Rettet ein Bestechungsskandal Tsipras vor dem Abstieg?

Seite 2: Ex-Premier Samaras oder Ex-Finanzminister Venizelos sollen in den Fall "Novartis-Gate" verwickelt sein

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Inhalt der Anklageschrift wurde von Seiten der Regierung bereits am Montag an die Medien weitergeleitet, obwohl sie offiziell erst am Dienstagnachmittag - wie vorgeschrieben - von der Justiz an das Parlament übergeben wurde. Damit der Empfang der Justizakte, samt der Verlesung der Namen, bereits am Dienstag veröffentlicht werden konnte, wurde eine außerordentliche Plenarsitzung einberufen. Dort verlas Parlamentsvizepräsidentin Tasia Christodoulopoulou die Zusammenfassung der Anklageschrift und machte die Namen der Involvierten offiziell öffentlich.

Ex-Finanzminister Evangelos Venizelos (PASOK) steht unter Verdacht (hier 2015 mit Alexis Tsipras). Bild: W. Aswetsopoulos

Unter Verdacht der Beteiligung in der einen oder anderen Form stehen somit:

  • Der frühere Premierminister (20-6-2012 bis 26-1-2015) Antonis Samaras
  • Der frühere Vizepremierminister (25-6-2013 bis 25-1-2015) und Finanzminister (17-6-2011 bis 21-3-2012) Evangelos Venizelos
  • Der frühere Interimspremierminister Panagiotis Pikrammenos (16-5-2012 bis 20-6-2012)
  • Der frühere Gesundheitsminister (2006 bis 2009) und aktueller EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos
  • Der frühere Gesundheitsminister (25-6-2013 bis 9-6-2014) und aktueller Vize der Nea Dimokratia Adonis Georgiadis
  • Der frühere Finanzminister (5-7-2012 bis 10-6-2014) und aktueller Präsident der Notenbank Yannis Stournaras
  • Der frühere Gesundheitsminister (7-9-2010 bis 17-5-2012) Andreas Loverdos
  • Der frühere Gesundheitsminister (21-6-2012 bis 25-6-2013) Andreas Lykourentzos
  • Der frühere Vizegesundheitsminister (22-6-2012 bis 23-6-2013) Marios Salmas
  • Der frühere Arbeits- und Sozialminister (Juni 2011 bis Mai 2012) Giorgos Koutroumanis

Im Prinzip stützt sich die Anklage auf Whistleblower, die unter Zeugenschutz stehen. Dementsprechend fiel auch die Reaktion der in die Affäre verwickelten Personen aus. Der Verfassungsrechtsprofessor Venizelos verlangte die Offenlegung der Namen der Zeugen. Der ebenfalls als Juraprofessor für Verfassungsrecht bekannte Andreas Loverdos begehrt, dass die Zeugen in Kutten gehüllt vor dem Parlament aussagen. Marios Salmas droht, dass er die Zeugen ausfindig machen würde und einer Strafe zuführen würde.

Alle Beteiligten sehen sich verleumdet. Samaras hat eine Anzeige gegen Premierminister Tsipras und Vizejustizminister Papangelopoulos angekündigt. Alle Beteiligten beschuldigen die Regierung der Manipulation der Justiz. Sie belegen dies dadurch, dass die Minister der Regierung bereits über die Anklage und die Namen plauderten, bevor diese von der Justiz offiziell übergeben wurde.Andreas Loverdos vermutet "dunkle Kreise" und eine Verschwörung gegen ihn und will, wie Adonis Georgiadis auch, Anzeige erstatten.

Die letzte Zeugenaussage im Fall wurde übrigens am Sonntag, dem Tag der Großdemonstration in Athen von der Justiz aufgenommen. Die Regierung verweist jedoch darauf, dass der Verdacht der Manipulation allein wegen der Ermittlungen durch das FBI abwegig sei.

Für Mittwoch ist allerdings weiterer Diskussionsstoff angesagt. Dann wird von der Justiz die Verdachtsakte gegen den amtierenden Verteidigungsminister Panos Kammenos und der Waffenverkäufe an Saudi-Arabien ins Parlament eingereicht.