Rettet uns die Kernfusion aus dem Energiedilemma?

Seite 2: Grundlegende Fragen ungelöst

In meiner Zeit als forschungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag hatte ich bei einigen Besuchen in den Kernfusionsforschungseinrichtungen in München oder Greifswald hinterfragt, was denn die Möglichkeiten der Kernfusion seien. Schon damals wurde mir klar, dass die Kernfusionsforscher auf die zentralen Fragen keine Antwort haben und das gilt bis heute.

Immer noch ist nicht klar, welches Material jemals den Kern eines Fusionsreaktors einschließen soll. Diese erste Wand muss ja höchste Drücke, extrem hohen Neutronenbeschuss und Temperaturen von Millionen Grad Celsius aushalten. Bisher ist kein Material bekannt, welches das aushalten würde.

Jedes Material, das einem solch hohen Neutronenbeschuß ausgesetzt ist, wird hoch radioaktiv kontaminiert und verliert gleichzeitig schnell alle notwendigen Materialeigenschaften. Anders als fast überall zu lesen ist, würde ein Fusionsreaktor also sehr wohl große Mengen radioaktiven Müll produzieren.

Schon alleine deshalb ist nicht abzusehen, dass es je einen Kernfusionsreaktor geben könnte, auch nicht in hundert Jahren.

Seit Langem ist bekannt, dass die Kernfusion keine Lösung bieten kann

Schon in meiner Bundestagsrede zur Kernfusion 2002 habe ich die Beendigung der öffentlichen Forschungsgelder für die energetische Kernfusionsforschung gefordert. In meinem Bericht an die Grüne Bundestagsfraktion 2004 verlangte ich zudem – wie auch das Büro für Technikfolgenabschätzung im Bundestag –, eine neue Bewertung der Kernfusionsforschung zu schaffen, statt eines "Weiter-so" wie bisher.

Wie oft musste ich mir in meinem Leben – selbst in hochrangigen Podiumsdiskussionen – anhören, dass ich ein Forschungsfeind sei, die Kernfusion circa 2020 den Durchbruch schaffen würde und in Folge daraus Stromerzeugung möglich sei. Bei der Photovoltaik dagegen sei ich auf dem Holzweg, da diese nie wirklich billig werden und keinen nennenswerten Beitrag liefern könne.

Seit vielen Jahren werden angebliche Forschungsdurchbrüche verkündet

So wurden und werden seitdem hunderte Milliarden weltweit in die Kernfusionsenergie gesteckt. Einziges Ergebnis: Alle paar Jahre wird ein "Forschungsdurchbruch" so wie letzte Woche in den Medien gefeiert.

2015 wurde am Projekt Wendelstein ein Durchbruch gefeiert, weil dort gerade mal eine Zehntelsekunde lang ein Plasma gezündet wurde. 2018 wurde am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA ein Durchbruch gefeiert, weil die Forscher ein neues Design für einen Kernfusionsreaktor gefunden haben sollen. 2021 wurde ein Durchbruch angekündigt, der einen Fusionsreaktor gar bis 2024 versprach.

Und so wird die Geldverschwendung wohl noch Jahrzehnte weitergehen, wenn Politiker weiterhin Milliarden an Forschungsgeldern in die "Fata-Morgana-Kernfusion" stecken.

Erneuerbare Energien werden die Kernfusionsforschung erübrigen

Es gibt eine globale Entwicklung, die es ganz anders kommen lassen wird, als heute vor allem auch in den "Durchbruchsberichten zur Kernfusion" beschrieben wird.

In den letzten 20 Jahren haben sich die Erneuerbaren Energien dank EEG zur ökonomisch vorteilhaftesten Energieform entwickelt, obwohl sie mit wesentlich weniger Forschungsmitteln als für die Kernfusion unterstützt wurden. Mit Kernfusion wurde trotz 70 Jahren massiver Forschungsförderung noch keine einzige Kilowattstunde Strom erzeugt. Erneuerbare Energien dagegen versorgen heute schon ganze Länder wie Costa Rica zu 100 Prozent und Deutschland schon immerhin mit 50 Prozent Strom.

Gerade wurde von Prof. Dr. Christian Breyer von der Universität Lappeenranta in Finnland ein Forschungsergebnis veröffentlicht, das es leider nicht wie die vermeintlichen "Durchbrüche bei der Kernfusion" in alle Medien schafft, aber dennoch phänomenal ist: Schon 2030 könnten Erneuerbare Energien die Stromversorgung der gesamten Erde billiger bereitstellen, als die heute dominante Stromerzeugung aus Kohle, Erdgas, Erdöl und Atomenergie. Erforderlich ist nur der politische und gesellschaftliche Wille dazu.

Erneuerbare Energien befinden sich global auf einem enormen Beschleunigungspfad. Leider berichten viele Medien immer noch lieber über angebliche Durchbrüche bei der Kernfusion, als über die phänomenalen Ausbaugeschwindigkeiten und längst verwirklichten Kostensenkungen der Erneuerbaren Energien.

Ein EEG für die Kernfusion

Da nun Teile der Community der Kernfusion – wie Marvel Fusion – sich so sicher sind, dass es mit der Kernfusion bald weitere Durchbrüche und kommerzielle Reaktoren geben wird, schlage ich vor, die Forschungsförderung abzuschaffen und ein EEG für die Kernfusion einzuführen.

Für den Solarstrom brachte das 2000 den Durchbruch. Damals wurde gesetzlich garantiert, dass von den Energieversorgern 50 Cent pro Kilowattstunde (kWh) erzeugtem Solarstrom bezahlt werden, was heute zu PV-Stromerzeugungskosten weit unter zehn Cent/kWh geführt hat.

Jetzt könnte der Bundestag auch ein Kernfusions-EEG verabschieden und Investoren mit Kernfusionsreaktoren mit 50 Cent pro eingespeister kWh, so wie damals die Solarenergie vor 22 Jahren, gesetzlich befördern. Schnell würde sich zeigen, dass keine Bank dafür eine Finanzierung bereitstellen würde und so der Offenbarungseid für die Kernfusionsträume geleistet würde. In zehn Jahren könnte man das Kernfusions-EEG dann wieder wegen völliger Unwirksamkeit einmotten.

Die Kernfusion hat ihre Forschungswurzeln genauso wie die Photovoltaik in den 1950er Jahren. Warum nur sollte man ihr mit Dutzenden Milliarden Forschungsgeldern noch mehr Geld hinterherwerfen? Wer in 70 Jahren massiver Forschungsförderung nicht einmal in einem einfachen Experiment auch nur eine Kilowattstunde Strom erzeugen kann, sollte endlich zugeben, dass es eben prinzipiell unmöglich ist.

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