Rekord-Militärausgaben: Der Sieg der Rüstungslobbyisten wie Strack-Zimmermann

Seite 2: Auch CDU- und SPD-Politiker als Rüstungsversteher

Die Rüstungsindustrie würde so über "sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügen", schlussfolgert Lange. Strack-Zimmermann hat von Beginn des Ukraine-Kriegs an immer eindringlich dafür geworben, dass Deutschland mehr und schwerere Waffen an die Ukraine liefert. Dafür hat sie sehr viel Medienpräsenz bekommen.

Aber nicht nur Strack-Zimmermann hat enge Kontakte zum militärisch-industriellen Komplex. Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), ist ebenfalls prominent in den Präsidien des DWT und FKH vertreten.

Auch beim Sprecher der CDU/CSU-Fraktion in wehrpolitischen Fragen, Florian Hahn, und beim verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Wolfgang Hellmich, sei die Nähe zur Rüstungsindustrie durch Ämter und Lobbyfunktionen zum Teil "besonders krass", wie Transparency feststellt.

Testlabor für westliche Waffen und enorme Gewinne

Für die Waffenhersteller ist der Ukraine-Krieg aber nicht nur eine Bonanza. "Womöglich gibt es einen willkommenen Seiteneffekt für die Waffengeber", meint Helmi Krappitz am 16. Januar dieses Jahres in der Frankfurter Rundschau. "Der Krieg bietet dem Westen die seltene Möglichkeit, seine Waffensysteme im Einsatz zu testen". Die Ukraine sei gewissermaßen ein "Testlabor für westliche Waffen".

Das Ergebnis auch von Lobbyismus: Die Ausgaben Deutschlands für das Militär sind in den letzten Jahren massiv angestiegen. Der deutsche Verteidigungshaushalt wurde im Vergleich zu den Budgets der anderen Ministerien in den letzten Jahren am stärksten aufgestockt, von 38,5 auf jetzt 51,95 Milliarden Euro.

Dazu kommen noch 20 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr für 2024. Also insgesamt werden für Verteidigung 72 Milliarden ausgegeben. Das ist eine Steigerung von fast 90 Prozent in nur fünf Jahren.

Profiteure der Steuergelder für Verteidigung sind die großen Waffenhersteller. Die Rheinmetall-Aktie stieg zum Beispiel in den letzten Jahren um das Zehnfache, allein in den letzten zwei Jahren, nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und dann vor allem nach Israels Gaza-Krieg vor sechs Monaten, legte sie in der Spitze um fast 500 Prozent zu.

USA: Die Pro-Bono-Lobbyisten für die Ukraine

In den USA ist Lobbyismus im Rüstungssektor noch tiefer verankert in Politik und Gesellschaft. Das liegt auch an den Summen und der Macht des militärisch-industriellen Komplexes.

Letztlich geht es um die Verteilung eines gigantischen Wehretats von heute rund 900 Milliarden Dollar. Die Hälfte davon, rund 450 Milliarden, gingen letztes Jahr direkt an Rüstungsfirmen.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine kam Unterstützung für das Land aus scheinbar jeder Branche in den Vereinigten Staaten. Doch einer der wichtigsten Sektoren, der der Ukraine zu Hilfe kam, ist die mächtige Lobbyindustrie in Washington, wie Eli Clifton und Ben Freeman vom Quincy Institute auf Responsible Statecraft berichten.

Die russische Invasion habe einige der größten Lobbyisten dazu veranlasst, das Undenkbare zu tun – Lobbyarbeit pro bono, also umsonst, für die Ukraine zu betreiben. Einige der Firmen haben dabei durchaus finanzielle Anreize: Sie streichen Millionenhonorare der Auftragnehmer des Pentagons ein, die wiederum große Gewinne durch den andauernden Krieg in der Ukraine generieren können.

Die Pro-Bono-Lobbyisten für die Ukraine profitieren also indirekt, im Stillen, von ihren Lobby-Kunden aus der Rüstungsindustrie. Sie arbeiten einerseits daran, die US-Politik auf die Beschaffung von mehr Waffen für Kiew zu lenken, vertreten andererseits aber zugleich auch Waffenhersteller.

