Rettungspaket Milch-Export
Bauernverbände streiten über Sinn und Unsinn der EU-Agrar-Politik
Die EU-Kommission hat die Wiederaufnahme der Exportsubventionen für Milchprodukte beschlossen. Der Deutsche Bauernverband freut sich über diesen jüngsten Erfolg seiner Lobby-Politik, doch Entwicklungsorganisationen und kritische Bauernverbände lehnen die Maßnahme, die als letzter Rettungsanker die drastisch gesunkenen Milchpreise stabilisieren soll, ab.
Geradezu frohlockend hat der Deutsche Bauernverband seine jüngste Milch-Konferenz betitelt: Unter "Deine Zukunft ist weiß" hat er die großen Milchbauern Deutschlands nach Berlin geladen und bei dieser Gelegenheit gleichzeitig ein Lob auf die EU-Kommission gesungen. Denn leider seien zwar die Erzeugerpreise auf 30 Cent (und weniger!) pro Liter Milch gesunken, doch die EU-Kommission habe auf die "sehr prekäre Situation sehr schnell" reagiert und die Wiederaufnahme der Exportsubventionen für Milch und Molkereiprodukte beschlossen. "Allein die Ankündigung solcher Marktentlastungsmaßnahmen führte umgehend zu einem Stopp des Preisverfalls und damit zu einer Stabilisierung der Märkte", freute frühzeitig der Vorsitzende des Fachausschusses Milch, Udo Folgart.
Weitaus verhaltener äußert sich der ansonsten so streitbare Verband der Milchbauern selbst: "In der aktuellen Situation ist sicher jede Maßnahme in Betracht zu ziehen, die dazu beitragen kann, den Markt zu entlasten", heißt es in einer Presseerklärung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), der sich 1998 in ausdrücklicher Opposition zum Deutschen Bauernverband gegründet hatte. Die Sorgen des BDM über einen Zusammenbruch des deutschen Milchmarktes mag die EU-Maßnahme allerdings nicht gänzlich aus dem Weg räumen. Denn Erfahrungen der Vergangenheit hätten gezeigt, dass Exportsubventionen die Erzeugerpreise mittelfristig eher "nachteilig beeinflussen" und das Problem der Überproduktion "nicht an der Wurzel packen". Überhaupt sei es "unverantwortlich", dass die EU daran festhalte, die Milchquote jedes Jahr höher anzusetzen, womit immer mehr Milch produziert werde und der Druck auf die Preise quasi automatisch zunehme.
Tatsächlich hatte die EU die Milchquote zuletzt im November um je 1 Prozent jährlich bis 2013 erhöht. Auf diese jüngste Erhöhung der Milchquote sei es zurückzuführen, dass jetzt soviel Milch auf dem Markt sei, dass sie exportiert werden müsse, meint der österreichische Verein der "Grünland- und Rinderbauern" und kommentiert böse:
Vor genau 2 Monaten wurden alle Warnungen von denkenden Milcherzeugern in den Wind geschlagen und mit dem Ministerratsbeschluss die Seligsprechung der Milchmarktliberalisierung eingeleitet. Um den Karren nicht vollständig gegen die Wand zu fahren und einer völligen Blamage zu entkommen, greift Kommissarin Fischer-Boel nun in die Kiste steinzeitlicher Werkzeuge der Agrarpolitik und kramt das Instrument der Exportsubventionen hervor, um den drastischen Milchpreisverfall noch zu stoppen und auf einem historischen Tiefstpreisniveau einzufrieren. Diese Exportsubventionen sind ein Kniefall vor den Lobbyisten der europäischen Milchindustrie.
IG Milch, 21. Januar 2009
Auch die Entwicklungsorganisationen haben allen Grund, die EU-Politik der Milchmengenausweitung und der Exportförderung argwöhnisch zu beobachten. Sie fürchten verheerende Folgen für die Kleinbauern im Süden des Globus:
Jetzt belasten überschüssige Mengen den Markt und sollen mittels Ausfuhrerstattungen auf dem Weltmarkt und in Entwicklungsländern abgesetzt werden. Dort konkurrieren diese Billigimporte mit der heimischen Milchproduktion und Kleinbäuerinnen werden nicht selten aus der Produktion und in die Armut gedrängt.
PM vom 19.01.09
Einige der Hilfswerke haben sich bereits mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) zusammengetan, um im gemeinsamen Interesse "kleiner" Bauern im Norden wie im Süden gegen die EU-Politik vorzugehen. Im vergangenen Jahr fanden deshalb zwei Touren mit Vertretern von Milchbauern-Verbänden aus Entwicklungsländern statt – eine wurde von der AbL gemeinsam mit Brot für die Welt organisiert und führte acht Bauernvertreter aus verschiedenen Kontinenten zu Höfen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Die andere Tour brachte auf Einladung von AbL, FIAN, Brot für die Welt und Germanwatch sambische Milchbauern nach Deutschland. Hier berichtete John Mwemba davon, wie er und einige Mitstreiter unter großem Einsatz eine Kooperative aufbauten, die heute für ein ausreichendes Einkommen ihrer 200 Mitglieder sorgt. Nun befürchten sie, dass die Einfuhr von Milchpulver aus der EU all ihre Anstrengungen wieder zunichte machen könnte:
Die Entwicklungsorganisationen fordern deshalb gemeinsam mit der AbL eine radikale Umorientierung der europäischen Agrarpolitik und berufen sich dabei auf den Weltagrarrat, der im vergangen Jahr mit seinen Forderungen im Weltagrarbericht für großes Aufsehen gesorgt hatte (Nutzen von transgenen Pflanzen zweifelhaft:
Der Weltagrarbericht fordert eine radikale Wende, weg von industrialisierter Überproduktion in Industrieländern und hin zu kleinbäuerlich strukturierter Ernährungs-Souveränität vor Ort. Die Bundesregierung, aber auch die Agrarindustrie und der Bauernverband müssen den Tatsachen ins Auge sehen: Der Wahn der industriellen Landwirtschaft und ihres grenzenlosen Wachstums ist ausgeträumt.
Doch die Stimmen sowohl der internationaler Experten wie auch die der "unabhängigen" Bauern scheinen die Berliner Politik völlig kalt zu lassen. Sie setzt weiterhin unvermindert auf die Förderung deutscher Agrarexporte und hat dazu zuletzt im November einen neuen Aktionsplan vorgelegt. Demnach ist neben einer "Exportoffensive Fleisch" auch eine "Exportoffensive Milch" geplant.