Remigration: Unwort des Jahres 2023 und die AfD-Verbotsdebatte
Seite 2: Die Doppelmoral im Kampf gegen die AfD
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Als besonders verwerflich wurde in den Medien noch angemerkt, dass auf der rechten Klausurtagung auch über die Rückwanderung von Migranten gesprochen wurde, die bereits die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Auch hier blieb meist unerwähnt, dass solche Debatten in den vergangenen Monaten auch von Unions- und SPD-Politikern geführt wurden.
Es wurde deutlich gemacht, dass Menschen, die sich etwa islamistisch betätigen, auch die Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden könnte.
An solche Debatten knüpfen dann die Ultrarechten mit ihren Remigrationskonzepten an. Und es bleibt nicht bei solchen Plänen – so wurde türkischen Linken die Aufenthaltserlaubnis entzogen, weil sie weiterhin in linken türkischen Exilstrukturen aktiv waren.
2019 forderten einige der Betroffenen in einer Petition die Rückgabe ihrer Aufenthaltstitel. Sie erreichte nicht einmal das bescheidene Ziel von 200 Unterstützerunterschriften. Ilker Sahin, einer der Betroffenen, wurde zu einer Haftstrafe von 5 Monaten ohne Bewährung verurteilt, weil er gegen die Meldeauflagen und die Residenzpflicht verstoßen hatte, indem er vor dem NRW-Justizministerium in Düsseldorf demonstrierte und die Stadt Köln nicht verlassen durfte.
Diese Maßnahmen waren aber die direkte Folge des Entzugs des Aufenthaltsrechts und genau dagegen protestierten Ilker und andere Betroffene mit Dauerdemonstrationen vor dem Düsseldorfer Justizministerium. Es wäre wünschenswert, wenn die Empörung über rechte Remigrationskonzepte dazu führen würde, die Menschen zu unterstützen, die bereits heute in Deutschland mit dem Entzug des Aufenthaltsrechts konfrontiert sind.
Es ist nicht das erste Mal, dass Politiker von SPD und Grünen gemeinsam mit Linksliberalen zum "Aufstand der Anständigen" aufrufen. Nach rassistischen Anschlägen auf Migranten mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft kam es im Herbst 1992 zu Großdemonstrationen in Berlin.
Auf ihnen wurde der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker ausgebuht, weil er die damaligen massiven Einschränkungen des bundesdeutschen Asylrechts verteidigt und mitgetragen hatte. Im Jahr 2000 rief dann Bundeskanzler Schröder erneut zu einem "Aufstand der Anständigen gegen rechts" auf, nachdem es vermehrt zu rechten Anschlägen gekommen war.
Als gesellschaftliche Bewegung verpuffte er schnell, hatte aber zur Folge, dass sich eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Initiativen etablierte, die sich gegen unterschiedliche Formen rechter Politik wandten.
Gleichzeitig verlor im Jahr 2000 eine staats- und kapitalismuskritische Antifa-Bewegung, die nicht nur die extreme Rechte, sondern auch die Politik der sogenannten Mitte kritisierte, massiv an Einfluss.
Die Herausforderung für die linke Bewegung: Erneuerung oder Anhängsel?
Wenn 2024 eine Neuauflage dieses Aufstands der Anständigen ausgerufen wird, ist die staatskritische linke Bewegung noch schwächer als vor 24 Jahren. Ob es sie noch gibt und ob sie sich vielleicht sogar erneuern kann, wird unter anderem davon abhängen, ob es ihr gelingt, im entscheidenden Wahljahr 2024 nicht zum bloßen Wahlkampfanhängsel von SPD und Grünen zu werden.
Schafft sie es, eine eigenständige linke Kraft zu werden, die Abschiebungen nicht erst dann kritisiert, wenn sie von rechts als Remigration verkauft werden? Schafft sie es, deutlich zu machen, dass ein großer Teil der realen Remigration heute außerhalb der deutschen Grenzen stattfindet und, wenn es nach dem Willen auch von SPD und Grünen geht, noch verstärkt werden soll?
Die Zukunft der Solidaritätsbewegung: Hoffnung trotz Pessimismus
Werden Scholz und andere Bundespolitiker auch gefragt, wohin sie sich zurückziehen, wenn sie im großen Stil abschieben wollen? Und gelingt es, eine Solidaritätsbewegung mit den Menschen aufzubauen, die schon heute von den Verschärfungen des Asylrechts betroffen sind? Die erwähnte Nichtreaktion auf die Petition von Ilker Sahin stimmt pessimistisch.
Kritische Stimmen gegen die Abschiebepolitik: Hoffnung auf Widerstand
Dass bei den Kundgebungen gegen rechte Politik am Wochenende am Brandenburger Tor auch kritische Stimmen zur Abschiebepolitik der Bundesregierung zu hören waren, zeigt, dass es noch Hoffnung auf eine staats- und regierungsunabhängige Bewegung gibt, die als Antwort auf das Erstarken der AfD noch mehr "demokratische Abschiebungen" fordert.
Solche Töne waren heute Morgen in der Sendung kontrovers im Deutschlandfunk zu hören, wo man sich in der Ablehnung der AfD und ihrer Rhetorik einig war und dann Vorschläge kam, man müsse Flüchtlinge so abschieben, wie es die dänische Regierung unter starker Beteiligung der dortigen Sozialdemokraten vorexerziert hatte. Diese hatten die dänischen Rechtspopulisten stimmenmäßig dezimiert, weil sie deren Politik in weiten Bereichen übernommen hatten.
Die heuchlerische Politik gegen Rassismus: Irmela Mensah-Schramms Kampf
Würde eine solche Entwicklung auch in Deutschland einsetzen, hätte die seit Jahren unermüdliche Kämpferin gegen Rassismus und Neonazis, Irmela Mensah-Schramm, recht. Im Deutschlandfunk bezeichnete sie kürzlich die Aufrufe der Politik zu mehr Engagement gegen rechts als heuchlerisch.
Man fordere die Bürger auf, lauter zu werden, und ignoriere oder kriminalisiere sie dann. Ihr fast 40-jähriges Engagement sei von Strafanzeigen gegen sie begleitet worden, beklagte Mensah-Schramm und verwies auf eigene Erfahrungen. Die Frau entfernt Nazischmierereien in der ganzen Republik, erhält dafür Ehrungen der Zivilgesellschaft, aber auch immer wieder Probleme mit Polizei und Justiz.
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