1,4 Billionen Dollar

Der Erfolg scheint ihnen Recht zu geben. So wurde gestern das Waffenpaket für die Ukraine, Israel und Taiwan in Gesamthöhe von 95 Milliarden Dollar vom US-Kongress nach langem Tauziehen genehmigt.

Insgesamt kennen die Ausgaben für Rüstung und Militär in den Vereinigten Staaten seit Jahren und Jahrzehnten nur eine Richtung: nach oben.

Das Pentagon- und Sicherheitsbudget ist in den USA längst in der Stratosphäre, die kein Maß, keine Grenzen kennt, angelangt. 1,4 Billionen Dollar der Steuerzahler-Gelder, Tendenz steigend, werden pro Jahr für Militär- und Sicherheitsausgaben bereitgestellt (davon 900 Milliarden für das Verteidigungsministerium). 62 Cents von jedem gezahlten Steuer-Dollar, der frei verfügbar vom US-Kongress ausgegeben wird, endet bei Streitkräften, Militärbasen, Waffenproduzenten und Sicherheitsfirmen.

EU: Industriestrategie für den Verteidigungsbereich

In der EU setzt man ebenfalls auf politische Militarisierung. Während die Rüstungsindustrie boomt, mit dem Trend zur Kriegswirtschaft, zitiert EU-Außenamtschef Josep Borrell den lateinischen Spruch "Si vis pacem, para bellum", "Wenn man Frieden will, muss man sich auf den Krieg vorbereiten", während die EU-Kommission zum ersten Mal eine "Defense Industrial Strategy" ("Industriestrategie für den Verteidigungsbereich") vorgelegt hat.

Dabei wird der Schwerpunkt von klima- auf verteidigungsbezogene Projekte verlagert, der Green Deal heruntergestuft und der Europäische Souveränitätsfonds – eine Antwort auf Konjunkturprogramm IRA der Biden-Regierung in den USA – von zehn auf 1,5 Milliarden Euro gekürzt.

Auch hinter diesem Trend der Aufrüstung stecken Lobbys. Im Vorfeld von gemeinsamen Waffenkäufen und -verkäufen der EU im März dieses Jahres drängten Waffenhersteller von beiden Seiten des Atlantiks darauf, so ein Bericht von Politico, wichtige EU-Kommissare und EU-Gesetzgeber zu treffen, während Lobbying-Firmen Militärexperten für ihr Brüsseler Büro abwerben.

"In 20 Jahren im Bereich der öffentlichen Angelegenheiten habe ich noch nie so viele Entwicklungen in einem Politikbereich gesehen wie im Bereich der Verteidigung in den letzten fünf Jahren", sagte Benoît Chaucheprat, Mitbegründer von C&V Consulting, einer Firma, die sich in Brüssel ausschließlich auf die Verteidigungspolitik konzentriert.

Die steigende Macht der Lobbys

Eine Studie von Corporate Europe fand bereits 2017 heraus, dass die Lobby-Ausgaben der Rüstungskonzerne seit Jahren stark ansteigen, auf über fünf Millionen, Stand 2017. "Es besteht ein ständiger und enger Dialog sowohl mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA)", hieß es 2016 in einem Newsletter der Lobbyorganisation AeroSpace and Defence Industries Association (ASD).

Die Einflüsterer der Waffenhersteller können sich mit ihren Wünschen immer stärker durchsetzen, das zeigt auch die Neuausrichtung der EU-Budgets Richtung Militarisierung. Die jüngsten Kriege und Konflikte sind dabei ein äußerst profitables Klima für die Rüstungskonzerne.

Es ist eine Art Teufelskreis: Die Kriege befeuern die staatlichen Ausgaben für Panzer, Artillerie, Gewehre, Kriegsschiffe, Kampfjets und -helikopter sowie diverse Sicherheitsausrüstungen, die die Konflikte anheizen, während die Rüstungsunternehmen enorme Umsatzsteigerungen und Profite generieren, die ihnen wiederum mehr Möglichkeiten einräumen, ihre Lobbyarbeit erfolgreich umzusetzen.