Rettungsschiff Aquarius: Gibraltar droht mit Entzug der Flagge

Seenotrettung. Foto: sea-eye.org

Laut der deutschen Reederei wird die Sache noch verhandelt. Die Folgen könnten höhere Betriebskosten sein. Für SOS Méditerranée handelt es sich um ein politisches Manöver. Update

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Es gibt noch immer keinen europäischen Aufnahmehafen für die 141 aus Seenot Geretteten an Bord der Aquarius. Die französische Regierung bemüht sich laut Medienberichten im Gespräch mit anderen Mittelmeeranrainern, einen Hafen außerhalb Frankreichs zu finden. Zwar erklärte der Leiter des Hafens im südfranzösischen Sète, dass das Schiff dort anlegen könne, Jean-Claude Gayssot machte dies allerdings von der Erlaubnis der Regierung in Paris abhängig.

Von dort kommen zur Stunde die bereits bekannten Signale: Frankreich sei nicht zuständig, weil seine Häfen nicht die vom Seerecht als erste Adressen vorgesehenen nächstgelegenen sicheren Häfen sind. Gemäß der Position der Aquarius wären entweder Italien oder Malta zuständig. Beide lehnen jedoch ab und auch aus Spanien, das sich im Juni anbot, die Aquarius mit geretteten Migranten an Bord anlanden zu lassen, kommt diesmal keine Zusage.

[Update: Die Zusage kam diesmal von Malta. Wie dpa am Dienstagnachmittag berichtet, darf die Aquarius dort anlegen. "Die Migranten würden anschließend zwischen Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Spanien aufgeteilt, teilte die Regierung des Inselstaats mit".]

Schwierigkeiten vergrößern

Es ist wieder ein Politikum, für das sich die Regierungen, so der Eindruck, jedes Mal ostentativ mehr Zeit lassen, um die Frage zu klären, wo die Migranten von Bord gehen können. Die in die Länge gezogene Prozedur bis zu einer Einigung, deren Zustandekommen mit jedem Fall als immer schwieriger dargestellt wird, soll den Schleppern und den Auswanderern vor Augen führen, dass dieser Weg der Migration immer größeren Schwierigkeiten gegenübersteht.

Zu den Schwierigkeiten, die aufgebaut werden, gehört auch die Flaggen-Frage. Wie schon anderen NGO-Schiffen zuvor droht der Aquarius der Entzug der Lizenz, mit der sie unter der Flagge Gibraltars fährt. Die Kommentare unter dem dazu gehörigen Info-Tweet des BBC-Newsreporters legen große Schadenfreude bloß und Zorn, der sogar die Inhaftierung der Crew und die Beschlagnahme des Schiffes fordert. Wie man das wohl in zehn oder zwanzig Jahren beurteilt?

Laut Informationen des französischen Fachmagazins Le Marin habe die für die Registrierung der Schiffe zuständige Regierungsbehörde in Gibraltar am Abend des 13. August ein Kommuniqué verbreitet, wonach man der Aquarius bereits im Juni und im Juli zur Auflage gemacht habe, die Rettungen einzustellen, um einzig als "Survey Ship" zu arbeiten, da das Schiff als solches registriert sei und unter der Flagge Gibraltars fahre.

Am 6. August sei der Aquarius dann mitgeteilt worden, dass sie anderweitig ihre Flagge bis zum 20. August verlieren würde und die ihres Reeders annehmen müsse.

Deutsche Reederei stellt sich hinter die Seenotrettung der Aquarius

Auf der Webseite der Gibraltar Ship Registry gibt es leider keine Informationen dazu. Ein Anruf bei der Geschäftsführung der Bremer Reederei Jasmund Shipping, der die Aquarius gehört, erbrachte die Bestätigung, dass das Schiff - wenn Verhandlungen nichts anderes ergeben - in der Konsequenz unter deutscher Flagge fahren würde. Damit würden sich die Betriebskosten deutlich verteuern, um geschätzt 20 Prozent.

Der Geschäftsführer Christoph Hempel stellt sich deutlich hinter die Rettungsarbeit der Aquarius, wie er das auch schon gegenüber Evangelisch.de betonte. In Seenot Geratene müssen gerettet werden, sagte er Ende Juli: "Dabei macht es keinen Unterschied, ob es ein leichtsinniger Freizeitsegler oder ein vor Not fliehender Mensch aus Afrika ist."

Gegenüber Telepolis bekräftigte er, dass die Aquarius auch gegen die Anweisung der libyschen Küstenwachen im Recht ist, wenn diese fordert, dass die Geretteten wieder nach Libyen gebracht werden müssten. Sie würden dort in keinen sicheren Hafen kommen. Der Kapitän müsse einer solchen Aufforderung der libyschen Küstenwache nicht folgen.

Auch der Reeder deutete im Gespräch an, dass politische Hintergründe für das Verhalten der Behörden in Gibraltar eine Rolle spielen. Auch bei der dramatischen Situation im Juni habe sich gezeigt, wie politische Interessen hineinspielen.

Die Frage, ob es denn so sei, dass Gibraltar die Rettungsarbeit der Aquarius zuvor bestätigt habe, möglicherweise sogar schriftlich, und eben früher keine Einwände dagegen gezeigt habe, bejahte der Geschäftsführer Christoph Hempel, ohne dies allerdings in irgendeiner Form zu konkretisieren. Schließlich sind ja auch noch Verhandlungen am Laufen.