diversen Mitteln fern, manipulieren das Verhalten (speziell die Libido) der unfreiwilligen Protagonisten auch mittels versteckter Düsen eingesprühter Psychopharmaka.

Dem sozialkritischen Dauer-Kiffer Marty fallen charakterliche Veränderungen und wirre Entscheidungen schließlich sogar durch seinen Marihuana-Nebel hindurch auf. Seine zunehmende Paranioa kann aber nicht verhindern, dass die (von einer wenig subtil aufknallenden Kellerluke in ebendiesen gelockten) Kollegen es nicht lassen können, in einem uralten Tagebuch einer früheren Bewohnerin zu schmökern.

Eine fatalerweise vorgelesene lateinische Beschwörungsformel triggert die Wiederauferstehung der untoten Zombie-Kannibalen-Familie Buckner. In der TV-Regie wird durch eine Ratespiel-Auflösung endgültig enthüllt, dass es sich bei den untoten Rednecks um nur eines von mehreren möglichen Monster-Szenarios handelt, dessen Realisierung durch die gewählte Handlung der Protagonisten im Keller bestimmt wurde. Zudem erfährt man, dass die Monster aus der Dimension einer "älteren Welt" stammen und tatsächlich Verfügungsmasse der Horrorshow-Macher sind.

Das ad hoc mit Hilfe von Pheromon-Sprühnebeln und heller gedrehter Szenenbeleuchtung zum Schäferstündchen im Wald verleitete Pärchen Curt und Jules wird in flagranti von den Zombies überrascht. Curt kann entkommen - von da an entbrennt ein blutrünstiger genretypischer Überlebenskampf, bis Marty schließlich zufällig eine versteckte Mini-Kamera und damit die ganze furchtbare Wahrheit entdeckt: "Oh mein Gott, ich bin in einer Reality-TV-Show – meine Eltern werden denken, dass ich total am Ende bin!"

Nachdem der Angriff der Zombie-Horde abgewehrt scheint, versuchen die Überlebenden Holden, Dana und Curt im Auto durch einen Zufahrtstunnel zu fliehen, werden aber durch eine hastig ferngezündete Sprengung daran gehindert. Curt scheitert beim Evel-Knievel-mäßigen heldenhaften Sprung mit seinem Motorrad über einen Abgrund und zerschellt an der unsichtbaren Barriere. Holden wird zurück an der Hütte von einem Zombie-Slasher getötet.

Die TV-Show-Belegschaft feiert nun den erfolgreichen Abschluss des als Ritual enthüllten Spektakels, bei dem bis auf die "Jungfrau" alle Protagonisten getötet werden müssen, wird aber durch einen Anruf "von oben" eines Besseren belehrt. Wie sich zeigt, ist Marty (der Dana im letzten Moment vor einem Buckner-Monster rettet) noch am Leben. Der Kiffer-Held zeigt ihr, dass er einen geheimen Aufzug entdeckt hat und fährt mit ihr nach unten in unbekanntes Terrain.

Die beiden nehmen dabei verschiedene in Käfigen eingesperrte finstere Kreaturen wahr, die zum Teil (womöglich wegen der leidigen Copyright-Probleme) nur vage an aus Horror-Klassikern bekannte Monster erinnern und für vergnügliches Raten bzw. Diskussionen bei Cineasten sorgen dürfte: Wer wohl der glatzköpfige Riese mit den Sägeblättern im Kopf und der gülden verzierten Kugel in Händen sein mag ...

Die von der bedrängten TV-Crew zur endgültigen Liquidierung der Spielverderber losgeschickte SEK-Hit-Squad wird durch die von Dana als Rache entfesselte Monster-Gang massakriert und auch die gemeinen Chef-Techniker fahren nun (sehr schön das Killer-Einhorn) zur Hölle. Ganz unten in einem merkwürdigen Tempel kommt es schließlich zum Showdown mit der eiskalten Regisseurin, die die ganzen Hintergründe des Rituals enthüllt, die sich gehörig bei den "Kosmischer Horror"-Mythen des großen alten H.P. Lovecraft bedienen.

Es spricht für Drew Goddard, dass er den Komödien-Anteil kaum in dummen Klaumauk abgleiten lässt und den Monstern, die ja eigentlich auch nur Opfer der allumfassenden Reality-Horror-Show sind, nochmal richtig mal ihren Spaß gönnt. Endlich einmal kein einfältiger billiger ShakyCam-Mist, kein spekulativer Ultra-Torture-Porno à `la Hostel / Martyrs et al. und keine post-apokalyptischen Zombie-Jäger-Knallchargen. The Cabin in the Woods ist die beste neue Horrorkomödie seit Langem - und das aus dem Land, das filmisch sonst fast nur noch bei Remakes und Marvel-Comics Weltspitze ist.

God bless America – please !! Und Goddard traut sich sogar die manchmal leicht peinsame Infantilität japanischer Grusel-Mythen in einer brillanten Szene zu veräppeln. Besonders gescheit sind jedoch die heroischen Show-Renegades Dana und Marty, die sich tragisch zwischen der Selbstopferung und der Apokalypse entscheiden müssen, auch nicht. Kein Wunder - hätten sie lieber mal diese äußerst nützliche TV-Show mitgemacht.

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